Timothy Schumack: "Ein Riesen-Ego geht gar nicht"

Der Musiker und Songwriter Timothy Schumack trägt eine dunkle Jeans von Judy Rosen, schwarze Schuhe von Zara und einen Rollkragenpullover von Storm & Marie.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Timothy Schumack: Stil ist ja eine subjektive Angelegenheit. Für mich muss ein Outfit von morgens bis abends funktionieren: Die Sachen, in denen ich das Haus verlasse, dürfen am Abend nicht fehlplatziert wirken. Kleidung sollte zum persönlichen Lifestyle passen und unangestrengt aussehen. Die Leute merken sofort, wenn irgendetwas gekünstelt ist.

STANDARD: Haben Sie Stilvorbilder?

Schumack: Wenn man so will, stehe ich auf eine Mischung aus Frida Kahlo, Solange, Adam Selman, James Baldwin und einigen Freunden von mir, dem Stylisten Randal Jacobs und dem Fotografen Dario Calmese.

STANDARD: Wer ist der coolste Typ der Stadt?

Schumack: Ich war noch nie ein Fan von von solchen Festlegungen und Superlativen. Ich mag Leute, die authentisch und offen sind, Punkt.

STANDARD: Was zeichnet den modernen Mann aus?

Schumack: Ein Riesen-Ego geht gar nicht. Der Mann von heute sollte eine Vorstellung davon haben, wie man die Welt besser machen kann. Er sollte den Kampf für gleiche Rechte auf der Agenda haben: Rasse, Geschlecht, Einkommen dürfen keine Rolle spielen, wenn es um den Zugang zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Systemen geht.

STANDARD: Sie sind Musiker. Wie hat sich die New Yorker Musikszene in den letzten Jahren verändert?

Schumack: Insbesondere in der New Yorker Szene geht es zunehmend darum, wie gut sich Musiker vermarkten lassen. Im Zeitalter von Social Media und Internet reicht es nicht aus, einfach nur seine Träume zu verwirklichen und Konzerte zu spielen. Man muss herausfinden, was einen einzigartig macht.

Timothy Schumack (28) ist Musiker und Songwriter. Der gebürtige Detroiter wurde in den Straßen von Williamsburg fotografiert.

Chad Moore: "Unter Trump steht viel auf dem Spiel"

Jeden Tag (fast) dasselbe: Die persönliche Uniform des Fotografen Chad Moore besteht aus schwarzen Chucks, einer Jeans und einer Jeansjacke von Levi's, einem Band-Shirt von "Diet Choke" und Socken von Uniqlo.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Wie viele Sneaker besitzen Sie?

Chad Moore: Zugegebenermaßen nur noch diese Chucks, ein Paar in Cremeweiß und meine Nike Vapors. Ich habe nämlich gerade meine Chucks-Sammlung an eine befreundete Stylistin abgegeben: Ich hatte fast fünfzig Paar davon herumstehen, fast alle schwarz und abgelaufen. Sie kann sicherlich mehr damit anfangen.

STANDARD: Bleiben Sie Ihrer Kleidung auch treu?

Moore: Kann man so sagen. Meine persönliche Uniform besteht neben den schwarzen Chucks aus einem Paar Levi's, einem alten T-Shirt, einer Jeansjacke – und wenn es kalt wird, trage ich meine riesige Patagonia-Jacke.

STANDARD: Sie haben immer wieder Jugendliche und deren Lifestyle fotografiert ...

Moore: Ich halte seit einigen Jahren dieselben Leute fest. Aber je älter ich werde, desto mehr verändern sich auch meine Sujets.

STANDARD: Wie ticken die jungen New Yorker?

Moore: Momentan ist New York wirklich spannend. Als ich vor einigen Jahren aus Florida nach New York gezogen bin, regierte noch Obama. Auf ihn konnten sich viele einigen. Jetzt unter Trump hingegen steht viel auf dem Spiel. Ich beobachte, dass die jungen New Yorker politisieren und sich für alles Mögliche starkmachen.

