1. Kanzlers ORF Rat

Viel Zeit bleibt Sebastian Kurz nicht mehr: In zehn Tagen soll der neue Publikumsrat des ORF erstmals tagen. Dafür braucht es 17 Vertreter gesellschaftlicher Gruppen von Jugend bis Touristik, von Volksgruppen bis Kraftfahrer, die laut ORF-Gesetz der Kanzler aussucht*. Er bestimmt damit die Mehrheit in diesem Gremium – dessen effektivste Aufgabe es ist, mit dieser Mehrheit sechs Mitglieder in den Stiftungsrat zu entsenden. Mit diesen sechs Stiftungsräten – voraussichtlich je drei der ÖVP und der FPÖ zuzuordnen – kommt Türkis-Blau dann in Richtung einer Zweidrittelmehrheit im wichtigsten ORF-Gremium.

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (li.) will Norbert Steger als Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats, hier mit Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER


2. Family and Friends

Unter diesen neuen ORF-Publikumsräten könnte sich Christoph Erler finden, ehemals Rechtsanwaltskanzleikollege von Norbert Steger und Schwiegersohn des freiheitlichen ORF-Stiftungsrats. Einen Jugendfreund aus Sängerknabentagen, Gerhard Anderl, hat Steger schon in den Stiftungsrat geholt. Freundeskreis, wie Fraktionen im ORF-Stiftungsrat verschämt genannt werden, passt bei den freiheitlichen Räten also immer besser.

In "Österreich" sprach sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für Steger als Vorsitzenden des Stiftungsrats aus und stellte sich hinter Stegers Kritik an der Ungarn-Berichterstattung des ORF. Steger wollte aber auch gleich ein Drittel der Auslandskorrespondenten streichen, sprach vom "linken Endkampf" in der ORF-Information.

Straches Unterstützung könnte auch einen simplen Grund haben: Die türkis-blaue Vereinbarung über den Stiftungsratsvorsitz soll Steger ad personam vorsehen – also entweder der 74-jährige Exvizekanzler mit Hang zu forschen Formulierungen übernimmt die Schlüsselfunktion im Stiftungsrat oder eben kein Freiheitlicher.

Unter ÖVP-nahen Stiftungsräten regt sich – die Wochenschau berichtete – Widerstand gegen Steger. In "Profil" sprechen sich die Bürgerlichen Matthias Limbeck (Salzburg) und Josef Resch (Tirol) gegen Steger aus; der vom roten Landeshauptmann Kärntens entsandte Siggi Neuschitzer tat das schon vorige Woche nach Stegers Aussagen über zu streichende Korrespondenten und zu entlassende ORF-Journalisten.


3. Jobs, Jobs, Jobs im ORF

Viel Zeit bleibt auch ORF-Chef Alexander Wrabetz nicht mehr: Mit 1. Mai, also in kaum mehr als einer Woche, tritt die neue Führungsstruktur des ORF-Fernsehens in Kraft. ORF 1 und ORF 2 leiten künftig jeweils eigene Channel Manager mit Channel Chefredakteuren. Die Namen haben Sie hier und anderswo schon vielfach gelesen (Lisa Totzauer und Wolfgang Geier für ORF 1, Alexander Hofer und Matthias Schrom für ORF 2). Nun sollten sie schön langsam auch bestellt werden.

Zudem schon ausgeschriebene, anstehende Besetzungen:

Und wenn dann – wohl 2019 – das neue ORF-Gesetz mit einem Vorstand statt des Alleingeschäftsführers in Kraft tritt, dann könnte ein ehemaliger Kollege Lackners in diesem Vorstand Finanzen und womöglich auch gleich die ORF-Technik übernehmen: Arnold Schiefer, derzeit noch Vorstand der Hypo-Abbaueinheit Heta Asset Resolution und Aufsichtsratschef der ÖBB. Im Infrastrukturministerium des damaligen Vizekanzlers und geschäftsführenden BZÖ-Obmanns Hubert Gorbach war Lackner bis 2005 Pressesprecherin des Ministers und Schiefer Sektionschef für Infrastruktur.

Heta-Vorstand und ÖBB-Aufsichtsratschef Arnold Schiefer, den Freiheitlichen zugeordet, wird als künftiger ORF-Finanzvorstand gehandelt, womöglich samt ORF-Technik.
Foto: Heta


4. Ermittlungen eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Wien hat vor wenigen Wochen ihre Ermittlungen gegen eine ehemalige ORF-Führungskraft eingestellt, bestätigt eine Sprecherin der Anklagebehörde auf Anfrage. Worum ging es? Die Staatsanwaltschaft Wien untersuchte Aufträge des ORF und des St. Anna Kinderspitals an Werber Günter O. Lebisch, den langjährigen Freund von Monika Lindner. Lindner war Sendungsverantwortliche, Landesdirektorin und schließlich 2002 bis 2006 Generaldirektorin im ORF sowie Vorstand des St. Anna Kinderspitals. Angezeigt hat sie die FPÖ, sagte Lindner 2013 dem "Kurier", und: "Warten wir einmal ab, ob es überhaupt zur Anklage kommt." Das ist nun nicht der Fall.


