Der 30. April und somit der Vorabend des Maifeiertages ist häufig ein Grund zum Feiern: Der "Tanz in den Mai" ist eine kommerzielle Veranstaltung geworden, die vielerorts zelebriert wird. Diese Festivität steht in einer direkten Verbindung mit der religiösen Feier der Walpurgisnacht: vielfach beschrieben allen voran im Walpurgisnachtstraum in Goethes "Faust" oder bei H.P. Lovecraft, aber auch im Bilderzyklus von Ernst Barlach wird dieser Festtag behandelt. Der Name Walpurgisnacht geht vermutlich auf die, zumeist von Nonnen verehrte, Heilige Walburga zurück, die vermutlich am 1. Mai 870 heiliggesprochen wurde.

Hexensabbat

Die Vorstellungen der zelebrierten Festivitäten gehen jedoch nicht mit Heiligenverehrung einher, sondern beruhen auf einem Hexenglauben, konkret auf der Vorstellung des Hexensabbats.

"Der Hexensabbat ist […] eine orgiastische Feier, an der Männern, Frauen und Dämonen teilnehmen. Sie tanzen in einem Rundtanz um den als Ziegenbock dargestellten Teufel. Dämonische Pfeifer und Hornbläser laden zum Tanz. Fliegende Hexen eilen herbei und zahlreiche Tabuverletzungen verhindern, dass die Fantasie zu stark durch die erotische Konnotation besetzt wird."¹

Diese sehr prototypische Darstellung eines Hexensabbats fasst jedoch alle grundlegenden Elemente zusammen. In der Vorstellungswelt Außenstehender fanden derartige Zusammenkünfte meist auf Bergen statt: besonders bekannte Orte sind hier unter anderem der Blocksberg – ein anderer Name für den Brocken – im Harz in Deutschland, aber auch der Meeresfelsen Blåkulla – was ebenfalls Blocksberg bedeutet – in Schweden. Der recht ungewöhnliche Name Hexensabbat erinnert meist direkt an das Judentum und den Ruhetag Sabbat/Schabbat. Dies lässt sich durch den Umstand erklären, dass Menschen jüdischen Glaubens, auch schon zur Hochzeit des Hexenglaubens in der Frühen Neuzeit, starken Diskriminierungen ausgesetzt wurden. Diese Verknüpfung spricht für eine Fusionierung ähnlicher Vorurteile und Vorwürfe gegen Menschen, die ihren Glauben anders auslebten, als es innerhalb der orthodoxen Kirche vorgesehen war.

Hexensabbat am Blocksberg. Johannes Praetorius, "Bloks Bergs Verrichtung" (1668).
Foto: Public Domain

Hexenverfolgung

Die Hexenverfolgung findet ihre Anfänge in den Verfolgungen von "Ketzern"² im Mittelalter. Da es im Mittelalter zu einem überregionalen Auftreten von religiösen Bewegungen kam, die unter anderem der orthodoxen Kirchen konträr gegenüberstanden, erzwangen diese eine Reaktion, die sich in Form der Inquisition niederschlug. Trotz der negativen Entwicklung der Inquisition und der Opfer, für die sie verantwortlich ist, muss sie im Vergleich zu den zuvor geltenden Praktiken – wie zum Beispiel Gottesurteil durch Wasserprobe – als juristischer Fortschritt angesehen werden und war mit der kontrollierten Tatsachen-Erhebung bald auch ein Vorbild für das öffentliche Rechtssystem.³

In der Inquisition manifestierte sich so das Instrument, welches einen Universalitätsanspruch auf Glaubenspraktiken von Seiten der Kirche legitimeren konnte. Gegner der Kirche konnten so aus der Gemeinde ausgeschlossen, Bußleistungen aufgetragen oder im schlimmsten Fall getötet werden. Die Folter gehörte zudem seit 1252 durch die Bulle "Ad extirpanda" von Papst Innozenz IV. zu den inquisitorischen Verfahren. Die Hexenverfolgung schloss sich erst in der Frühen Neuzeit an und forderte circa 50.000 bis 60.000 Opfer. Obwohl im deutschsprachigen Mitteleuropa nur etwa 20 Prozent der damaligen Weltbevölkerung lebten, wurde circa die Hälfte aller europäischen Hexenprozesse mit etwa 20.000 Opfern in diesem Raum abgehalten. Der Umstand, dass etwa 75 bis 80 Prozent der Getöteten weiblich waren, folgt aus dem geschlechtsbezogenen Hexenglauben.⁴

