Wien – Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat mit Überlegungen, die Allgemeine Unfallversicherung (AUVA) zu zerschlagen, für erheblichen Unmut unter den Sozialpartnern gesorgt. Noch im Mai soll im Ministerrat ein Konzept zur Reduktion der 21 Sozialversicherungsträger auf "maximal fünf" beschlossen werden. Im Interview erklärt sie, in welche Richtung es gehen wird.

STANDARD: In Regierungskreisen werden Sie schon als Problemfall gehandelt, weil Sie für unakkordierte Schlagzeilen sorgen. Nicht gut für eine neue Ministerin, oder?

Hartinger-Klein: Ich weiß nicht, was unakkordiert sein soll. Ich setze den Koalitionspakt um. Dass ich manchmal eine eigene Meinung habe, das gehört ja wohl dazu.

STANDARD: Sitzen Sie noch fest im Sattel und haben Rückendeckung von Kanzler und Vizekanzler?

Hartinger-Klein: Natürlich.

Beate Hartinger-Klein war lange im Hauptverband der Sozialversicherungsträger tätig. Jetzt will sie bei den Kassen ordentlich umkrempeln und aus neun eine Gebietskrankenkasse machen.
christian fischer

STANDARD: Zuletzt haben Sie die ÖVP bei der elektronischen Gesundheitsakte Elga überrascht. Im Ministerrat haben Sie noch zugestimmt, dass Gesundheitsdaten in anonymisierter Form der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Jetzt sind Sie dagegen. Etwas sprunghaft, oder?

Hartinger-Klein: Das ist nicht sprunghaft. Es gab im Ministerrat eine Tischvorlage, wo es nicht gleich ersichtlich war, dass auch Gesundheitsdaten betroffen sind. Wir haben uns das jetzt genau angeschaut und sofort reagiert. Gesundheitsdaten sind so sensibel, die müssen geschützt werden.

STANDARD: Üblicherweise schaut man sich das vorher an, bevor man im Ministerrat zustimmt.

Hartinger-Klein: Es war, wie gesagt, eine Tischvorlage. In so einem Konvolut ist es sehr aufwendig, alle Details zu prüfen.

STANDARD: Apropos sprunghaft: Sie springen gern auf dem Trampolin. Wenn Ihnen da etwas passiert, hätten Sie Bedenken, sich in einem Spital der AUVA behandeln zu lassen?

Hartinger-Klein: Ganz im Gegenteil. Die Unfallkrankenhäuser leisten höchste Qualität. Jeder, der einen Unfall hat, wird dort bestens versorgt.

STANDARD: Das sagen viele. Jetzt stellt sich die Frage: Wenn die Qualität so gut ist, warum muss man unbedingt die AUVA-Strukturen zerschlagen? Das ist für die Versicherten nicht leicht verständlich.

Hartinger-Klein: Es gibt eine überbordende Verwaltung, Schnittstellenprobleme zwischen den Trägern, aufgeblähte Strukturen. Diese Probleme wollen wir lösen.

STANDARD: Trotzdem versteht niemand, warum wir jetzt im April eine singuläre Diskussion über die AUVA führen, wenn im Regierungsprogramm steht, dass die AUVA bis Jahresende erste nachweisbare Erfolge erzielen muss?

Hartinger-Klein: Es drängt die Zeit. Bis heute hat der AUVA-Vorstand keine Vorschläge vorgelegt. Wenn das aber jetzt nicht vorbereitet wird, werden wir in diesem Jahr nichts mehr zusammenbringen.

"Die Unfallkrankenhäuser leisten höchste Qualität. Jeder, der einen Unfall hat, ist dort bestens versorgt", findet die Ministerin.
christian fischer

STANDARD: Bei Einnahmen von 1,4 Milliarden Euro wird die AUVA aber nicht 500 Millionen einsparen können. Wäre es nicht ehrlicher zu sagen: Wir wollen die Unternehmen um diese 500 Millionen entlasten?

Hartinger-Klein: Natürlich ist es zusätzlich eine Entlastung für die Unternehmen. Aber es geht primär darum, keine Zwei-Klassen-Medizin mehr zu haben. Die Unfallversorgung in einem Landeskrankenhaus ist schlechter als in einem Unfallkrankenhaus. Dort hat man das medizinische Maximum, das sollte allen zur Verfügung stehen.

STANDARD: Wie?

