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Maximal vier halbe Liter Bier oder sechs Achtel Wein pro Woche vertragen sich gut mit der Gesundheit. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Innsbruck/London – Die Empfehlung britischer Wissenschafter der Universität Cambridge wirkt zunächst wie eine Plattitüde: "Je weniger Alkohol, desto besser." Bei genauerer Betrachtung der nun im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlichten Studie ist dieser Ratschlag aber weniger banal. Das Risiko, frühzeitig zu sterben, steigt bei regelmäßigem Alkoholkonsum bereits ab einer Menge von mehr als hundert Gramm pro Woche. Das hat die Datenanalyse von 83 entsprechenden Studien mit insgesamt 599.912 Probanden ergeben.

"Eine geringe Menge Alkohol stellt zwar einen gewissen Schutzfaktor beim Herzinfarkt dar, aber bei allen anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall, chronische Herzschwäche, Bluthochdruck und Ähnliches erhöht sich das Risiko. Die schädlichen Effekte überwiegen also", sagt der Epidemiologe Peter Willeit von der neurologischen Universitätsklinik der Med-Uni Innsbruck, der mit seinem Kollegen Stefan Kiechl an der Studie beteiligt war.

Die Wissenschafter haben keine neuen Daten erhoben, sondern die Resultate aus 83 bereits vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungen dieses Themas mit knapp 600.0000 Probanden zusammengefasst und analysiert. Das Hauptergebnis: Ab einem Alter von 40 Jahren verringert der Alkoholkonsum von hundert bis 200 Gramm pro Woche die Lebenserwartung von Männern und Frauen im Vergleich zu weniger Alkohol um durchschnittlich sechs Monate, bei einem Konsum von 200 bis 350 Gramm pro Woche um ein bis zwei Jahre und bei mehr als 350 Gramm Alkohol pro Woche um vier bis fünf Jahre.

Gesundes Maß neu überdenken

"Hundert Gramm Alkohol pro Woche entsprechen etwa sieben Achtel Wein pro Woche", sagt Willeit. Sein Kollege Kiechl betont: "Wer den Alkoholkonsum reduziert und höchstens sechs bis sieben Achtel Wein beziehungsweise maximal vier große Bier pro Woche trinkt, kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gering halten und dazu beitragen, länger zu leben."

Den Studienautoren zufolge müssten die geltenden Empfehlungen, was gesundheitlich noch tolerablen Alkoholkonsum angehe, in vielen Ländern auf niedrigere Werte gesenkt werden. So galt in den USA beispielsweise bisher eine Wochenmenge von höchstens 196 Gramm Alkohol für Männer und von 98 Gramm für Frauen als Empfehlung. In Österreich empfiehlt das Gesundheitsministerium höchstens 26 Gramm Alkohol pro Tag bei Männern (168 Gramm pro Woche) und maximal 16 Gramm pro Tag für Frauen (112 Gramm pro Woche).

Die Frage nach "Grenzwerten" beim Alkoholkonsum ist laut dem Ärztlichen Leiter des Wiener Anton-Proksch-Instituts, Michael Musalek, allerdings sehr problematisch: "Das ist ein Verwirrspiel." Man müsse immer darauf achten, auf welchen Kriterien solche Angaben basierten. So wird in Österreich der Konsum von durchschnittlich 60 Gramm reinen Alkohols pro Tag für Männer (drei Krügel Bier, sechs Achtel Wein; 420 Gramm pro Woche) als auf jeden Fall gesundheitsgefährlich eingestuft. Bei Frauen sind es 40 Gramm Alkohol pro Tag (zwei Krügel Bier oder ein halber Liter Wein; 280 Gramm pro Woche). "Wenn jemand jahrelang so viel Alkohol konsumiert, bekommt der Betroffene zu hundert Prozent einen Leberschaden", betont Musalek.

Geringes Suchtpotenzial, aber sehr schädlich

Erste negative Effekte können demnach auch schon bei geringeren Mengen dauerhaften Alkoholkonsums auftreten. Außerdem kommt es Musalek zufolge auch auf die Art der alkoholischen Getränke an – zum Beispiel auf die enthaltenen Restmengen von Methylalkohol.

Die Problematik der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit ist eine andere Frage. "Alkohol ist eine Substanz mit relativ geringem Suchtpotenzial. Man muss schon lange und sehr viel trinken, um abhängig zu werden. Umgekehrt ist Alkohol das Suchtmittel, das die meisten Organschäden verursacht", so der Experte. Bei Heroin sei das umgekehrt – hohes Suchtpotenzial, aber viel weniger organische Schäden.

Ebenfalls in "The Lancet" veröffentlichte der britische Pharmakologe David Nutt bereits im Jahr 2010 eine Studie über die Gesamtschäden verschiedener Rauschmittel für den Organismus und die Gesellschaft. Nutt stufte Alkohol noch vor Heroin, Crack und Methamphethamin ("Crystal Meth") als schädlichste Droge ein.

Wenn es um Abhängigkeit und Sucht geht, schlägt in Österreich der Alkohol alles. Rund 200.000 Menschen neigen zu exzessivem Trinken. Das hat eine repräsentative Umfrage (GfK) im Jahr 2015 ergeben. Neun Prozent der Bevölkerung trinken viermal oder öfter pro Woche Alkohol. Die Jahreskonsummenge von 12,2 Litern reinen Alkohols ist im EU-Vergleich einer der Spitzenwerte. Die gute Nachricht: Eine Zeitreihenanalyse der Daten von 1994 bis 2015 hat ergeben, dass der Anteil der Menschen an der österreichischen Bevölkerung, die gesundheitsgefährdend Alkohol trinken, von 18 auf 14 Prozent gesunken ist. (APA, red, 13.4.2018)