Die Linux-Welt zeichnet sich nicht zuletzt durch rasche Entwicklungszyklen aus. Viele Distributionen sind entsprechend auf einen sechsmonatigen Rhythmus für größere Versionssprünge ausgerichtet. Das ist nicht nur schnell – für viele Nutzer auch schlicht zu schnell. Wenn jedes halbe Jahr ein Upgrade auf eine neue Softwaregeneration ansteht, ist das gerade für technisch weniger versierte Nutzer eher eine Mühsal als eine Freude. Doch auch für die Distributionen selbst birgt dies einige Probleme, ist es doch nur schwer möglich, die unweigerlich entstehende Fülle an Versionen langfristig mit Updates zu versorgen, ohne schnell vom Support-Aufwand erdrückt zu werden.

Long Term Support

Bei Ubuntu hat man für dieses Problem schon vor einiger Zeit eine eigene Lösung gefunden: Während die normalen Versionen immer nur kurzfristig Updates erhalten, wird alle zwei Jahre eine neue "Long Term Support"-Release veröffentlicht, die dann fünf Jahre lang unterstützt wird. Insofern kommt diesen LTS-Versionen immer eine besondere Bedeutung zu, da sich viele Nutzer auf diesem zweijährigen Update-Pfad befinden und andere Releases gar nicht mitbekommen.

Ubuntu 18.04

Nun ist es wieder einmal soweit: Mit Ubuntu 18.04 "Bionic Beaver" gibt es wieder eine neue LTS-Ausgabe der Linux-Distribution. Und im Vergleich zum direkten Vorgänger, Ubuntu 16.04, hat sich dieses Mal eine ganze Menge getan, was manche Nutzer erfreuen dürfte – andere hingegen weniger. Doch dazu später noch mehr.

Der Desktop von Ubuntu 18.04.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

GNOME statt Unity

Die wichtigste Neuerung spielt sich direkt am Desktop ab: Statt Unity kommt nun hier GNOME als Desktop zum Einsatz. Grund dafür ist, dass sich Softwarehersteller Canonical weitgehend von den eigenen Entwicklungen im Desktopbereich verabschiedet hat, und seine Ressourcen zunehmend auf andere Bereiche fokussiert. Also greift man jetzt zu GNOME, und damit jenen Desktop, der auch bei vielen anderen Linux-Distributionen zum Einsatz kommt. Genaugenommen handelt es sich dabei übrigens um ein Comeback, schon bei den ersten Ubuntu-Versionen wurde GNOME als Desktop verwendet.

Ubuntu 18.04 (links) und 16.04 ähneln sich auf den ersten Blick stark, im Detail gibt es aber zahlreiche Unterschiede. Das globale Menü ist in der neuen Version verschwunden, auch das Dock funktioniert leicht anders.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Für gelernte Ubuntu-Nutzer heißt dies jedenfalls, dass sie sich auf einige Veränderungen einstellen müssen. Zwar hat Canonical den GNOME so angepasst, dass er auf den ersten Blick Unity stark ähnelt, im Detail zeigen sich dann aber doch viele Unterschiede. Das reicht von der grundlegenden Anordnung des Desktops, etwa dass der Zugriff auf die App-Liste nun links unten zu finden ist über die Positionierung von Uhr und Kalender bis zur einer anderen Aufteilung der zu einem Programm gehörigen Menüeinträge. Die gute Nachricht: Ubuntu 18.04 informiert beim ersten Start über einige dieser Neuerungen und verweist in einer Grafik darauf, wo was zu finden ist.

Ubuntu 18.04 informiert beim ersten Login über den neuen Aufbau des Desktops. Für bestehende Nutzer ist das sehr hilfreich, vollständig ist diese Grafik aber nicht.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Umlernen

Trotzdem heißt dies aber, dass die Nutzer nach dem Upgrade auf die neue Softwaregeneration teilweise Umlernen müssen. Besonders unerfreulich ist dies dort, wo es keinen direkten Ersatz gibt: So ist etwa im File Manager die Möglichkeit, über das mittels Rechtsklick erreichbare Kontextmenü eine leere Datei anzulegen, verschwunden. Auch einen "Show Desktop"-Knopf, gibt es nicht mehr. Zumindest in dieser Hinsicht gibt es allerdings Abhilfe – und zwar in Form eines der mächtigsten GNOME-Features: Kann die Funktionalität des Desktops doch über Erweiterungen ausgebaut werden, womit so manches verloren gegangene Feature wieder nachgereicht werden kann. Übrigens sind auch all die Ubuntu-spezifischen Anpassungen für GNOME auf diese Weise implementiert worden.

