Der Politologe Ivan Krastev hat in einem STANDARD-Interview vor kurzem prophezeit, dass der Wahlerfolg von Viktor Orbán in Ungarn dazu führen wird, dass rechte Parteien in ganz Europa versuchen werden, Orbán nachzuahmen. Ganz nach dem Motto: Was in Ungarn so gut funktioniert hat, kann ja auch bei uns klappen. Johann Gudenus, der Klubobmann der FPÖ, erbrachte am Wochenende den Beweis dafür, dass an der These etwas dran ist.

Gudenus sprach in einem Interview mit der "Presse" über die angeblich fragwürdige Rolle des Investors und Multimilliardärs George Soros in der europäischen Politik. Gudenus sah konkret "stichhaltige Gerüchte" dafür, dass Soros, der aus einer jüdischen Familie stammt, daran beteiligt war, gezielt Migrationsströme nach Europa zu locken.

Soros, der Drahtzieher hinter der Flüchtlingskrise in Europa: Genau mit diesen Behauptungen hat schon die Regierung Orbán an die niederen Instinkte der ungarischen Wähler appelliert und versucht, den in Teilen der ungarischen Gesellschaft nach wie vor tiefverwurzelten Antisemitismus politisch für sich zu nutzen. Für Orbán ein Erfolg.

Versuchsballon

Gudenus vollzieht nun einen Tabubruch in Österreich, indem er genau diese Argumentationsmuster übernimmt. Es ist ein Versuchsballon: Wie weit kann ich mit den Anspielungen auf Soros gehen, welchen Sturm der Entrüstung löse ich aus? Es ist zu hoffen, dass Gudenus in der Gesellschaft wie im Parlament klar gezeigt wird, dass er die Grenze überschritten hat.

Kritik an Soros, einem milliardenschweren Investor und Philanthropen, ist an sich völlig legitim und per se nichts Verpöntes. George Soros' Hedgefonds Quantum Endowment zählt zu den größten an der Wall Street. Seine zahlreichen Beteiligungen an Unternehmen geben Soros ohne Zweifel wirtschaftlichen Einfluss. Und Soros' Geschäftspraktiken waren in der Tat in der Vergangenheit immer wieder wenig zimperlich.

Er hat Anfang der 1990er-Jahre gegen das britische Pfund spekuliert und die britische Notenbank dazu gebracht, das Pfund abzuwerten. Soros hat auch in Ungarn selbst für negative Schlagzeilen gesorgt: 2008 wurde der Soros-Hedgefonds zu einer hohen Strafzahlung verurteilt. Der Fonds hatte den Markt mit Aktien der ungarischen Bank OTP überflutet und so die Aktienpreise gedrückt.

Der Soros-Fonds hatte zuvor auf fallende OTP-Kurse gewettet und wollte seinem Glück nachhelfen. Inmitten der Eurokrise tauchte im "Wall Street Journal" eine Geschichte auf, wonach mehrere Hedgefonds, darunter jener von Soros, versucht haben sollen, sich zu koordinieren, um mit gezielten Währungsspekulationen den Wert des Euro zu drücken. Daraus wurde schließlich nichts.

An fundierter Kritik kein Interesse

Über all das kann und soll man diskutieren, auch kritisch. Natürlich ist das nicht antisemitisch. Aber das ist nicht, was Politiker wie Gudenus oder Orbán tun oder tun wollen. Sie sprechen nicht konkrete Geschehnisse oder Entscheidungen an, es geht ihnen nicht um falsche oder richtige Geschäftspraktiken.

Sie stellen plumpe und allgemeine Verdächtigungen in den Raum. Je unkonkreter, desto besser. Intendiert ist nämlich nur der Einsatz antisemitischer Codes. Die Anspielungen auf den großen jüdischen Drahtzieher im Hintergrund, der irgendwas mit Migration zu tun hat, reicht aus. Das Zielpublikum versteht, was gemeint ist.

Wenn, so wie im Falle von Gudenus, zu Recht Empörung losbricht, versucht er sich damit zu verteidigen, dass selbst andernorts Soros kritisiert wird. Aber es kommt eben immer auf den Kontext, die Art und Weise an. Und der Verweis auf einen schlechten Artikel aus der "Jerusalem Post", in dem ähnlich krude Thesen vertreten werden, macht nichts besser: Juden können genauso einen Quatsch wie Nichtjuden verbreiten.

Attacke gegen liberale Gesellschaft

Das Problem sind nicht nur die antisemitischen Codes. Hinter den Worten des FPÖ-Klubchefs blitzt eine ähnlich undemokratische Haltung hervor wie bei Orbán. Die ungarische Regierung kämpft gegen NGOs, Vereine, politische Gruppierungen und Medien, die nicht von ihr gesteuert werden. Was Orbán damit anstrebt, ist, den demokratischen Diskurs selbst zu kontrollieren.

Die Soros Foundation ist daher als einer der großen Geldgeber für zivile Einrichtungen ein öffentlichkeitswirksames Ziel. Andere Finanziers sollen wissen, dass sie jederzeit Ziel politischer Kampagnen der ungarischen Regierung werden können, wenn sie unliebsame Organisationen fördern. Die demokratischen und liberalen Kräfte sind gefragt, um zu verhindern, dass diese Strategie auch in Österreich Fuß fassen kann. (András Szigetvari, 22.4.2018)