Andrea Brem (1963 geboren) ist Sozialarbeiterin und seit 1983 in Wiener Frauenhäusern tätig. Seit 2001 ist sie Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser.

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Spätestens 1978 wurde der Bedarf an Frauenhäusern offenkundig, die ebenso unauffällig wie das erste Frauenhaus in Wien bis heute Sicherheit für Frauen und Kinder bieten.

Foto: Verein Wiener Frauenhäuser / Volkskundemuseum Wien

STANDARD: Wenn Sie auf die letzten Jahrzehnte Ihrer Arbeit in Frauenhäusern zurückblicken – welche positiven Erinnerungen haben Sie?

Brem: Wenn ich ehemalige Klientinnen auf der Straße traf und sie mir erzählten, dass es ihnen jetzt gut geht. Das freute mich immer irrsinnig.

STANDARD: Zu Beginn der Frauenhausarbeit war vielen von Gewalt betroffenen Frauen gar nicht bekannt, wo sie Schutz finden können. Wie fanden sie den Weg in ein Frauenhaus?

Brem: Der Bekanntheitsgrad war in den Anfängen noch gering, aber wir waren von Beginn an immer voll – und sind es bis heute. Es hat sich damals relativ schnell herumgesprochen, und es gab wichtige Stellen, die zu den Frauenhäusern vermittelten, wie Jugendämter, Spitäler, Ärzte oder die Polizei. Früher waren die räumlichen Bedingungen allerdings noch viel schlechter, wir hatten Mehrbettzimmer. Seit wir über mehr finanzielle Mittel verfügen, haben die Frauen mit ihren Kindern eigene Zimmer. Dafür war es früher familiärer, und das war auch sehr schön.

STANDARD: Heute sind die 30 Frauenhäuser in Österreich meistens voll, trotz vieler Jahrzehnte des Kampfes für Gleichberechtigung. Wie kann das sein?

Brem: Sicher, der Feminismus hat vieles bewegt, aber wenn man sich die Pressearbeit der Frauenhäuser der letzten Jahrzehnte ansieht, zeigt sich, dass wir immer dasselbe sagen müssen. Das liegt auch daran, dass auf so vielen Ebenen die Kluft zwischen den Geschlechtern noch sehr groß ist. Im Moment gibt es etwa einen totalen Trend zur Teilzeit, und das nicht nur, weil man unbedingt muss, sondern weil viele Frauen das Gefühl haben, dass sie wahnsinnig lange bei den Kindern bleiben müssen. Das klappt vielleicht in einer Partnerschaft gut, aber wenn es eine Trennung gibt und kein doppeltes Einkommen mehr da ist, ist mit Teilzeit schnell Schluss mit lustig. Hinzu kommen politische Entscheidungen wie Prämien für Frauen, die die Kinder nicht in den Kindergarten geben – das ist völlig fatal. Da sind wir gar nicht weitergekommen.

STANDARD: Ob Vollzeitarbeit zu mehr Gleichberechtigung führt, darüber wird viel gestritten. Gewaltschutz als frauenpolitische Notwendigkeit scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein ...

Brem: Fest steht, dass niedrige Einkommen zu ökonomischer Abhängigkeit führen. Und die ist ganz klar ein Faktor, warum Frauen länger in Gewaltbeziehungen bleiben. Und ja, es bekennen sich zwar viele zum Gewaltschutz, aber es gibt in Österreich immer noch viele Frauenhäuser, die nicht abgesichert sind. In anderen Bundesländern müssen die Kolleginnen ständig um ihr Geld rennen und jährlich neue Förderansuchen stellen, und das macht die Arbeit sehr schwer. In Wien haben wir dagegen eine Basisförderung.

STANDARD: Ein Viertel der Frauen geht wieder zurück zum Partner. Warum?

Brem: Sie kehren zurück, kommen aber auch wieder. Jeder Mensch, der Beziehungen hatte, kennt das doch: Es ist nicht so einfach, sich zu trennen. Jede Frau, die in unsere Beratungsstellen kommt, erhält Infos und weiß, dass es die Frauenhäuser gibt. Beim nächsten Mal schafft sie den Schritt, vielleicht auch erst beim dritten oder vierten Mal. (Beate Hausbichler, 26.4.2018)