STANDARD: New York bleibt anstrengend, oder?

Moore: Ich mag den Stress hier. Aber ich bin froh, dass ich oft genug auf Reisen bin, manchmal ist diese unglaubliche Energie in der Stadt lähmend. Trotzdem fühlt sich New York immer wie zuhause an.

STANDARD: Der lässigste Typ der Stadt ist ...

Moore: Ganz klar Matt Hitt! (Model und Musiker, Anm. der Red.)

Der Fotograf Chad Moore (30) stammt aus Florida, heute lebt er in New York auf der Lower Eastside. Er hat sich in den letzten Jahren mit stimmungsvollen Porträts seiner Freunde als Fotograf einen Namen gemacht.

David Hart: "US-Designer können Streetwear"

Männermodedesigner David Hart trägt Poloshirt und Hose seines eigenen Labels David Hart, Schuhe von Toms und eine schwarze Vintage-Brille. Das Bild hinter ihm stammt von der Künstlerin Amy Granat.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Wer kann Männermode besser: die Italiener oder die Amerikaner?

David Hart: Sagen wir mal so: Beide haben ihre Stärken. Die Italiener sind in handwerklicher Hinsicht besser: Sie favorisieren das luxuriöse Handwerk, die Amerikaner hingegen beherrschen Street- und Sportswear.

STANDARD: Ein typischer New Yorker ...

Hart: ... trägt Schwarz von Kopf bis Fuß.

STANDARD: Was bedeutet Ihnen Mode?

Hart: Darüber denke ich nicht großartig nach. Mode spiegelt meine Befindlichkeit wider, besonders gerne kombiniere ich aber starke Farben und Prints miteinander.

STANDARD: Welche Männermodemagazine aus den USA können Sie empfehlen?

Hart: Ich mag die GQ, weil sie in der Geschichte der Männermode stark verankert ist. Die Bilderstrecken sind zeitlos.

STANDARD: Wie hat sich New Yorks Modeszene in den letzten Jahren verändert?

Hart: Die Szene bewegt sich immer mehr in Richtung Streetwear. Große Logos und Brands erleben gerade eine Hochzeit. Gleichzeitig probieren Männer modisch mehr aus: Sneaker werden zu Anzügen getragen, und Jogginghosen sind im Job akzeptiert. Es herrscht modisch eine Kultur der Bequemlichkeit.

STANDARD: Wo bekommt man in New York die besten Anzüge?

Hart: Bei mir natürlich! Ich arbeite mit dem besten Schneider der Stadt zusammen. Wer das ist, verrate ich natürlich nicht!

Der Männermodedesigner David Hart (35), hat sich in seinem Apartment, einer ehemaligen Schokoladenfabrik, in Brooklyn fotografieren lassen.

Marc Armitano Domingo: "Sportswear macht mich verrückt"

Noch so jung und schon so exzentrisch: Der Musiker Marc Armitano Domingo (links) trägt Vintage-Schuhe von Gucci, ein Shirt von Vintage-Dior, eine Vintage-Brosche, einen Gürtel aus Venezuela (Geschenk seines Vaters) und einen Armreif von Cartier.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Welche Bedeutung hat Mode für Sie?

Marc Armitano Domingo: Mithilfe von Mode kann man viel über sich selbst sagen, ohne ein einziges Wort verlieren zu müssen. Menschen beurteilen andere meist nach ihrem Äußeren – wenn ich mit Farben spiele, macht mich das selbstbewusster.

STANDARD: Wie sieht ein echter New Yorker aus?

Domingo: Er trägt, was er will. Der New Yorker liebt Sportswear, die Farbe Schwarz und natürlich Casual-Mode. Hauptsache ist, nicht hübsch zurechtgemacht auszuschauen. Mich macht das verrückt.

