Aus und vorbei: Wer diese Saison mit Kopfweh, Fieber und Gliederschmerzen im Bett lag, kann aufatmen. Die Influenza ist für dieses Jahr Geschichte.

Wien – Normalerweise ist das Großraumbüro ein relativ lauter Ort. Handys dudeln, Menschen schnattern, Türen öffnen und schließen sich lautstark. Die Kollegin neben mir muss regelmäßig zu Ohrstöpseln und Kopfhörern greifen, ich winke ihr zu, wenn ich mit ihr reden will.

In den vergangenen drei Monaten änderte sich aber plötzlich dieses Grundrauschen. Es wurde still, zunehmend unheimlich still. Schuld war das Influenzavirus. Nach und nach verschwand ein Mitarbeiter nach dem anderen. Ohne Vorwarnung. Der geschätzte Redakteur vom RONDO, schräg hinter mir, war am Vortag noch deutlich sicht- und hörbar, klapperte mit der Tastatur, telefonierte. Am nächsten Tag blieb sein Platz leer. Zwei Wochen lang.

In den anderen Ressorts das gleiche Bild. Menschenleere Schreibtische, E-Mails mit dem Betreff "Ich bin krank" häuften sich. Es wurde immer offensichtlicher: Die Influenzaviren nahmen Woche für Woche Fahrt auf, wüteten unerbittlich, die STANDARD-Redaktion war schließlich ausgedünnt. Auch die Ressortleiterin "Gesundheit" lag darnieder. Zehn Tage Totalausfall. Trotz Impfung. Doch vor circa zwei Wochen war der Spuk dann vorbei. In der Redaktion zumindest waren alle wiederauferstanden, die Grippewelle ist nun auch offiziell vorüber. "Von den Erkrankungsfällen war sie zwar moderat, aber mit zwölf Wochen Dauer doch sehr lange", resümiert Monika Redlberger-Fritz, Virologin an der Med-Uni Wien.

Unhygienische Männer

Gelernt haben die, die erkrankt waren, aber vor allem eines: Eine Grippe ist nicht lustig. Was wir außerdem noch wissen: Die unsichtbaren Krankmacher sind nicht wählerisch, sogar Helene Fischer haben sie heuer heimgesucht. Der Haupttäter dieses Jahr klingt wie das neueste Modell eines japanischen Autokonzerns: B-Yamagata. Vor diesem Virenstamm waren nur relativ wenige Menschen geschützt, im Dreifachimpfstoff, der hauptsächlich verkauft wurde, war er gar nicht enthalten.

Was sich jeder für die nächste Saison merken kann: "Es gibt primär vier Faktoren, die das Risiko einer Infektion erhöhen: kaltes Wetter, Menschenansammlungen, mangelnde Hygiene und Impfmüdigkeit", sagt Christoph Koidl, Virologe von der Med-Uni Graz.

Im Gegensatz zu Menschen lieben Grippeviren die Kälte. US-Forscher des National Institutes of Health haben herausgefunden, warum die Viren vor allem bei kaltem Wetter zuschlagen. Die Forscher konnten nachweisen, dass sich die Krankheitserreger mit einer fettigen Substanz umgeben, die sich zu einem Gel verhärtet. Dadurch überleben sie an Wintertagen deutlich länger als in der Hitze des Sommers. Sobald sich die Viren in den Atemwegen des Wirts einnisten, schmilzt dieser Schutzmantel und einer Infektion der Zellen steht nichts mehr im Weg. Die Folge: plötzlich hohes Fieber, starkes Kopfweh, Gliederschmerzen. Und: trockener Husten, den die Erreger als superschnelles Transportmittel zum nächsten Opfer nutzen. Geschwindigkeiten bis zu 1000 Kilometer pro Stunde konnten Wissenschafter beim Aushusten messen.

Bis zum nächsten Jahr

"Grippeviren sind statisch, sie bewegen sich nicht wie Spermien von selbst. Sie müssen das Prinzip der Tröpfcheninfektion, die hauptsächlich über die Hände erfolgt, nutzen", erklärt Koidl. Die beliebtesten Wartehäuschen für die fiesen Krankheitserreger: Türschnallen, Liftknöpfe oder ein feuchter Händedruck. Da hilft nur gründliches Händewaschen.

Was jedes kleine Kind zumindest theoretisch weiß, haben besonders Männer schon wieder vergessen. Das zeigte kürzlich eine Studie der privaten SRH Hochschule Heidelberg, für die 1.000 Besuchern öffentlicher Toiletten auf die Finger geschaut wurde. Das Ergebnis: Jeder zehnte Mann verzichtete auf die Handhygiene, Seife und Wasser benutzten nur etwa die Hälfte. In einer früheren Untersuchung der London School of Hygiene and Tropical Medicine, für die rund 250.000 Benutzer von Raststätten-WCs beobachtet wurden, war das Resultat noch unappetitlicher: Nicht einmal jeder Dritte griff zu Seife und Wasserhahn, unter den Frauen waren es 64 Prozent.

Schwieriger ist es, Menschen in Grippezeiten überhaupt zu meiden. Besonders in den Öffis und im Großraumbüro. Selbst wer das irgendwie hinkriegt, ist noch nicht in Sicherheit. "Kinder sind die Hauptüberträger. Wenn nach den Winterferien Schulen und Kindergärten wieder geöffnet haben, steigen die Erkrankungszahlen dramatisch an", weiß Koidl aus Erfahrung. "Insgesamt erkranken fünf bis zehn Prozent der Erwachsenen und zehn bis 20 Prozent der Kinder pro Jahr an Grippe", ergänzt Redlberger-Fritz. Die Influenza hat ab sofort bei uns wieder Pause. Eine echte Sommergrippe ist zum Glück höchst unwahrscheinlich. (Günther Brandstetter, 10.4.2018)