Nur eine Initiative von Vier Pfoten: "Lionsrock" bietet Großkatzen aus schlechter Haltung einen artgerechten Lebensabend. Der Löwe am Foto wurde aus einem Zoo in Mossul befreit.

Foto: Vier Pfoten

Wien – Geburtstage wurden schon eitler gefeiert. Doch statt Selbstlobs schenkte sich die Tierschutzorganisation Vier Pfoten zum 30er einen internationalen Tierschutzgipfel, bei dem in der Schönbrunner Orangerie über die Zukunft des Tierschutzes diskutiert wurde. "Das ist eine Existenzfrage, die uns alle angeht", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen zum Auftakt vor den rund 300 Zuhörern. Weitere Ehrengäste waren EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis, der chinesische Künstler Ai Weiwei und die jordanische Prinzessin Alia al-Hussein.

"Innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahre wird sich die Zahl der Nutztiere auf der Erde verdoppeln. Vor allem die Schwellenländer werden ihren Fleischkonsum stark erhöhen", sagte Heli Dungler, Gründer und Präsident von Vier Pfoten. "Die paar Prozent Vegetarier und Veganer werden das nicht ausgleichen", fügte er hinzu. Daher gelte es, gemeinsam Antworten zu finden.

Mit der billigen Massenerzeugung tierischer Produkte und ihren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt beschäftigt sich auch Raj Patal. Er ist Professor an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs der University of Texas in Austin und beschäftigt sich mit Ernährungssouveränität, Welthunger und Globalisierung. Nahrung sei eine zutiefst politische Frage, sagte er: "Wir haben entschieden, dass Unternehmen nicht die vollen ökologischen und sozialen Folgekosten dafür zahlen müssen, was sie produzieren."

Versteckte Kosten von Fleisch

Vor allem die Fleischindustrie enthalte viele "versteckte" Kosten, sagte Patel. Er nannte ein Beispiel, das eine Studie in Indien vor wenigen Jahren behandelte: Ein Burger, der in den USA einen Dollar kostet, würde eigentlich – korrekt berechnet – 200 Dollar kosten. Eingerechnet wurde etwa Land, das entwaldet wird. "Ökologische Serviceleistungen der Wälder gehen verloren, gleichzeitig werden sie mit Nutztieren ersetzt, die zum Klimawandel beitragen", sagte Patel zum STANDARD.

Am Nachmittag wurde an diesen Gedanken anknüpfend über Alternativen bei den Themen Ernährung, Lebensraum und Wirtschaft diskutiert. Im Bereich Ernährung eröffnete die deutsche Autorin Tanja Busse die Vorträge mit einem Beispiel über die Auswüchse der Milchindustrie. In Australien werden laut offiziellen Zahlen 700.000 Bullenkälber aus Milchbetrieben im Alter von unter fünf Tagen geschlachtet. Sie sind wirtschaftlich irrelevant, da ihre Mast sehr aufwendig ist. In der EU ist das verboten, trotzdem sei das System kaum dem Tierwohl verpflichtet, so Busse. Kühe, die bis zu 20 Jahre alt werden können, sind nach rund drei Jahren "Hochleistung" so ausgebrannt, dass sie geschlachtet werden.

Der französische Schafbauer Guillaume Betton will mit Pôle Viandes Locales, einer Kooperative von 60 Landwirten, andere Wege gehen. Die Initiative vereint alle Schritte im Produktionskreislauf. Das bedeutet Weide statt Massentierhaltung und einen langsameren Lebenszyklus. Verkauft wird ausschließlich an lokale Konsumenten.

Welches Potenzial Insekten auch bei Futtermitteln für Nutztiere bergen, berichtete Tarique Arsiwalla, der ein Unternehmen für Insektenzucht gegründet hat. Sie sind eine Proteinalternative mit geringeren Auswirkungen auf die Umwelt und können zudem mit Essensresten gezüchtet werden.

"Der harte Teil der Diskussion ist, dass die Lebensmittelindustrie nicht weiterhin so aussehen kann wie heute und gleichzeitig nachhaltig wird. Wir müssen uns entscheiden", sagte Raj Patal. Dazu bräuchte es eine radikal veränderte Welt, um sozialer Ungerechtigkeit und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Denn es sei der falsche Ansatz zu fordern, dass alle 200-Dollar-Burger essen müssen. Wichtiger sei, wie wir miteinander umgehen, dass die Gehälter steigen und ein Ein-Dollar-Burger keine Berechtigung mehr hat. (Julia Schilly, 26.4.2018)