Im Wiener Rathaus herrscht Uneinigkeit über die Untersuchungskommission zum Krankenhaus Nord. Den Neos geht der Fragenkatalog der Stadtregierung nicht weit genug.

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Wien – Monatelang hat die Opposition im Wiener Rathaus eine Untersuchungskommission zu den Skandalen beim Krankenhaus Nord in Floridsdorf angekündigt. Die FPÖ, die eine Kommission aufgrund ihrer Mandatsstärke im Alleingang einsetzen könnte, verwies aber immer auf den noch ausständigen Endbericht des Rechnungshofs, den man abwarten wolle.

Nun ist die rot-grüne Stadtregierung der Opposition vor ein paar Wochen zuvorgekommen und hat selbst die Einsetzung einer Untersuchungskommission beantragt. "Mir reicht es jetzt", sagte der designierte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Er freue sich "sehr" auf eine lückenlose Aufklärung.

Rot-Grün setzt Untersuchungskommission ein

Der Antrag, den die Stadtregierung am 20. März eingebracht hat, lautet auf "Klärung der Projekt-, Kosten- und Terminentwicklung des Krankenhauses Nord". Untersucht werden sollen Leistungs- und Bedarfsentwicklung, Auswahl des Grundstücks, die Bauherrenfunktion des KAV, die wiederholt in der Kritik stand, die Vergabe von Leistungen, die Bauausführung, Kosten und Finanzierung sowie die Betriebsorganisation.

So soll geklärt werden, ob der Krankenanstaltenverbund (KAV) berechtigt war, die Großbaustelle selbst abzuwickeln, obwohl er nicht auf die Errichtung von Krankenhäusern spezialisiert ist, und ob das interne Kontrollsystem den Standards entspricht. Geklärt werden soll auch die Kostenentwicklung seit 2008 und die Frage, wann mit der baulichen Fertigstellung inklusive der medizinischen Einrichtungen zu rechnen ist.

Neos fordern umfassende Untersuchung

Den Neos geht das nicht weit genug. Bei einer Pressekonferenz am Dienstag legten sie einen eigenen Antrag auf Einsetzung einer Untersuchungskommission vor. Der bisher geplante Fragenkatalog lasse befürchten, dass statt einer Untersuchungs- eine "Vertuschungskommission" eingerichtet werde, sagte Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Man müsse deshalb das gesamte "SPÖ-KAV-System" und das "Milieu, aus dem heraus das Krankenhaus Nord möglich war", durchleuchten.

Dazu wollen die Neos den Untersuchungsgegenstand erweitern. Besonders kritisieren sie die Auftragsvergabe. Dass etwa 78 Prozent aller Aufträge, weil sie unter einem Wert von 100.000 Euro lagen, direkt vergeben worden seien, stelle ein "Einfallstor für überteuerte Abrechnungen und Absprachen dar".

Die Neos vermuten eine "parteipolitische Einflussnahme auf das Gesundheitsressort und das KAV-Management". Nicht nur das Krankenhaus Nord und die damit direkt zusammenhängenden Aufträge sollen deshalb behandelt werden, sondern "alle Entscheidungsebenen der Wiener Gesundheitspolitik". Das inkludiere das zuständige Stadtratsbüro, den KAV und das Spitalskonzept 2030.

Rot-Grün müsste Antrag zurückziehen

Letzteres sehen die Neos in Gefahr. Das Konzept befasst sich mit der Weiterentwicklung der sechs Schwerpunktspitäler und des AKH, auch das Krankenhaus Nord ist Teil der Planungen. Dass sich die Bauverzögerungen auf den Masterplan des Wiener Gesundheitswesens nicht auswirken, glauben die Neos nicht. Gesundheitssprecher Stefan Gara ortet einen "Dominoeffekt". Schon jetzt stehe fest, dass einzelne Spitalsabteilungen erst später übersiedeln können als geplant.

Am 27. April soll das Thema im Gemeinderat diskutiert werden. Damit der um einige Seiten längere Fragenkatalog der Neos jenen der Stadtregierung ersetzen kann, müsste letztere ihren Antrag zurückziehen. Dass das passiert, glaubt Meinl-Reisinger "realistischerweise" nicht.

Stadtregierung: Untersuchung braucht "Fokus"

Damit liegt sie richtig. Die Kooperationsbereitschaft im roten und grünen Rathausklub hält sich in Grenzen: "Wir haben unseren Antrag ausführlich und umfassend gemacht", sagt SP-Klubobmann Christian Oxonitsch zum STANDARD. Der Neos-Antrag beinhalte zahlreiche Unterstellungen, die eine neutrale Untersuchung von vornherein verunmöglichen würden. "Da nimmt man Untersuchungsergebnisse vorweg", so Oxonitsch. Ohnehin könne man aber auch in der Kommission neue Fragen aufnehmen.

Man müsse sich strukturelle Mängel und die politische Verantwortung für Fehlentscheidungen beim Krankenhaus Nord in der Untersuchung genau ansehen, sagt der rote Klubchef. Entwicklungen, die damit in Zusammenhang stehen, sollen ebenfalls beleuchtet werden. Aber: "Wenn wir das ganze Spitalskonzept untersuchen, wird das Ganze undurchführbar." Das sei aber ohnehin nicht in Gefahr. Dass einzelne Adaptierungen vorgenommen werden, sei üblich.

Dem schließt sich der grüne Klubobmann David Ellensohn an: "Wir wollen, dass die U-Kommission zum KH Nord zügig beginnt, daher soll es keine weitere Verwässerung und Verschleppung geben", erklärt er in einer Stellungnahme gegenüber dem STANDARD. Eine Untersuchungskommission brauche einen konkreten Fokus.

Kostenexplosion beim KH Nord

Das noch im Bau befindliche Spital gerät regelmäßig in die Kritik. Zuletzt wurde bekannt, dass ein Energetiker damit beauftragt wurde, um 95.000 Euro einen "Schutzring" um das Krankenhaus zu ziehen. Ein anderes Beispiel aus den letzten Wochen: Ein vom Krankenanstaltenverbund selbst beauftragtes Gutachten listet Fehler des Architektenteams in Höhe von 30,6 Millionen Euro auf. Dem Architekten Albert Wimmer, der zuvor keine Expertise im Spitalsbau vorweisen konnte, wird politische Nähe zum Auftraggeber unterstellt.

Fix ist seit langem, dass das Spital einige Millionen mehr kosten wird als geplant. Zurzeit geht man von einem Kostenrahmen zwischen 1,3 und 1,4 Milliarden Euro aus – ursprünglich budgetiert waren 825 Millionen. Bereits 2016 hätte das Spital in Betrieb gehen sollen. Nun geht man davon aus, dass im Juni 2019 der erste Patient behandelt werden kann, der Vollbetrieb soll dann im September starten. (Vanessa Gaigg, 18.4.2018)