1. Zypern: Eleni Foureira, "Fuogo"

(1. Halbfinale)

Ganz viele Pailletten, großzügig verteilt auf einem hautfarbenen Body: Man könnte vermuten, dass sich Eleni Foureira aus Zypern im Format gerirrt hat. Denn das hier ist nicht "Let's Dance", und das hier ist auch kein Nageldesign-Wettbewerb. Allerdings: Auf diese Fingernägel lässt sich selbst bei RTL kein Tanzpartner ein. Foureira ist vermutlich doch nicht so falsch in Lissabon. Wenn man sich die Frau genauer anschaut, passt das alles sogar wunderbar zusammen. Meterlange Mähnen haben beim ESC Tradition, Schulterpolster erst recht. Ob der Auftritt fürs Finale reicht, bleibt abzuwarten.

Foto: Andres Putting

2. Israel: Netta, "Toy"

(1. Halbfinale)

Wir brauchen eine starke, exaltierte Frau, so eine wie Beth Ditto: knallig, präsent, goschert. So in etwa kann man sich die Suche nach der israelischen Musikerin Netta Barzilai vorstellen. Motto: Frauen mit dicken Schenkeln und starker Botschaft (ihr ESC-Beitrag "I'm not your toy, you stupid boy" ist inspiriert von #MeToo) steckt man in kräftige Farben. Und so turnt die 25-Jährige in Lissabon in einem flammenden Manga-Outfit herum. Das könnte nicht nur den Winkekatzen auf der Bühne gefallen, Netta ist jedenfalls überall im Gespräch.

Foto: Andres Putting

3. Schweiz: Zibbz, "Stones"

(1. Halbfinale)

Erinnert sich noch jemand an The Makemakes? Für alle, die den glücklosen österreichischen Beitrag von 2015 verdrängt haben: Das war jene langhaarige Buberlpartie, die es schaffte, in Wien null Punkte zu holen und damit den letzten Platz zu belegen. Die Hipster-Cowboys haben nun mit dem Schweizer Duo Zibbz eine würdige Nachfolge gefunden: Corinne ("Co") Gfeller und ihr Bruder Stee setzen auf Röhrlhosen, Cowboyhut und Lederjacke. Einfallslosigkeit ist ihnen nicht vorzuwerfen. Die beiden wollen nicht auch noch wie alle anderen über Liebe singen. Das zeitgeistige Anliegen ihres ESC-Beitrags "Stones": bitte keine Steine werfen im Netz, Schluss mit Cybermobbing! Ob damit ein ESC zu gewinnen ist?

Foto: Andres Putting

4. Tschechien: Mikolas Josef, "Lie To Me"

(2. Halbfinale)

Was zieht einer, der normalerweise in Bomberjacke und Skinny den Straßenmusiker gibt, auf der großen ESC-Bühne an? Mikolas Josef greift zu Mascherl, weißem Hemd und Hosenträgern – ausgerechnet! Damit klar wird, dass hier nicht der biedere Doppelgänger von Buddy Holly performt, sondern dass dieser Aufzug auch irgendwie ironisch gemeint ist (adieu, Schwiegermutter-Traum!), ziehen sich alle drumherum wie Yung Hurn an. Einen Versuch ist's wert.

Foto: Andres Putting

5. Österreich: Cesár Sampson, "Nobody But You"

(1. Halbfinale)

Was uns Cesár Sampson mit diesen tiefergelegten Lederhosen sagen will? Vielleicht, dass Österreich eh cool und mehr als die Trapp-Familie ist. Das ist in Zeiten wie diesen durchaus nachvollziehbar. Warum der Mann, der nebenbei Personal Trainer ist, seine Muskeln aber obenrum in einen asymmetrischen Lederharnisch steckt? Das bleibt Sampsons Geheimnis.

Foto: Andres Putting

6. Deutschland: Michael Schulte, "You Let Me Walk Alone"

(Finale)

Diese Locken, dieser sanfte Liedermacher-Blick wie in den 1970ern! Die Konkurrenz aus Deutschland sieht in diesem Jahr so aus, als sei sie für einen Ökomode-Katalog gecastet worden. Dem ist nicht so. Genauso wenig ist der rothaarige Lockenschopf Michael Schulte, immer von oben bis unten unaufgeregt in Schwarz, der Enkel von Art Garfunkel (diese Ähnlichkeit!). Finalteilnehmer Schulte hat es faustdick hinter den Ohren. Er mag nicht nach Privatfernsehen aussehen, hat aber vor einigen Jahren bei ProSieben an der Castingshow "The Voice of Germany" teilgenommen – gefährlich!

Foto: Andres Putting

7. Rumänien: The Humans, "Goodbye"

(1. Halbfinale)

Müsste man den Prototyp für einen ESC-Teilnehmer entwerfen, käme er dem rumänischen Beitrag nahe. Die Band The Humans rund um Sängerin Cristina Caramarcu sieht aus wie aus der Song-Contest-Retorte: Die Blondine schlüpft bevorzugt in dramatische Roben (lila! Ausschnitt!), ihren Mitmusikern ist es noch nicht einmal zu blöd, weiße Uniformen zu tragen und mit Masken auf den Köpfen Botschaften (nur welche bloß?) zu transportieren. (Eigentlich dachte man, solche Masken seien den Internetaktivisten von Anonymous vorbehalten.) Bleibt dem bemühten Auftritt zu wünschen, dass der Song "Goodbye" sich nicht als böse Prophezeiung entpuppt.

Foto: Andres Putting

8. Bulgarien: Equinox, "Bones"

(1. Halbfinale)

Alt-Metaller trifft Fetisch-Nonne: Die Band Equinox rund um die wasserstoffblonde Sängerin Zhana Bergendorff wurde extra für den diesjährigen ESC gegründet. Dabei sieht das Ergebnis doch eher nach Nischenprogramm aus. Ob der darke Mystik-Mix (Lederhosen, experimentelle Latexroben) ein Publikum findet? Man kann der Band nur wünschen, dass sich einige hängengebliebene Gothic-Anhänger vor den Bildschirmen zu einem Anruf überreden lassen.

Foto: Andres Putting

9. Ungarn: AWS, "Viszlát nyar"

(2. Halbfinale)

Gestern noch im Proberaum, heute schon auf der ESC-Bühne in Lissabon. Was nach der steilen Karriere einer Provinz-Punkrockband (in, natürlich, Army- und Holzfäller-Hemden) aussieht, ist genau das: Die fünf wilden Kerle aus Ungarn rund um den Frontmann Örs Siklósi haben Sziget-Erfahrung, sind keine Castingband – und das soll man ihrem Auftritt auch bitte ansehen. Die Band AWS gibt sich erdig, da spritzt der Schweiß durch die Mattscheibe. Fragt sich nur, wen noch junge Männer in alten Rockerposen hinter dem Ofen hervorlocken.

Foto: Andres Putting

10. Portugal: Cláudia Pascoal, "O Jardim"

(Finale)

Apropos rote Haare, wir erinnern uns: Ende der 1990er-Jahre trug sie Milla Jovovich in "Das fünfte Element" und kurze Zeit später Franka Potente in "Lola rennt". Feuerrote Haare waren damals cool. Nun setzt Cláudia Pascoal ihrem elfenhaften Auftritt (Titel ihres Beitrags: "O Jardim", der Garten) für das Gastgeberland Portugal einen rosaroten Schopf entgegen. Damit könnte sie bei der Generation Instagram punkten – aber ob die wirklich noch Song Contest schaut? (feld, 8.5.2018)

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