Albrecht Dürers Hexenvorstellung auf seinem Kupferstich "Vier nackte Frauen (Vier Hexen)" von 1497.
Foto: Public Domain

Malleus Maleficarum

Das Thema Hexen(glaube) ist unumstößlich mit dem juristisch-theologischen Werk des Hexenhammers (lateinisch Malleus Maleficarum) verbunden. Dieser liefert mittels intellektuellem Kalkül, weniger durch emotionale Hetzrede, Argumentationsmuster, sowie Legitimationsstrukturen zur Hexenverfolgung. Verfasst wurde er von dem Inquisitor Heinrich Kramer, sowie möglicherweise auch von Jakob Sprenger, ebenfalls Inquisitor. Sprengers Partizipation am Hexenhammer wird jedoch mittlerweile in der Geschichtsforschung stark in Frage gestellt.

Das Werk widmet sich in 57 Fragen und in drei Teilen der Natur der Hexe und stellt dabei unter anderem den Teufelspakt, den meist auf Sexualität ausgerichteten Schadenszauber (maleficum), sowie den juristisch korrekten Umgang mit Hexen innerhalb eines Prozesses heraus. Der Hexenhammer ist zudem ein Paradebeispiel für Frauenfeindlichkeit, da er ebenfalls feststellt, dass Frauen durch den Teufel und Dämonen leichter verführbar und zudem in ihrem Glauben nicht so stark verankert seien.

Vorwürfe gegen Hexen

Das historische Bild der Hexe weicht stark von den neuzeitlichen, medial verbreiteten Darstellungen von rothaarigen, zauberkundigen Frauen ab. Vielmehr fließen hier stereotype Diskriminierungen zusammen: Ketzern wurde im Mittelalter beispielsweise eine Verehrung des Teufels zugeschrieben, sowie sexuelle Ausschweifung, Schadenszauber und der Missbrauch von Messwein und Hostien. Hier greift plakativ das sogenannte Umkehrprinzip, in dessen Logik Ketzer Messen in umgekehrter Form vom orthodoxen Ideal praktizierten: statt Gott, wurde der Teufel verehrt, die Hostie wurde während des Abendmahls nicht geehrt, sondern zertreten, es ministrierten Frauen anstatt Männern und die Messe wurde rückwärts vorgetragen.

Diese Vorwürfe entwickelten sich im Laufe der Verfolgungsgeschichte zu einem stereotypen Verdacht gegen Bevölkerungsschichten, die als anders galten: Fremde, Andersgläubige, Kranke, körperlich und geistig Beeinträchtige und Frauen. Hexen wurde ein abweichendes Sozial- und Sexualverhalten vorgeworfen, das sich unter anderem an einer Affinität zur Nacht, dem Kontakt zu Geistern und Dämonen, an Untaten wie Kindsmord und Kannibalismus, aber auch magischen Handlungen, wie dem Hexenflug und der Zukunftsvorhersage zeigte. 

Rote Haare sind heute ein Charakteristikum von Hexen. "Hexensabbat" von Luis Ricardo Falero (1880).
Foto: Public Domain

Als standardisierte Kennzeichen – maßgeblich auch durch den Hexenhammer bedingt – sind der Pakt mit dem Teufel, der durch eine Blutsunterschrift und/oder dem Geschlechtsverkehr besiegelt wurde, die Teilnahme am Hexensabbat, der Hexenflug und die Möglichkeit, Schadenszauber zu wirken, anzuführen. Das gemeinsame Wesen unterschiedlicher Hexentypen – wie Wahrsagerinnen, Wetterhexen und Giftmischerinnen – lag in ihrer Bosheit begründet, die ihnen unterstellt wurde.