Die Übersicht der verfügbaren Anwendungen in Ubuntu 18.04 und 16.04 im direkten Vergleich.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Externe Tools helfen

Bei anderen Dingen hilft oft der Griff zu externen Programmen. Wer sich etwa so gar nicht damit anfreunden kann, dass der Schließknopf bei Fenstern nun rechts statt links zu finden ist, kann dies über GNOME Tweaks wieder rückgängig machen. Überhaupt ist dies ein Tool, das viele Feineinstellungen ermöglicht, die in den System Settings sonst vermisst werden.

Gleichzeitig hat GNOME aber natürlich auch durchaus seine eigenen Vorzüge, die man frisch entdecken kann: So gibt es hier etwa dynamische Workspaces, die je nach Bedarf zur Organisierung des Desktop-Alltags genutzt werden können. Bei Unity wurde stattdessen ein statisches System verwendet – das zudem von Haus aus gar nicht aktiviert war. Auch werden – auf Wunsch – jetzt Benachrichtigungen am Sperrbildschirm angezeigt, worüber etwa auch ein Musikplayer gesteuert werden kann.

Das Workspace-Management unterscheidet sich bei Ubuntu 18.04 (links) und 16.04 fundamental. Setzt die alte Version hier auf eine fixe Anzahl von Arbeitsplätzen fügt die neue diese je nach Bedarf einfach dynamisch hinzu.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

GNOME pur

Nutzer, die von anderen Linux-Distributionen wechseln, könnten hingegen einen ganz anderen Wunsch haben: Nämlich all die Ubuntu-Anpassungen für den GNOME-Desktop wieder los zu werden. Wer dies wünscht, muss einfach nur das Paket gnome-session installieren, beim nächsten Login steht dann eine "pure" GNOME-Sitzung zur Wahl. Neben diversen optischen Unterschieden (Theme, Schriftsatz...) heißt dies vor allem, dass das fix auf der linken Seite positionierte Dock verschwindet – über den App Launcher sind die dort platzierten Favoriten aber auch weiter rasch erreichbar.

In den zwei Jahren seit der letzten LTS-Version haben sich natürlich auch jede Menge Softwareaktualisierungen angesammelt. Am Desktop heißt dies etwa, dass nun GNOME 3.28 zum Einsatz kommt, woraus zahlreiche Neuerungen resultieren – immerhin hat Ubuntu ja auch schon bisher zahlreiche GNOME-Komponenten genutzt. Dies reicht von einem Nachtmodus über eine komplette Neugestaltung der Systemeinstellungen bis zur systemweiten Unterstützung von Farbemojis.

Wer die Ubuntu-Anpassungen an GNOME nicht mag, kann auch einen "puren" GNOME verwenden. Bei diesem gibt es etwa kein fixes Dock an der linken Bildschirmseite, auch Schrift und Theme unterscheiden sich.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Softwarebasis

Als Basis nutzt die aktuelle Ubuntu-Version den Linux-Kernel in Version 4.15. Aktuell ist zwar bereits Linux 4.16, trotzdem gehen mit dieser Aktualisierung nicht zuletzt erhebliche Verbesserungen für den Hardwaresupport einher. Weitere Eckdaten der Softwareausstattung von Ubuntu 18.04 sind LibreOffice 6 und Firefox 59. Apropos: Wer einen absolut minimalen Desktop einrichten will, dem bietet Ubuntu bei der Installation nun eine entsprechende Option. Eine durchaus nette Idee für all jene, die sich ihre Programmauswahl lieber selbst zusammenstellen wollen anstatt sich an das vorgegebene Set zu halten.

Update von Ubuntu 17.10

Für all jene, die nicht den LTS-Pfad genommen haben, sondern von Ubuntu 17.10 aktualisieren, halten sich die Änderungen der neuen Softwaregeneration hingegen in einem recht überschaubaren Rahmen. Immerhin haben diese den Wechsel auf GNOME bereits mit der letzten Version hinter sich gebracht. Die wichtigste Änderung ist hier eine andere: Statt Wayland kommt nun wieder X11 zur Anzeige des Bildschirminhaltes zum Einsatz. Zwar ist man auch bei Canonical davon überzeugt, dass Wayland die Zukunft darstellt, derzeit gebe es aber noch einige Defizite, die man den LTS-Nutzern nicht antun will. Der Hersteller verweist hier etwa auf fehlende Remote-Desktop- und Screen-Sharing-Möglichkeiten. Wer all das nicht benötigt, kann aber auch in Ubuntu 18.04 über den Login-Screen wieder auf Wayland wechseln.

