Zurzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die internationalen Medien nicht über gewalttätige Angriffe auf Juden bzw. jüdische Einrichtungen in Frankreich und Schweden oder über judenfeindliche Ausbrüche oder Handlungen muslimischer Migranten in Deutschland berichten. Nicht jeder arabische Flüchtling ist ein Antisemit, aber Antisemitismus gehört ebenso zum tradierten Alltag in den meisten muslimischen Ländern wie die diskriminierende Haltung gegenüber Frauen. Es leben bereits 4,7 Millionen Muslime in Deutschland. Die Berichte über den Judenhass der jungen Muslime und die Probleme jüdischer Schulkinder und kippatragender Männer sind auch nicht mehr tabu.

Vor diesem besorgniserregenden Hintergrund muss der Skandal um die beiden deutschen Rapper betrachtet werden, die auch für Zeilen wie "mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen" mit dem wichtigsten deutschen Musikpreis ausgezeichnet wurden. (siehe STANDARD-Bericht). Diese Preisverleihung sei "für alle Überlebenden des Holocausts ein Schlag ins Gesicht und für Deutschland ein beschämender Vorgang", so das Internationale Auschwitz-Komitee. Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrates der Juden, sprach von einem "verheerenden Zeichen". Die beiden Rapper erreichten mit ihren Botschaften Millionen junger Menschen. Nach ihrer Auszeichnung dürfe sich niemand wundern, dass "Jude" in Klassenzimmern ein Schimpfwort sei.

Es geht freilich nicht um die Meinungs- und Kunstfreiheit, die auch solche Verhöhnung der Shoah-Opfer erlaubt, sondern um die Wirkung. Den Rappern glauben viele Jugendliche mehr als den Schulbüchern und der "gesamten deutschen Presselandschaft", betonte ein junger Fachjournalist und forderte deshalb einen Dialog mit ihnen, statt von oben herab auf sie einzuprügeln. Alibi- und Scheindebatten vergrößern nur den Graben zwischen den Generationen. Vor allem fördert das "feine Schweigen" (Fritz Stern) den salonfähigen Antisemitismus.

"Kein nennenswerter Protest regte sich, als der Preis vergeben wurde. Die deutsche Musikindustrie tat in diesem Moment, was ihre Großväter auch schon besonders gut konnten: schweigen, weggucken, sich bloß nicht stören lassen, nichts riskieren", so Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Er wies auch auf den düsteren und symbolträchtigen Hintergrund hin, dass nämlich nur wenige Stunden zuvor Auschwitz-Überlebende im stillen Gedenken, manche von ihnen in Sträflingskleidung von damals, durch die ehemaligen Lager Auschwitz und Treblinka gezogen waren.

Auch der polnische Staatspräsident Andrzej Duda und Israels Präsident Reuven Rivlin nahmen am Gedenkmarsch (zum Holocaust-Gedenktag in Israel) teil. Duda hielt eine Rede gegen Antisemitismus und Rassismus. Der verlogene Umgang mit der Erinnerung gilt allerdings nicht nur für das Land der Täter, sondern auch für das Land der Opfer. Der polnische Staatschef hatte nämlich mit seiner Unterschrift auch den Abbau des Rechtsstaates und die Verabschiedung jenes skandalösen Gesetzes sanktioniert, welches Hinweise auf eine polnische Mitschuld am NS-Verbrechen sogar mit Gefängnis bestraft.(Paul Lendvai, 16.4.2018)