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Der Konflikt zwischen Griechen und Türken auf Zypern ist einer der ältesten, in dem UN-Friedenstruppen im Einsatz sind, nämlich seit März 1964. Das derzeitige Mandat läuft bis 31. Juli 2018.

Foto: AP Photo/Petros Karadjias

Wien – Was ist auf dem Golan am 29. September 2012 wirklich passiert? An jenem Tag, an dem neun syrische Geheimpolizisten aus einem Hinterhalt heraus getötet wurden – vor den Augen österreichischer Blauhelmsoldaten, die für die UN-Friedenstruppe im Grenzbereich zwischen Syrien und Israel im Einsatz waren.

Hermann Heller ist einer, der weiß, was es heißt, als Soldat im Auslandseinsatz zu dienen, und er kennt das Gebiet auf den Golanhöhen, weil er selbst zweimal dort stationiert war. Der vor kurzem in Pension gegangene Rechtsanwalt aus Wien warnt vor einem vorschnellen Urteil nur auf Basis der Videos, die vom "Falter" und der "Kronen Zeitung" veröffentlicht wurden: "Ich kann diese Frage nicht oder noch nicht beantworten, dazu sind zu viele Aspekte ungeklärt", sagt der Brigadier a. D. im STANDARD-Gespräch auf die Frage, ob die österreichischen Soldaten die syrischen Polizisten, die von 13 bewaffneten Männern, angeblich Schmuggler, erschossen wurden, warnen hätten müssen – oder aufgrund des UN-Mandats gar nicht warnen hätten dürfen.

"Dumme Bemerkungen, leider Einsatz-abgestumpft"

Zur teilweise in Internetforen geäußerten Empörung über die Sprache der beteiligten Soldaten – einer sagte mit Blick auf den weißen Pick-up der Syrer, die sich den verschanzten Angreifern näherten: "Normal musst das de Hund’ sogn" – meint Heller: "Das sind dumme Bemerkungen, ethisch und moralisch verwerflich, leider Einsatz-abgestumpft", aber man dürfe nicht ganz außer Acht lassen: "Das sind zum Teil junge Leute, die da am Werk sind. Natürlich wird das Ganze bereits disziplinarrechtlich untersucht." Heller hat als Anwalt immer wieder auch Soldaten verteidigt.

Er meint, man müsse sich Folgendes anschauen: "Welche Dienstgrade waren vor Ort, Berufs- oder Milizsoldaten, wie war die Dauer des Dienstes, welche Routine hatten sie – dann kann ich natürlich schärfer urteilen, als wenn da vielleicht junge Männer relativ auf sich selbst gestellt waren."

An und für sich habe der Militärstratege Gerald Karner, auch Brigadier a. D., der im STANDARD gesagt hat, die Österreicher hätten die Syrer auf jeden Fall vor dem Hinterhalt warnen müssen, "schon recht", sagt Heller: "Wenn ich merke, das ist ein Hinterhalt, dann müsste ich einschreiten. Wenn alles so ist und stimmt, was in dem Video gezeigt wird, und das kein Fake ist, keine falschen Untertitelungen et cetera, dann ist es ethisch und moralisch wirklich ein Problem." Aber, betont der Träger des vierthöchsten militärischen Rangs: "Wenn nur ein paar Parameter nicht stimmen, dann ist es etwas anderes."

"Eher diplomatische als militärische Aufgaben"

Das sei ein ganz prinzipielles Problem, vor dem Soldaten, zumal UN-Friedenstruppenmitglieder, immer stehen, erklärt Heller anhand seiner eigenen Erfahrungen als Hauptmann und Major, der im ersten Jahr der Uno-Mission am Golan nach dem Jom-Kippur-Krieg 1974 schon dabei war und dann noch einmal 1982 sowie dazwischen 1978 und 1980 in Zypern. So wie jetzt darauf hingewiesen wird, dass die Blauhelme eigentlich nur beobachten und melden dürfen beziehungsweise den "Befehl 'nicht einmischen'" hatten, wie ein Soldat, der dabei war, den "Salzburger Nachrichten" berichtete, hätte auch seine Truppe schon damals "manchmal eher diplomatische als militärische Aufgaben gehabt" – was nachgerade zwangsläufig auch heikle bis sehr gefährliche Situationen für die Soldaten verursacht habe und 2012 im vorliegenden Fall offenkundig auch geschehen sei.

In Zypern etwa "haben sich Griechen und Türken vor unseren Augen wirklich bis aufs Blut sekkiert, da war vor allem Diplomatie gefragt", schildert der ehemalige Milizsoldat. Syrien, wohin Heller von Zypern verlegt wurde, sei "ein trauriges Kapitel".

"Keinen einzigen Buben verloren"

Immerhin, er selbst habe alle seine Auslandseinsätze, bei denen er Verantwortung über eine Soldatenkompanie hatte, "mit dem großen Glück, nie einen einzigen Buben verloren zu haben", beenden können. Umso mehr weigere er sich jetzt, über die Soldaten, die am 29. September 2012 auf dem Golan waren, ohne Kenntnis der genauen Umstände zu urteilen beziehungsweise sie von außen zu be- oder verurteilen. (Lisa Nimmervoll, 2.5.2018)