Vizekanzler Heinz-Christian Strache verteidigte am Sonntag die Pläne seiner Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein. Die AUVA solle sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, meint er und versichert: "Wir wollen keine Spitäler zusperren."

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Wien – Die angekündigten Reformen im Gesundheitssystem haben Potenzial, sich zum ersten ernsthaften Konflikt zwischen Sozialpartnern und der türkis-blauen Regierung auszuweiten. Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) kündigte am Sonntag wegen der von Gesundheitsministern Beate Hartinger-Klein (FPÖ) in den Raum gestellten Auflösung der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA) Protestmaßnahmen an.

In der ORF-"Pressestunde" betont der Vizekanzler, dass sich die AUVA auf ihren Kernauftrag konzentrieren solle und stellt sich klar hinter Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).
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Ab Dienstag werden Betriebsversammlungen in den AUVA-Einrichtungen abgehalten, auch Flugblattaktionen sind geplant. Für den 16. April wurde eine außerordentliche Generalversammlung in der AUVA sowie eine Zentralbetriebsratssitzung anberaumt.

Krisensitzung der Ärzte

Auch von medizinischer Seite gibt es weiterhin Kritik. Am Wochenende fand eine "Krisensitzung der Spitzen von Fachgesellschaft, Universitäten und Ärztekammer" statt, wie die Ärzte mitteilten. Am Montag wird zu einer Pressekonferenz geladen. Titel: "Ein Kahlschlag in der unfallchirurgischen Versorgung droht."

FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache versuchte am Sonntag in der ORF-Pressestunde zu beruhigen. Er sprach von massiven Übertreibungen, Fehlinterpretationen und Panikmache und versicherte: "Wir wollen keine Spitäler zusperren." Strache meint, die AUVA solle sich wieder auf ihre "Kernaufgaben" beschränken, also die Versorgung nach Berufsunfällen. Um Freizeitunfälle könnten sich auch andere Sozialversicherungsträger kümmern. Deshalb sei man auch für Zusammenlegungen.

AUVA erfreut über Strache

Wie berichtet kommen tatsächlich gut 80 Prozent aller Patienten nach Freizeitunfällen in AUVA-Spitäler. Auch deren Obmann Anton Ofner schlug zuletzt im STANDARD-Gespräch vor, die AUVA von "versicherungsfremden Leistungen" zu entlasten. Würde man nur die tatsächlichen Kosten für die Versorgung nach berufsbedingten Unfällen tragen, könnte sich die AUVA rund 400 Millionen Euro jährlich ersparen. Am Sonntag zeigte er sich erfreut über die "Kurskorrektur des Vizekanzlers".

Allerdings: Wird die AUVA hier entlastet, ohne dass sich an den Leistungen etwas ändert, würden sich die Kosten nur auf andere Ebenen verlagern – auf die Länder oder die Gebietskrankenkassen. Die Länder sind deshalb auch bereits alarmiert. In Salzburg und Kärnten wurden soeben Kooperationen zwischen den Landes- und den AUVA-Spitälern vereinbart, um deren Umsetzung man sich nun sorgt. Auch bei einem Treffen von Vertretern der Länder, der Sozialversicherung und des Bundes sollen die Länder am Freitag ihren Unmut deponiert haben, heißt es.

Informeller Entwurf

Zudem macht bereits ein Papier mit viel weitergehenden Reformplänen die Runde. Konkret zirkuliert in Sozialversicherungskreisen ein angeblicher Entwurf für einen Ministerratsvortrag, der auch dem STANDARD vorliegt. Einiges davon findet sich schon im Regierungsprogramm, etwa die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer "Österreichischen Gesundheitskasse". Zusammengelegt werden sollen demnach auch die Selbstständigen und die Bauern sowie Eisenbahner und Beamte.

Die AUVA existiert in dem Papier noch als eigenständige Einrichtung, soll aber per Gesetz in die Kranken- und Pensionsversicherung überführt werden, wenn es nicht gelingt, den Unfallversicherungsbeitrag von derzeit 1,3 auf 0,8 Prozent abzusenken.

Selbstverwaltung verschlanken

Brisanter sind die in dem Papier genannten Vorschläge zur teilweisen Zurückdrängung der Sozialpartner. "Die komplexen Selbstverwaltungsstrukturen mit heute über 1000 zu besetzenden Funktionen sollen (...) verschlankt (...) werden", heißt es. Die bisherigen Selbstverwaltungsgremien wie Vorstand, Kontrollversammlung und Generalversammlung sollen demnach durch einen weisungsfreien "Verwaltungsrat" ersetzt werden.

Je nach Träger und dem "Ausmaß der öffentlichen Mittel, die zusätzlich zum Beitragsaufkommen fließen", ist ein anderer Beschickungsmodus vorgesehen. Bei der "Österreichischen Gesundheitskasse" sollen etwa fünf Arbeitnehmer-, fünf Arbeitgeber- und zwei Ministerienvertreter im Verwaltungsrat sitzen. Dieses Gremium soll die Geschäftsführung überwachen und müsste allen wichtigen strategischen Entscheidungen zustimmen.

Keine politischen Mandatare

Ebenfalls in der sechsseitigen Unterlage enthalten: Ein politisches Mandat wäre unvereinbar mit der Funktion in einem Verwaltungsrat, zudem sollen für deren Mitglieder "erhöhte Qualifikationserfordernisse" analog zum Bankenbereich (Fit-&-Proper-Test) eingeführt werden. Die Verwaltungskosten sollen gesetzlich gedeckelt und vom Finanzministerium kontrolliert werden. Die Finanz soll auch die Beitragseinhebung und -prüfung von den Krankenkassen übernehmen.

Der STANDARD hat das Büro von Ministerin Hartinger-Klein mit dem Papier konfrontiert. Dort bestreitet man die Authentizität. "Wir kennen das so nicht", erklärte ein Sprecher, ohne aber auf Details einzugehen. Er verwies darauf, dass im Laufe dieser Woche Verhandlungen stattfinden sollen.

Die Ministerin hatte zuletzt für Ende April, Anfang Mai einen Ministerratsbeschluss angekündigt. Dann wäre auch die letzte Landtagswahl des aktuellen Jahres, jene in Salzburg, geschlagen. Bei den Gebietskrankenkassen hat der Ministerratsentwurf zuletzt bereits für Irritationen gesorgt. Wie berichtet haben sie Ende März in Salzburg eine gemeinsame Deklaration mit den Landesärztekammern gegen Zentralisierungspläne beschlossen. Von mehreren ÖVP-Landeshauptleute gibt es Rückendeckung dafür. (Günther Oswald, 8.4.2018)