Wenn man Porträtfotos betrachtet, die im 19. Jahrhundert entstanden sind, blickt man meist in sehr ernste, ausgesprochen seriös wirkende Gesichter. Die Ursache dafür ist vermutlich mannigfaltiger Natur: Als sich in den 1830er-Jahren die Fotografie langsam zu etablieren begann, waren die Belichtungszeiten noch ausgesprochen lang. Ein Lächeln über viele Sekunden ohne zu wackeln beizubehalten, ist schwierig, ein ernstes Gesicht bietet hier gewiss einen Vorteil. Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die fotografische Technik schon weit fortgeschritten, Belichtungszeiten waren bereits sehr kurz. Ab diesem Zeitpunkt greift diese Erklärung allein wohl nicht mehr.

Ein Grund für die ernsten Gesichter mag auch die Tatsache sein, dass für viele Menschen der Weg zum Fotografen ein Erlebnis war, das vielleicht nur ein einziges Mal im Leben stattfand. Entsprechend würdevoll und dem Ereignis entsprechend sollte das Foto gestaltet sein. Nicht anders als noch wenige Jahrzehnte zuvor Menschen, die es sich leisten konnten, ihr Abbild auf einem Gemälde verewigen ließen. 

Eine weitere Theorie meint sogar, dass die meisten der Porträtierten den Mund vorsorglich geschlossen hielten, um ihre schlechten Zähne zu verstecken. Eine Vermutung, die durchaus nahe liegt, denn ebenso wie die Fotografie, steckte auch die Dentalhygiene erst in den Kinderschuhen.

Nur ernste Gesichter? Es geht auch anders

Doch nicht alle Porträtfotos der damaligen Zeit zeigen diese Ernsthaftigkeit. Die folgenden Bilder aus dem Archivbestand der Northumberland Archives in England zeigen ausgelassene Menschen, die in die Kamera lachen und Grimassen schneiden. Entstanden sind die Fotos um 1900.

Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives
Foto: Northumberland Archives

In der köstlichen Fotosammlung sind auch Bilder zweier fotogener Hunde enthalten. Diese dürfen hier natürlich auch nicht fehlen. (Kurt Tutschek, 13.4.2018)

Link

Weitere Beiträge von Kurt Tutschek