Ehemaliges Bauchstichbeisl im Stuwerviertel, mit kleinem Budget und großem Willen zur feinen Adresse herpoliert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Lángos wird in gutem Öl frittiert und mit feinen Sachen belegt: Beinschinken und Krenrahm.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Roland Soyka konnte dem Siechtum des Lokals von seiner Wohnung aus zusehen, irgendwann blieben die Rollladen im Lindwurmstüberl, an der Ecke Sebastian-Kneipp- und Stuwerstraße, für immer unten. Dann fragte er nach und übernahm das niedergerittene Beisl in einer Gegend, die den Ruf als eine der miesesten der Stadt lange zu verteidigen gewusst hatte.

Die Schankkühlung aus dem Jahr 1922 (!) stand zwar schon sehr schief da, konnte aber ebenso gerettet werden wie die Ledertapezierung der Lamperie im Extrazimmer. Ansonsten aber hat Soyka binnen einem Monat komplett entrümpelt, renoviert und aufgesperrt. Die Mauer zur Küche wurde niedergerissen, sodass man Chefköchin Lisa Kitzmüller (zuvor Interalpen-Hotel Seefeld, Zweitbester, Labstelle) vom Wirtshaustisch in die Pfannen sehen kann.

Über der Schank wurde ein diskretes DJ-Pult installiert, der lauschige Schanigarten auf der platzartigen Kreuzung mit gelben Sonnenschirmen hübsch gemacht, Rauchverbot ausgesprochen und das Lokal nach dem Namensgeber der Gasse benannt. Johann Georg Stuwer war Prater-Pionier, großer Feuerwerksabfackler und nebenbei jener Mann, der 1784 als Erster in Wien mit einem Heißluftballon aufstieg und damit die Geschichte der bemannten Luftfahrt im Kaiserreich begründete.

Soyka ist ursprünglich aus Reutte, hat mit Florian Ecker vom raffiniert unkomplizierten Zweitbester die Hotelfachschule absolviert und hackelte seit Jahren in zugehörigen Betrieben wie dem MQ-Dschungel. Das könnte sein scheinbar nachtwandlerisches Gespür für die Gastro erklären – die Hütte ist jedenfalls seit dem ersten Abend voll, das Team, großteils auch aus dem Zweitbester-Umfeld, ebenso motiviert wie routiniert, die Küche inspiriert und über weite Strecken großartig.

Beef Tartare zum Beispiel wird von Hand geschnitten, muskulös mit Kapern gewürzt, mit Ochsenmark-Mayo und hyperflaumigem, kurz angebratenem Brioche serviert. Lángos, eine Verbeugung vor dem nahen Prater, zeigt, wie glücklich der Fladen aus ziehig-knusprigem Teig machen kann, wenn er zur Abwechslung in gutem Öl frittiert und mit feinen Sachen belegt wird. Beinschinken und Krenrahm (siehe Bild) eignen sich gut, die Variante mit Bergkäse, Frühlingszwiebel und beinahe subtilem Knoblauchöl aber schmeckt auf schmutzige Art noch besser.

Auch frittiert, ebenso super: Fish & Chips mit fluffigen Weltklassepommes, tadelloser Sauce tartare, Erbsenpüree und blitzsauber gebackenem Wels. Linsen mit Kren, eingelegtem Apfel und knusprig gebackenen, cremig würzigen Blunzenradeln samt Babyspinat sind eine sehr animierende Vorspeise, die ob ihrer Größe glatt als Hauptgang durchgehen könnten.

Knusperpolster

Das gilt auch für den Schweinsbackerlstrudel mit saftig blätterndem Fleisch, der aufs Erste wie eine Hommage an chinesisch dralle Knusperpolster oder toskanische Teigtaschen anmutet – die Würzung fällt dann im Vergleich aber zu schüchtern aus. Man möchte der sonst so geschmackssicheren Küchenchefin Mut zusprechen – und statt des Selleriepürees (Winter!) zu einer frischen, pikanten Zuspeise (Krautsalat?) raten.

Bei den Desserts ist Kitzmüller wieder in Höchstform: Parfait von weißer Schokolade, eine grandios dichte, sanft schmelzende, mild süße Herrlichkeit, wird mit eingelegtem Rhabarber (sauer!) und grandios buttrig gebratenem Brioche kombiniert – scheinbar simpel, zum Abheben gut. Stuwer-Schmarrn, luftige Kissen in souverän karamellisierter Kruste, sind mindestens so gut – das Kompott aus plastifizierten spanischen Erdbeeren aber gehört schleunigst durch eine echte Obstkonserve ersetzt! (Severin Corti, RONDO, 20.4.2018)