STANDARD: Welcher Designer kann Männermode?

Domingo: Alessandro Michele von Gucci. Er hat mir ein ganzes Bündel Kleider überlassen. Die sind wahnsinnig schön und bequem. Ich selbst kaufe eigentlich nur Vintage-Sachen. Ich mag hoch geschnittene Hosen aus den Vierzigern bis hin zu den Sechzigern.

STANDARD: Bärte, ja oder nein?

Domingo: Das kommt drauf an. Wenn man einen Bart trägt und kein großes Tamtam darum macht, ist das total okay. Wenn man ihn zum wichtigsten Bestandteil des Looks erklärt, wird's problematisch. Wer mag schon diese Brooklyn-Hipster, die sich mit Bartöl einreiben. Ekelhaft!

STANDARD: Die coolsten Männer der Stadt?

Domingo: Mein Hund Amano Shrimp! Und meine Zierkugelfische. Die sind so süß und neugierig. Amano Shrimp putzt in der Wohnung jedem hinterher und sieht dabei noch cool aus.

STANDARD: Wo halten Sie sich am liebsten auf der Lower Eastside auf?

Domingo: Meist bleibe ich in meiner Wohnung und gehe nur zum Essen raus. Ich bin lieber in Brooklyn oder Harlem unterwegs, da sind die Parks um einiges netter. Die Lower East Side sieht aus, als ob sie seit hundert Jahren verwaist sei und dem Niedergang überlassen werde. Manche Leute mögen das – ich nicht!

Marc Armitano Domingo (22) spielt Viola da gamba. Modeauskenner wissen mit seinem Namen etwas anzufangen: Er ist immer wieder auf dem Instagram-Account seines Freundes, des Fotografen Ryan McGinley, zu sehen.

Harrison Thompson: "Männer setzen Männer unter Druck"

Hauptsache, die Hose zwickt nicht: Harrison Thompson trägt ein Shirt von Muji, einen Anzug von Ted Baker, Schuhe von Converse, eine Brille von Warby Parker, eine Uhr von Timex und einen Gürtel von Banana Republic.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Ihr größter Mode-Fauxpas der letzten Jahre?

Harrison Thompson: Ich stelle meine Garderobe sorgfältig zusammen, einen echten Mode-Fauxpas gab's in letzter Zeit nicht. Als Vater einer Zweijährigen habe ich allerdings ein paar Pfunde zugelegt. Seither vermeide ich, Anzüge zu tragen, die nicht sitzen: Als ich letztens meine Tochter aus dem Kindergarten abgeholt habe, ist meine Anzughose gerissen.

STANDARD: Das beste Alter eines Mannes?

Thompson: Ich würde sagen: die Vierziger. In den Zwanzigern erholt man sich von seinen Teenager-Jahren. In den Dreißigern wächst das Selbstbewusstsein, man versucht, etwas über das Leben herauszufinden. In den Vierzigern hat man Erfahrungen gesammelt, kennt seinen Wert, fühlt sich wohl in seiner Haut und muss sich niemandem mehr beweisen.

STANDARD: Stehen Männer heute zunehmend unter Schönheitsdruck?

Thompson: Glaube ich nicht. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an meinen Großvater. Sein Bart sollte exakt so gefärbt werden, dass noch ein wenig Grau sichtbar war. Und das ist schon einige Zeit her. Ich glaube eher, dass Männer heute hinsichtlich ihres Körpers von ihren Geschlechtsgenossen unter Druck gesetzt werden. Die meisten wollen das nicht zugeben, ist aber leider so.

STANDARD: Ihr Lieblingsdesigner aus den USA?

Thompson: Ralph Lauren. Ich mag diesen klassischen Prep-Style, den er mitentworfen hat. Noch mehr inspiriert mich aber Laurens Leben: Aufgewachsen in Armut, Neuerfindung seiner selbst, Aufbau eines Modeimperiums, Wahnsinn.