Hartinger-Klein: Selbst der Präsident der Gesellschaft für Traumatologie, Christian Fialka, sagt, dass man mit einem Netzwerk an Traumazentren eine bessere Versorgung erreichen und die Kosten senken könnte. Darum werde ich die medizinischen Fachgesellschaften stärker einbinden. Zuerst müssen die medizinische Qualität und die Netzwerkstruktur aufgebaut werden, dann reden wir über das Geld. Man zieht die Diskussion immer falsch auf.

STANDARD: Die Diskussion haben ja Sie so aufgezogen. Die SPÖ unterstellt Ihnen, dass Sie die AUVA zerschlagen wollen, weil Sie dort nicht Generaldirektorin geworden sind.

Hartinger-Klein: Das ist lächerlich. Ich habe ein Gleichbehandlungsverfahren geführt, das ich aber sofort zurückgezogen habe, als ich Ministerin geworden bin.

STANDARD: Reden wir über Macht. Als Ministerin können Sie im Gesundheitssystem nur bedingt steuernd eingreifen. Die Sozialversicherungen werden von den Sozialpartnern dominiert, die Spitäler von den Ländern. Braucht der Bund mehr Steuerungsmöglichkeiten?

Hartinger-Klein: Die Herausforderung ist im Gesundheitswesen natürlich die Finanzierung aus einer Hand. Das muss sorgfältig vorbereitet werden. Jetzt schaue ich einmal, dass ich die Sozialversicherung gut und effizient aufstelle.

STANDARD: Braucht es starke Sozialpartner in der Sozialversicherung?

Hartinger-Klein: Wir sind ein Land der Sozialpartner. Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, Versichertenvertreter da drinnen zu haben. Es gilt aber auch, die Aufsichtsfunktion des Bundes und die Möglichkeiten, Einspruch zu erheben, zu verstärken. Das ist schon Sinn der Sache. Ein Beispiel dafür ist die Kontrolle, ob die Vorgaben, die Verwaltungskosten zu senken, auch eingehalten werden.

STANDARD: Diskutiert wird intern auch, ob man nach dem Vorbild des AMS auch bei den Sozialversicherungen ein Verwaltungsratsmodell einführen soll. Dann würden Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Ministeriumsvertreter gemeinsam in diesen Gremien sitzen.

Hartinger-Klein: Das schauen wir uns gerade an, inwieweit das verfassungsrechtlich möglich ist. Aber es wird in die Richtung gehen, dass der Bund mehr Einflussmöglichkeiten bei der Steuerung bekommen soll.

STANDARD: Werden die politischen Unvereinbarkeitsbestimmungen für diese Funktionen verschärft?

Hartinger-Klein: Wir wollen hier eine Art Fit-&-Proper-Test wie im Bankwesen machen. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Funktionäre wirklich gut ausgebildet sind im Sozialversicherungsrecht. Derzeit ist das leider oft nicht der Fall.

Mit einem Eignungstest "soll sichergestellt werden, dass alle Funktionäre wirklich gut ausgebildet sind", fordert Hartinger-Klein.
christian fischer

STANDARD: Wie wird es mit dem Arbeitsmarktservice weitergehen? Im Regierungsprogramm ist nur von einer "effektiveren Steuerung" die Rede. Wollen Sie da auch mehr Einfluss sicherstellen?

Hartinger-Klein: Wir schauen uns gerade Best-Practice-Modelle an. Wir haben aber bereits die Möglichkeit geschaffen, dass die AMS-Leiter das Budget flexibler einsetzen können.

STANDARD: Haben die AMS-Vorstände Johannes Kopf und Herbert Buchinger Ihr vollstes Vertrauen?

Hartinger-Klein: Es gibt einen gemeinsamen Termin mit Kanzler und Vizekanzler. Es geht nicht um Köpfe, sondern um Verbesserungen für die Arbeitslosen.

STANDARD: Ist es denkbar, das AMS wieder direkt ins Ministerium einzugliedern, wie das bis in die 90er-Jahre der Fall war?

Hartinger-Klein: Zuerst Modelle und Fakten auf den Tisch. Ich arbeite gewohnt faktenbasiert.

STANDARD: Andere Baustelle: Die Länder haben erst am Donnerstag wieder bekräftigt, dass sie 500 bis 600 Millionen Euro für die Abschaffung des Pflegeregresses wollen. Kann es wirklich in diese Richtung gehen, oder halten Sie das für eine rein fiktive Zahl?

Hartinger-Klein: Aus meiner Sicht ist das eine fiktive Zahl. Ich möchte zunächst einmal konkrete Prognosen auf dem Tisch haben.

STANDARD: Also wird es am Ende wohl nicht so viel geben?

Hartinger-Klein: Es wird eine gute Lösung geben. (Günther Oswald, 13.4.2018)