Bevor ich anfing, Gletscher zu untersuchen, arbeitete ich mit Eisbohrkernen aus der kanadischen Arktis. Mir gefiel es immer, wie klar man die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten darin erkennen kann. Zum Beispiel spiegelt sich die Einführung des bleifreien Benzins Mitte der 70er-Jahre deutlich in einer Abnahme des Bleigehaltes im Eis in dieser Zeit wider.

Ein Teil eines Eisbohrkerns mit deutlich sichtbaren Staubschichten.
Foto: B.R. Markle

Obwohl die Arktis weit entfernt von Industriegebieten und Gebieten mit starkem Autoverkehr liegt, kann man die Schwankungen im Bleigehalt in den arktischen Eisbohrkernen klar erkennen – wenn auch in deutlich niedrigeren Konzentrationen als im Eis der Alpen. Das liegt daran, dass der Schnee, der in der Arktis fällt, aus Wasserdampf entsteht, der über weite Strecken durch die Atmosphäre transportiert wird und dabei auch Schadstoffe mit sich führt.

Bleigehalte aus Eisbohrkernen in Grönland und in den Alpen nach Osterberg et al., 2008.
Grafik: L. Nicholson

Es gibt verschiedene Quellen für Blei im Schnee, aber die Verwendung von verbleitem Benzin und die Umstellung auf bleifreies Benzin in den 70er-Jahren gelten als die Hauptursache für die beobachteten Konzentrationsänderungen. 

Die Erforschung der POPs

Von besonderem Interesse sind aber die sogenannten POPs – persistente organische Schadstoffe. Das sind zum Beispiel Pestizide, Herbizide oder Flammschutzmittel, die in der Natur nur sehr langsam abgebaut werden können. Da sie so langlebig sind, können sie von ihren Entstehungsgebieten über weite Strecken in die Arktis transportiert werden, wo sie im Schnee, im Wasser und im Boden gespeichert werden. Unglücklicherweise sind all diese POPs giftig. Erhöhte POP-Konzentrationen wurden im Fettgewebe von arktischen Fischen, Seevögeln, Walen, Eisbären und auch beim Menschen gefunden. POPs verursachen möglicherweise sowohl beim Menschen als auch in der Tierwelt langfristige gesundheitliche Probleme, zum Beispiel hormonelle Störungen, Unfruchtbarkeit und Krebs.

Letztes Jahr wurde ich gefragt, ob ich an einer Expedition teilnehmen möchte, deren Ziel die Untersuchung von POPs im grönländischen Schnee ist – und stimmte begeistert zu. Wir werden mit einer speziellen Technik Schneeproben nehmen, die eine Kontaminierung während der Probennahme verhindert. Anschließend werden die Proben im Labor analysiert und ihr Schadstoffgehalt bestimmt.

Beim Erlernen der Technik für saubere Schneeprobennahme und der Analyse der Schneeproben im Labor
Fotos: K. Koziol; L. Deacaux

Giftiges Schmelzwasser?

Ursprünglich hatten wir geplant, das grönländische Inlandeis zu überqueren. Aufgrund von logistischen Problemen werden wir nun stattdessen in zwei verschiedenen Regionen in Grönland Proben nehmen. Um unsere Untersuchung auf ein größeres Gebiet auszudehnen, haben wir uns mit Kollegen vom Grönlandischen Geologischen Vermessungdienst, vom Norwegischen Polarforschungsinstitut und mit Studenten der Polaren Akademie der Königlich-Schottischen Geografischen Gesellschaft zusammengeschlossen. Sie werden in anderen Gebieten Grönlands Schneeproben nehmen.

Wenn wir die heutigen POP-Konzentrationen im Schnee bestimmt haben, werden wir dreidimensionale Computermodelle verwenden, um die atmosphärischen Strömungen und damit die Transportwege der POPs zurück zu ihren Ursprungsgebieten zu verfolgen. Dadurch sind wir in der Lage, die gegenwärtige Ablagerung und Speicherung der POPs im Schnee und Eis des grönländischen Inlandeises besser zu verstehen. Dies ermöglicht auch eine Abschätzung der Menge an POPs, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts in Grönland abgelagert wurden. Dies ist wichtig, weil in der Mitte des letzten Jahrhunderts deutlich giftigere POPs verwendet wurden als heute. Das Stockholmer Übereinkommen, das im Jahr 2004 in Kraft trat, beschränkte die Verwendung von zwölf der schädlichsten Substanzen. Das Schmelzwasser, das vom Eisschild abfließt, stammt jedoch nicht nur von heutigem Schnee, sondern auch aus älteren Schnee- und Eisschichten, und dieses Schmelzwasser fließt in die Flüsse und in den Ozean.

Mit Hilfe unserer Untersuchung werden wir herausfinden, ob das scheinbar unberührte grönländische Inlandeis – entgegen der gängigen Annahme – in den kommenden Jahren für die arktische Umwelt eine Quelle giftiger Schadstoffe darstellt.

Während einer Trainingsexpedition auf der Hardangervidda in Norwegen im Jahr 2017
A. Bielecka

Das Expeditionsteam wird so klein wie möglich gehalten und die Probennahme wird auf Skiern durchgeführt, um die Verwendung von motorisierten Fahrzeugen zu minimieren. Unser Projekt wird hauptsächlich von der National Geographic Society durch einen sogenannten "Explorers Grant" finanziert. Der Beginn der Expedition war am 10. April. Sie können unsere Aktivitäten auf unserer Webseite "POPGreenland", auf Facebook und auf Twitter verfolgen. (Lindsey Nicholson, Mitarbeit und Übersetzung: Elisabeth Schlosser, 20.4.2018)

Link

  • Mehr über die Forschungen in der Arktis, finden Sie als hervorragenden Überblick im englischen Bericht des Arctic AMAP (Arctic Monitoring and Assessment Programme).

Literaturhinweis

  • Osterberg, E. C., Mayewski, P., Kreutz, K., Fisher, D., Handley, M., Sneed, S., Zdanowicz, C., Zheng, J., Demuth, M., Waskiewicz, M. and Bourgeois, J. (2006) Ice core record of rising lead pollution in the North Pacific atmosphere, Geophys. Res. Lett., 35(5), 2–5.

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