Von Haus nutzt Ubuntu jetzt wieder X11, Wayland steht aber als Alternative zur Verfügung.
Screenshot: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Zu den weiteren Neuerungen im Vergleich zu Ubuntu 17.10 gehört die Aufnahme von GNOME Todo in das Default-Set an Programmen. Zudem werden nun einige Tools wie GNOME Logs, der Systemmonitor oder auch der Taschenrechner als Snaps installiert, also jenem Paketformat von Canonical das nicht zuletzt die langfristige Aktualisierung unabhängig vom restlichen System erleichtern soll. In der aktuellen Ausformung betreibt man aber nicht gerade Werbung für diesen Ansatz: So sind all die als Snaps enthaltenen Programme eine Generation älter als die restlichen GNOME-Programme, die über die herkömmlichen Paketquellen bezogen werden. Das mag sich mit kommenden Updates ändern, derzeit erscheint dies aber etwas paradox. Zudem haben die Nutzer in der Entwicklungsphase immer wieder über Probleme mit Snap-Apps geklagt. Diese zeigten sich auch im Test zum Teil, etwa wenn einzelne Programme nur mit großer Verzögerung gestartet wurden.

Fragwürdige Entscheidungen

Eine etwas seltsame Entscheidung zeigt sich auch beim ersten Start nach der Installation des Systems: Wird hier den Nutzern doch nun die Einrichtung von Livepatch angeboten, und damit eines Tools, über das der Kernel in vielen Fällen ohne Reboot aktualisiert werden kann. Gerade für den Serverbereich ist das eine sehr sinnvolle Funktionalität, warum das aber Desktop-Usern von Haus aus vorgeschlagen wird, bleibt ein Rätsel. Zumal der zugehörige Text nicht gerade so gestaltet ist, dass unbedarfte Nutzer irgendetwas damit anfangen könnten, dafür aber die Einrichtung eines Ubuntu-Accounts verlangt.

Ubuntu 18.04 holt sich beim ersten Start die Genehmigung zur Sammlung diverser Analysedaten. Dabei legt man offen, was hier konkret an die Server von Canonical übertragen wird.

Ein weiterer Punkt, der Canonical schon im Vorfeld Kritik eingebracht hat: Ubuntu fragt beim Setup nun nach der Genehmigung zur Sammlung von Diagnoseinformationen. Diese Option ist auch von Haus aus angewählt, wer hier einfach unbedarft auf "Weiter" klickt, gibt Canonical damit also seine Zustimmung. Zumindest macht das Unternehmen transparent, welche Daten konkret übertragen werden: Neben Basisinformationen zur Hardwareausstattung (etwa verwendet CPU, GPU oder auch Details zum BIOS) zählen dazu auch von den Nutzern gewählte Einstellungen. Also etwa welcher Desktop eingesetzt wird, und ob Autologin zum Einsatz kommt.

Fazit

Ubuntu 18.04 präsentiert sich als eine weitere solide Version für den beliebten Linux-Desktop. Gleichzeitig aber auch als eine, die bestehenden Nutzern zum Teil Kopfzerbrechen bereiten könnte. Im Vergleich zu Ubuntu 16.04 haben sich durch den Desktop-Wechsel viele kleine Details geändert, die für langjährige Nutzer der Distribution zumindest gewöhnungsbedürftig sind.

Wer sich angesichts dessen nicht gleich auf ein Upgrade einlassen will, dem bleibt der Trost, dass Ubuntu 16.04 noch drei weitere Jahre lang Updates erhalten wird, zunächst also keine Eile für die Aktualisierung auf Ubuntu 18.04 besteht. Mit den zum Download verfügbaren Live-Images kann der neue Desktop zudem problemlos erprobt werden, ohne gleich das ganze System aktualisieren zu müssen. Und das mag in diesem Fall für viele Nutzer ein durchaus sinnvoller Weg sein. (Andreas Proschofsky, 27.4.2018)