Harrison Thompson (47) arbeitet als Marketing-Manager bei Bloomberg. Wenn er einen Babysitter findet, besucht er abends in Brooklyn die französische Cocktailbar Barely Disfigured oder die Weinbar Black Mountain Wine House.

Tommy Kha, Künstler "Ich mag Gandalf-Bärte"

Flagge zeigen: Tommy Kha trägt Statement-Socken von Vangobeauty, ein Sakko von Tollegmo1900, braune Schnürer von DNA, ein blaues Hemd und Jeans von H&M sowie einen Gürtel von Beacons Closet.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Wie stehen Sie zur Mode?

Tommy Kha: Ich bin ständig von Models, Stylisten und Redakteuren umgeben. Deshalb denke ich nicht großartig über Mode nach. Im Gegenteil. Ich mache mich gern darüber lustig, dass ich mich selbst wie eine Cartoon-Figur anziehe.

STANDARD: Laufen Männer in Ihrer Heimatstadt Memphis anders herum als in New York?

Kha: New York ist modisch weitaus aufgeschlossener. Dessen ist man sich in Memphis bewusst – und trotzdem bleibt man dort engstirnig.

STANDARD: Wo gibt's die besten Anzüge?

Kha: Sie sollten grundsätzlich maßgefertigt sein. Ich habe auf der Suche nach einem Anzug schon einige Schaufensterbummel unternommen. Seit ich aber die Doku Suited über den genderqueeren Brooklyner Hersteller Bindle & Keep gesehen habe, interessiert mich vor allem dieses Label.

STANDARD: Welches männliche Körperteil ist das interessanteste?

Kha: Erfahrungsgemäß das Gehirn, ich mag aber auch Bärte, vielleicht, weil mir selbst keiner wächst.

STANDARD: Auf welchen Barttyp stehen Sie?

Kha: Von Bartstoppeln über das Modell Steve Zissou bis zur Gandalf-Länge, ich mag sie alle!

Tommy Kha (29) ist Künstler und lebt in Memphis und New York. Er empfiehlt seine Lieblingslokale "Brooklyn Label" in Greenpoint und "Union Pool" in Williamsburg.

Jarrod Caranto: "Auf Fast Fashion kann ich verzichten"

Jarrod Caranto trägt einen Overall von RHLS, ein Shirt von Rick Owens, Socken und Baseballkappe von Weekday, Schuhe von Dr. Martens und eine Brille von Gentle Monster.
Foto: Helga Traxler

STANDARD: Auf welche Modetrends können Sie verzichten?

Jarrod Caranto: Von Fast Fashion halte ich gar nichts: So was schadet der Umwelt, oder etwa nicht?

STANDARD: Gibt es Kleidungsstücke, die Sie niemals tragen würden?

Caranto: Man wird mir nie in einem klassischen Anzug, mit Krawatte oder Hut begegnen, das finde ich protzig und ziemlich langweilig.

STANDARD: Welche Designer mögen Sie?

Caranto: Meine liebsten Designer sind für mich noch immer meine Freunde. Ich ziehe normalerweise an, was sie mir schenken oder selber machen. Ich mag getragene Kleidungsstücke!

STANDARD: Was ist der neueste Hipster-Trend aus Brooklyn?

Caranto: Was soll ich sagen: Die Gentrifizierung der schwarzen Viertel, das ist alles völlig verrückt.

STANDARD: Und wie sieht der typische Bewohner Brooklyns aus?

Caranto: Er kämpft darum, seine Miete bezahlen zu können, und muss ständig Geschmack beweisen, um in seine Umgebung zu passen. Anstrengend!

Jarrod Caranto (28) ist in Brooklyn um des Fotos willen extra aufs Dach gestiegen. Posieren kann er auch. So hat er es auf unser RONDO-Cover geschafft.

(Fotos: Helga Traxler, Interviews: Anne Feldkamp, RONDO, 20.4.2018)

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