Hexen und Sexualität

Somit war ein weiteres Feld – die Sexualität – zu den bestehenden Anschuldigungen hinzugekommen. Das Hexenbild prägte sich durch typisch weibliche Berufe, wie die der Köchin, Heilerin oder Hebamme.  War die Sexualität im Allgemeinen Sache der Frau und der Mann aus dem Geschehen vor, während und nach der Geburt ausgeschlossen, so lag der Verdacht, beim Eintreten des Kindstodes oder bei Behinderungen auf der Hebamme. Durch die regelrechte Entzogenheit der Sexualität aus der männlichen Welt wurde das Hexenwesen verstärkt mit dem Thema Reproduktion in Verbindung gebracht: So konnte der Schadenszauber beispielsweise eine Totgeburt, Impotenz oder Unfruchtbarkeit verursachen. 

Die äußerliche Erscheinung einer Hexe war in der frühneuzeitlichen Vorstellungswelt eher variabel gehalten, um das Stereotyp auf möglichst jede Frau anwenden zu können. Dennoch ist anzumerken, dass gerade älteren Frauen häufig Hexerei vorgeworfen wurde. Die australische Historikern Lyndal Roper hat die Vorstellung von Mutterschaft und Hexerei miteinander in Beziehung gesetzt und dabei herausgefunden, dass die Vorstellung von Vertrocknung, die unter anderem mit der Menopause verbunden ist, gleich dem Vampirismusmotiv, mit der Vorstellung der Lebenssäfte einhergeht, die sich die Hexe, beispielsweise durch das Töten und Aussaugen von Kindern, beschaffen kann.⁵ In der historischen Betrachtung lässt sich dieser Aspekt zudem derart ergänzen, dass ältere Frauen mitunter Kinder hüteten.

Ältere Frauen, wie hier auf einer Zeichnung Francisco Goyas, wurden oft der Hexerei beschuldigt.
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In einer sozialgeschichtlichen Betrachtung fällt sodann ins Auge, dass Frauen in der Frühen Neuzeit explizite Rollen zugewiesen wurden, die sie vom öffentlichen Leben ausschlossen. Frauen wurden zudem als minderwertig wahrgenommen: juristisch, da sie unter Vormundschaft ihrer Männer standen und auch theologisch, da sie in der Tradition Evas als leichter zu verführen und naiv galten. Die Rolle der Frau erstreckete sich so auf den häuslichen Bereich und tangierte hier die Felder der Sexualität und das Zubereiten von Speisen. Köchinnen sowie Brauerinnen wurden häufig der Giftmischerei verdächtigt. Sichtbar wird der Aspekt des Kochens in dem ikonologischen Symbol des Kessels, der bis heute ein zentrales Charakteristikum der Hexe ist. Der Ausdruck "Da braut sich was zusammen" wird zudem für den Bereich des Wetters genutzt und rekurriert auf die Vorstellung, dass Wetterhexen mit ihrem Kessel Wolken, Gewitter und Regen erzeugen konnten und so Missernten verursachten.

Foto: Public Domain

Auf dem Gemälde "Hexen" von Hans Baldung sind viele Hexen-Zuschreibungen ersichtlich: Der Kessel, die Nacktheit als Zeichen offener Sexualität, der Ziegenbock als Teufelstier und der Flug der Hexen. 

Die Bedeutung von Natur

Die Verbundenheit von Frauen zur Natur ist etwas, was sich schon in antiken Hexenvorstellungen findet. In der römischen Antike war beispielsweise die Vorstellung präsent, dass sich zauberkundige Frauen in Eulen verwandeln konnten.⁶ Hexen lebten seit diesen antiken Vorstellungswelten nicht mehr in der Stadt, sondern zumeist im Wald oder an dessen Grenze. Die Wildnis ist hier ein zentraler Bestandteil des Hexenbildes. Sie fungiert als Chiffre des Bösen, des Chaos und des Ungezähmten, was sich dann in Form der Hexe mit der Weiblichkeit verband.