5. Bundesliga gegen "Zeit im Bild"

Vom Fall zum Ball: Was wurde eigentlich aus den TV-Rechten an der Fußballbundesliga, abseits der exklusiven Liverechte für Sky? Die Erkenntnis, dass ich zu selten "Vorarlberger Nachrichten" lese, zum Beispiel. Dort hat ORF-Sportchef Hans Peter Trost zuletzt erklärt, wie der ORF nach dem Verlust der Liverechte mit der Liga verfährt.

Bundesliga-Beinarbeit: Thomas Murg (rechts im Bild, klar) schoß Rapid am Sonntag mit links zum 1:0. Das einschreitende Admira-Bein konnte ich leider nicht zuordnen.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

"Vor dem Abschluss" stehen laut Trost (wie schon länger erwartet) die Rechte über eine Highlightshow der Bundesliga-Begegnungen. Die "Hardcore-Fußballsendung" (Trost) soll Samstag und Sonntag jeweils um 19.30 Uhr laufen, also gegen die "Zeit im Bild" in ORF 2. Immerhin, auch wenn ich's sehr verzögert mitbekam: Auch gestern, Sonntag, war das laut Trost noch "sehr wahrscheinlich".

Für die nur noch vier Spiele im Free-TV soll nach STANDARD-Infos weiterhin (wie schon im Jänner berichtet) A1 die besten Chancen haben – auch wenn sich etwa Rapid-Präsident Michael Krammer zuletzt sehr nachdrücklich gegen diese Variante aussprach.


6. Schlechtester ORF-Monat aller Zeiten

Der April hat natürlich noch ein paar Tage, wer weiß, was da noch Quotenträchtiges passieren mag. Der ORF hat also durchaus noch (geringe) Chancen, seine schlechtesten Monatswerte aller Zeiten zu überbieten. Derzeit allerdings sieht es nicht danach aus.

28,3 Prozent Marktanteil hatten die beiden ORF-Hauptsender ORF 1 und ORF 2 im April bis zum Wochenende. Das wäre sein schlechtester Monatsmarktanteil aller Zeiten beim Gesamtpublikum ab zwölf Jahren.

Wenn Sie wissen wollen, womit ich meinen Sonntag herumgebracht habe: OTS-Aussendungen des ORF und APA-Meldungen über den Monatsmarktanteil des ORF seit 2010 durchgesehen. Ich wollte doch noch alle verfügbaren Daten geprüft haben, bevor ich dem ORF einen absehbaren Tiefstwert zuschreibe.

Es kann aber sein, dass sich die so verfügbaren Daten um Zehntelprozentpunkte von den letztgültigen unterscheiden. Die Marktanteile werden jeweils zu Monatsbeginn veröffentlicht, da sind die letzten sieben Tage des jeweiligen Monats nur vorläufig gewichtet, sie enthalten also nicht die zeitversetzte Nutzung in diesen letzten Tagen des Monats.

Bei der Gelegenheit kann ich gleich die zehn bisher miesesten Monate der ORF-Quoten präsentieren (ORF 1 und ORF 2, nationaler Marktanteil ab zwölf Jahren) – damit Sie (und ich) den nächsten Tiefstwert einfacher identifizieren können:

Wenn Sie einen Tipp haben, wie ich Datawrapper abgewöhne, die Monate ohne Platznot abzukürzen: Herzlichen Dank, im Forum ist Platz für sachdienliche Hinweise!

Naturgemäß zeichnet sich auch der schlechteste April-Marktanteil des ORF aller Zeiten ab – die April-Quoten entwickelten sich seit 2000 so:


7. Trost

Man kann den Quotenmonat April 2018 natürlich auch so sehen: ORF 2 hat im April, Stand Wochenende, 19,4 Prozent Marktanteil beim Publikum ab zwölf Jahren. ORF 1 knapp neun Prozent.

ATV hatte im April bis zum Wochenende fast 3,1 Prozent, Puls 4 knappe vier, RTL 4,5, ProSieben 4,3 und Servus TV 2,4. Sky kommt auf fast 1,4 Prozent Marktanteil. Und Ö24.tv, das dem ORF gerade Sublizenzrechte für die Fußball-WM in Sotschi abverhandelt hat, kommt laut Teletest auf einen TV-Marktanteil von 0,16 Prozent – gerundet also 0,2.

In der Werbezielgruppe der Zwölf- bis 49jährigen hat ORF 1 im April bis zum Wochenende 12,9 Prozent Marktanteil, ORF 2 9,2 Prozent (gemeinsam kommen sie auf 22). ProSieben schafft hier gerundet 8,9 Prozent, RTL knapp sechs, Sat1 5,3. Puls 4 hält bei 5,1 Prozent, das 2017 von ProSiebenSat1Puls4 übernommene ATV bei 4,1 Prozent.


8. Kommen Sie gut in die neue Woche –
und auch gleich in die nächste!

(Harald Fidler, 23.4.2018)