Wien/Burgenland – Das ist jetzt ein wenig ungerecht, wenn man ausgerechnet vom Alfa Stelvio mit seiner hyperdirekten Lenkung und seinem straffen Fahrwerk umsteigt in den Konzernbruder Jeep Renegade. Wie schwammig indirekt kommt einem die Lenkung vor, wie weich das Fahrwerk. Nach 14 Tagen ist der Eindruck wieder zurechtgerückt, die Sache passt schon, ganz anderer Fahrzeugcharakter eben, ganz andere (und größere) Zielgruppe.

Der Renegade ist als Einstiegs-Jeep glaubhaft.
Foto: Andreas Stockinger

Der Renegade ist dabei der erste Jeep, der in der Fiat-Ära entwickelt wurde, der eine neue Plattform bekam. Gebaut wird er in Melfi in der Basilikata – gemeinsam mit dem Fiat 500X, doch im Gegensatz zu dem sieht man den Renegade häufig, er ist ein Erfolg.

9-Gang-Automatik

Obendrein lässt die Testwagenkonfiguration – Renegade 2,0 MultiJet II 9 AT 4WD Limited – darauf schließen, dass das ein waschechtes und infolgedessen auch im Gelände über das übliche SUV-Maß hinaus kompetentes Automobil ist: Vor dem Schalthebel der 9-Gang-Automatik findet sich ein großer Dreh-und-drück-Knopf. Im Dreh-Fall wählt man zwischen Auto, Schnee, Sand und jenem Gelände, das der beliebten Nischensportart Mud-Wrestling den Namen gegeben hat, Gatsch also; im Drück-Fall zwischen 4WD, 4WD Lock und der Bergabfahrhilfe Hill Descent Control.

Der Innenraum des Renegade.
Foto: Andreas Stockinger

Damit es den Beifahrer respektive die Beifahrerin nicht allzu wild herumbeutelt im gegebenenfallsigen Geländeausritt, gibt es vorn einen Querriegel von Haltegriff wie in der Offroadlegende Wrangler oder im Mercedes G. Und damit niemand die militärische Herkunft von Jeep vergisst, ist innen der Rahmen des Infotainmentdisplays mit dem Schriftzug "since 1941" punziert, tragen außen die Heckleuchten mit dem X das taktische Zeichen für Jäger und Infanterie.

Modisch im Erscheinungsbild, will man nicht verschweigen, dass der Stammbaum bis 1941 zurückreicht.
Foto: Andreas Stockinger

Ob er wirklich hält, was Jeep verspricht, dazu befragen wir kurz das Tiroler Urgestein Walter S. Er ist unlängst vom Mazda CX-5 auf den kleineren Renegade umgestiegen (der CX-3 wäre dann doch zu klein gewesen). Ja, bestätigt er, winters komme er auch dort noch locker voran, wo er es mit dem Mazda gar nicht erst versucht hätte. "Ein Genuss, was der kann." Andererseits, an die fahraktiven Qualitäten des Japaners komme er wiederum nicht heran. Wie gesagt: andere, komfortorientierte Philosophie. Ein Renegade ist kein Rennwagen, trotz phonetischer Nähe.

Das Heck will uns sicher kein X für ein U vormachen.
Foto: Andreas Stockinger

Im Interieur haben die Designer glaubhaft Jeep-Atmosphäre verwirklicht, auch das Lenkrad: ganz zweifelsfrei Jeep, bis hin zur Radio- und Medienbedienung über diese komischen Knubbel an der Rückseite des Volants. Leder und Kunststoffe sind ebenfalls Jeep-like. Das war nicht immer ein Kompliment, passt aber hier.

Wegen seiner aufrechten Statur finden auch Rückbänkler und -innen reichlich Platz und Kopffreiheit, gefechtsmäßig aufsitzen mit Helm haben wir aber ebenso wenig getestet wie Gruppenfahrt mit Damen mit Bienenstockfrisur.

Gerade zum Fronttriebler sollte man bei einem Jeep nicht greifen.
Foto: Andreas Stockinger

Und wenn wir noch ein Wort verlieren dürfen zum Antriebskapitel: großartige ZF-9-Gang-Automatik, passabler Diesel. Akustisch in der kalten Jahreszeit ein wenig zurückhaltender, mitunter recht rauer Gesell, vom Leistungswillen nicht unbedingt für Freunde italienischen Temperaments gemacht (die sollen Alfa kaufen, wie gesagt), sondern für Cruiser, und vom Verbrauch her auch nicht so der Rekordtyp. Auf acht Liter gradaus kamen wir, trotz angepassten Fahrverhaltens. Was zugegeben weniger unsere Stärke ist. Allerdings mussten wir – das kostet Sprit – viel heizen. Nicht bildlich, sondern wörtlich. Denn direkt vor dem Sommer war die Eiszeit. (Andreas Stockinger, 4.5.2018)

Foto: Andreas Stockinger