Zentral ist diese Beziehung zur Wildnis auch für die Vorstellungen von Formwandlungen oder tierischen Begleitern – wie schwarzen Katzen oder Kröten – die sich so zum Beispiel bis heute in Märchen finden. Zahlreiche historische Hexenvorstellungen können so überdauern und sind unter anderem in Filmen, Serien und Literatur medial aufgearbeitet: stereotype Zuschreibungen – wie rothaarige Hexen, die in der Geschichte eigentlich nicht überliefert sind – bestehen in der heutigen Zeit und werden so Teil des kulturellen Gedächtnisses. (Kristina Göthling, 30.4.2018)

Fußnoten

¹ Marco Fenschkowski, Die Hexen. Eine kulturgeschichtliche Analyse, Wiesbaden 2012, S.100.

² Der Begriff Ketzerei vermischte sich im Laufe der Geschichte mit dem Wort "Häresie" und wird zumeist synonym verwendet. Bedeutet "Häresie" in der Anwendung im allgemeinen Irrlehre, als Gegenpart zur Orthodoxie, so ist "Ketzerei" etwas präziser, zumindest, wenn man die Wortherkunft entsprechend hinterfragt. Die Bezeichnung "Ketzer" taucht erst im 13. Jahrhundert im deutschen Sprachraum auf und ist wohl eine Ableitung des Namens "Katharer", eine der größten religiösen Bewegungen im Mittelalter, die auch als Erzketzer angesehen werden. Der Begriff wurde entsprechend abstrahiert und so zu einem Sammelbegriff für Anhänger der angeblichen Irrlehre, ganz gleich ob sie in Verbindung zum katharischen Gedankengut standen oder nicht.

³ Vgl. Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert, Münster 2007, S. 253, 264.

⁴ Vgl. Wolfgang Behringer, Hexen. Glauben. Verfolgung. Vermarktung, München 2008, S.67, 75.

⁵ Vgl. Lyndal Roper, Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung, München 2007, S.225-227.

⁶ Vgl. Fenschkowski, Die Hexen (wie Anm. 1), S.44f.

Literaturhinweise

  • Angenendt, Arnold, Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert, Münster 2007.
  • Auffarth, Christoph "Das Ende des Pluralismus. Ketzer erfinden um sie zu vernichten", in: Ders. (Hrsg.): Religiöser Pluralismus im Mittelalter? Besichtigung einer Epoche der Europäischen Religionsgeschichte, Münster 2007, S. 103-142.
  • Auffarth, Christoph, Die Ketzer. Katharer, Waldenser und andere religiöse Bewegungen, München 2005.
  • Auffarth, Christoph "Mittelalterliche Modelle der Eingrenzung und Ausgrenzung religiöser Verschiedenheit" in: Hans G. Kippenberg (u.a. Hrsg.): Europäische Religionsgeschichte. Ein mehrfacher Pluralismus, Bd. 1, Göttingen 2009, S. 193-218.
  • Behringer, Wolfgang, Hexen. Glaube. Verfolgung. Vermarktung, München 2008.
  • Dieterich, Susanne, Weise Frau. Hebamme, Hexe und Doktorin. Zur Kulturgeschichte der weiblichen Heilkunst, Leinfelden-Echterdingen 2001.
  • Dinzelbacher, Peter, Heilige oder Hexen? Schicksale auffälliger Frauen in Mittelalter und Frühneuzeit, Hamburg 1997.
  • Girard, René Ausstoßung und Verfolgung. Eine historische Theorie des Sündenbocks, Frankfurt am Main, 1992.
  • Matthews Grieco, Sara F., "Körper, äußere Erscheinung und Sexualität", in: Georges Duby und Michelle Perrot (Hrsg.): Geschichte der Frauen. Frühe Neuzeit, Frankfurt am Main 1994, S. 61-102.
  • Oberste, Jörg, Ketzerei und Inquisition im Mittelalter, Darmstadt 2012.
  • Quensel, Stephan, Hexen, Satan, Inquisition. Die Erfindung des Hexen-Problems, Wiesbaden 2017.
  • Roper, Lyndal, Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung, München 2007.
  • Roper, Lyndal, Ödipus und der Teufel. Körper und Psyche in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1995.

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