Stefan Redelsteiner bestellt "Hirsch on the Road". Es ist sein zweiter Gang beim Chinesen seines Vertrauens. Viel isst er davon in der folgenden halben Stunde nicht. Er redet über die Donnerstagabend stattfindende Amadeus-Gala (der ORF überträgt ab 21.55 Uhr) und die heimische Musikszene. In der kennt er sich aus. Der 35-jährige Wiener hat Nino aus Wien und Wanda entdeckt und groß gemacht. Nebenbei verlegte er Stefanie Sargnagel und kümmert sich heute um Acts wie Voodoo Jürgens oder Fuzzman. Der Hirsch mundete, dennoch überlegt sich Redelsteiner am Ende des Gesprächs, sich noch einen dritten Gang zu genehmigen. Just so.

Stefan Redelsteiner: "Gut ist es natürlich, wenn ein Bandmanager sozial nicht total gestört ist."
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Welche Bedeutung hat der Amadeus?

Redelsteiner: Das ist jetzt eine urlangweilige Antwort, aber jedes Land hat einen Industriemusikpreis, und das ist okay. Das wäre aufgelegt für die Raunzerfraktion, wenn wir nicht einmal einen eigenen Musikpreis hätten. Ich war aber als Wanda-Manager vor zwei Jahren beim Echo, und da haben mir viele Musikmanager gesagt, der Amadeus sei viel glamouröser. Ich dachte, die verarschen mich, aber es hat gestimmt. Der Echo ist eine Geisterbahn. Das Aufregendste war, dass Sarah Connor mich um Feuer gebeten hat – aber ich bin Nichtraucher.

STANDARD: Aber welche Bedeutung hat der Amadeus?

Redelsteiner: Da werden ja keine Geschmacksentscheidungen getroffen, da wählt eine Jury aus den zehn meistverkauften Alben eines Genres fünf aus. Die Jury besteht aus Vertretern der Majorlabels, die bestimmen dann, wer gewinnt. Wobei, angeblich, 50 Prozent Publikumsvoting einfließen sollen. Glauben wir das einfach.

STANDARD: Was bringt der Preis einer Band?

Redelsteiner: Nicht urviel, aber Wertschätzung ist immer schön.

STANDARD: Wie haben die Erfolge von Wanda und Bilderbuch die heimische Musiklandschaft verändert?

Redelsteiner: Na ja. Mir fallen eher die nervigen Dinge auf. Ich kriege jetzt ständig Demos von drittklassigen Austropopnachwuchsbands. Also Nachwuchsbands ist gut – die meisten sind Mittfünfziger mit Haarausfall, Übergewicht und Klischeetexten in aufgesetztem Wienerisch. Aber mich hat ja Austropop nie interessiert. Ich wollte mit guten Bands arbeiten, und Wanda war damals generell die beste Band. Das war der Grund, das zu machen. Aber es löst halt nicht aus, dass dann zehn genauso talentierte Bands kommen. Es kommen viele aus demselben Genre, aber die sind selten gut.

STANDARD: Wie entdecken Sie Bands?

Redelsteiner: Ganz unterschiedlich. Es wäre ein Fehler, eine Formel für so etwas zu haben. Der Job ist für jeden Künstler anders. Früher habe ich das immer so dargestellt, dass ich meinen Jagdinstinkt befriedigen muss und in dunklen Kellern Bands entdecke. Also durch Recherche, sprich sich in Lokalen ansaufen. Aber über Demotapes hat das nie funktioniert. Die höre ich mir nur deshalb an, weil ich schon vorher weiß, dass das total lustig wird. Leute, die eine Band gründen und auf die Idee kommen, ein Demotape zu verschicken, und dazu eine förmliche Schleimermail verfassen. Sorry, aber das ist doch nicht Rock 'n' Roll. Wie die Zeugen Jehovas an die Türen zu klopfen schließt den Erfolg ja schon fast aus.

STANDARD: Braucht eine Band einen Manager?

STANDARD: Nein.

STANDARD: Sie sind aber Manager.

Redelsteiner: Ja, aber die meisten Bands, die nicht das Potenzial für eine gewisse Größe haben, brauchen definitiv keinen. Selbst wenn Bands von ihrer Musik leben können, das sind die wenigsten, brauchen sie keinen, wenn sie zumindest ein sachverständiges Mitglied haben. Wenn jemand sehr organisiert ist, können sie das selbst. Wenn nicht, brauchen sie einen Manager. Wenn eine Band richtig groß wird, braucht sie sowieso ein ganzes Team.

STANDARD:Was macht einen guten Manager aus?

Redelsteiner: Weiß ich nicht. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich ein guter Manager bin. Wanda hätten ihren Weg sowieso gemacht. Da war vielleicht meine Leistung, sie zu entdecken. Vielleicht ist das eine Qualität. Denn neun von zehn Leuten aus der Branche haben mich ausgelacht, als ich ihnen Wanda vorgestellt habe.

STANDARD: Warum?

Redelsteiner: Es hieß, das sei die dümmste, schlechteste, geschmackloseste und uncharismatischste Band, die je bei einem Indielabel unter Vertrag genommen wurde.

STANDARD: Warum hat es doch funktioniert?

Redelsteiner: Die Arbeit ist ein Handwerk. Im Idealfall kann man viele Dinge halbwegs gut, da gibt es viele kleine Bausteine: Du brauchst jemanden, der gute Promotiontexte schreibt, einen Hype versteht, und dann wäre es gut, wenn er sozial nicht total gestört ist. Bei mir hat's trotzdem funktioniert. Dann muss man ein gutes Netzwerk haben, das bringt die Zeit. Man muss sehr intuitiv sein, und man liegt oft falsch. Das Publikum sieht ja nur die Erfolge, ich sehe auch all jene Bands, die gar niemand je kennengelernt hat.

STANDARD: Wohin geht's mit Ö-Musik?

Redelsteiner: Ich weiß nicht – augenscheinlich gab es in den letzten paar Jahren einen Boom, der wird wieder vorbeigehen.

STANDARD: Thema Erfolg: Ist Neid ein Onlineforen-Phänomen, oder gibt es ihn auch im Alltag?

Redelsteiner: Auch im Alltag. Aber es tut mir für den leid, der Neid empfindet. Wie soll ich da drauf reagieren? Ich kann mich ja nicht ändern. Wir sind alle eifersüchtig auf andere. Auch ich bin ständig neidisch auf jemanden. Deshalb tut's mir fast leid, wenn ich das bei anderen auslöse, weil ich weiß, wie schrecklich das ist. Für andere ist das vielleicht ein Treibstoff, zu glauben, wenn man über andere herzieht, bringt sie das weiter. Ich nenne das einen Denkfehler. (Karl Fluch, 26.4.2018)