Wissenschafterin Katrin Döveling

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Eine aktuelle Konferenz an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt widmete sich einem Thema, das wohl jeden von uns betrifft: der Digitalisierung und der damit einhergehenden Zunahme an technologisch sich in den letzten Jahren rasant entwickelnden Medien in unserem Alltag. Mittlerweile sind all unsere Lebensbereiche von digitalen Medien durchdrungen.

Die meisten von uns wachen bereits mit dem Wecker des Handys auf, haben am Abend zuvor vielleicht noch mit dem Smartphone letzte Facebook-Posts gecheckt, denn das Liken und Teilen und Mitteilen und die Dauerpräsenz überall sind mittlerweile integraler Bestandteil des Lebens. Das Handy, ein multifunktionales Allround-Gerät, ist nicht nur unser permanenter Begleiter, es setzt so manchen von uns auch unter Druck, in einer immer rasanter kommunizierenden Welt mitzuhalten.

Messen, dokumentieren, vergleichen

Wir tweeten, liken, teilen, sind immer und überall präsent, überall verlinkt und überall erreichbar, rastlos, so scheint es. Unter Mediatisierungsdruck geraten, zählt der eine oder andere mittels Digitaltechnik seine Schritte, die er am Tag zurückgelegt hat, denn auch das Messen, Dokumentieren und natürlich vor allem das Veröffentlichen und Vergleichen ist für den einen oder anderen zum bestimmenden wie auch belastenden Lebensinhalt geworden. Körperoptimierung im digitalen Zeitalter ist für viele, wie eben auch die digitale Kommunikation an sich, ein "Muss", zwingend, dringend, ubiquitär, omnipräsent und vor allem, so scheint es, unerlässlich, um in einer individualisierten und konkurrenzorientieren Welt mitzuhalten.

In der heutigen postmodernen Digitalgesellschaft durchdringen neue Technologien den Alltag auf persönlicher, gesellschaftlicher und globaler Ebene. Unsere vier Wände werden "smart", wir sprechen mit Alexa, "die" dafür sorgt, dass der Kühlschrank gefüllt und die richtige Playliste zur Entspannung programmiert ist, und Siri hilft uns, die nächste Apotheke zu finden.

Auf der Ebene der Gruppen sind wir mit Freunden vernetzt, die die gleichen Hobbys haben, und interessanterweise erhalten wir zu genau diesen von Amazon "Kaufempfehlungen". Und auf globaler Ebene wandert #MeToo mit einem Klick um die Welt.

Posten, tweeten, liken in Echtzeit

Im Zeitalter von Krisen, Terrorangst, Fake-News, Big Data, Cybermobbing, Rechtspopulismus und steigenden Bilderfluten stehen wir aber auch durch die zunehmende Vernetzung vor gesellschaftlichen wie auch wissenschaftlichen Herausforderungen. Denn: Durch die digitalen Medien wird Kommunikation zeit- und raumunabhängig. Wir handeln, posten, tweeten, liken beinahe in Echtzeit – und das international. Denn: Der Mensch im digitalen Zeitalter ist nicht nur in regionale und länderspezifische Strukturen eingebunden, sondern an globalen Prozessen beteiligt. Und er gestaltet diese aktiv mit.

Dies hat weitreichende Konsequenzen – auf den Einzelnen als Teil der kollektiven Digitalgemeinschaft, aber auch auf Systeme: Politik (Trump und Twitter), Journalismus (Fake-News) ebenso wie Wirtschaft (Ökonomisierung) und Gesellschaft stehen vor dringenden Aufgaben, die wir lösen müssen. Wenn Mister Trump Monsieur Macron in den USA trifft, erfahren wir beinahe in Echtzeit, was passiert. Und wir können es bewerten, kommentieren und das Ereignis und dessen Bewertung so entsprechend kommunikativ mitgestalten.

Die internationale Konferenz "Global Mediatization Research and Technology. Findings, Challenges and International Perspectives in the Digital Age" befasste sich im April mit den damit einhergehenden Fragen. Denn: Die meisten Studien, die sich mit den Auswirkungen der Mediatisierung befassen, untersuchen meist ein Land bzw. eine bestimmte Kultur. Wie können und müssen wir angesichts der zunehmenden globalen Digitalisierung kulturübergreifend und -vergleichend derartige Prozesse erfassen und verstehen? Wir stehen noch am Anfang.

Kollektives digitales Dorf

Aber in der Frage, ob Digitalisierung Homogenisierungstendenzen fördert, wissen wir etwa bereits, dass wir uns im Fall von Krisen sehr schnell zu einem kollektiven digitalen Dorf, einem Weltdorf zusammenfinden. Auch Prozesse der Digitalisierung im Alltag in unterschiedlichen Ländern zeigen kulturübergreifende Tendenzen wie etwa den Drang, online sein zu müssen, oder die Auflösung der Trennung zwischen öffentlichem und privatem Leben. Durch Facebook, Twitter, Whatsapp und Co schwinden die im vordigitalen Zeitalter noch vorhandenen Grenzen.

Natürlich hat die Digitalisierung enorme Vorteile mit sich gebracht – sie erleichtert unseren Alltag. Weder Wirtschaft noch Gesellschaft noch aktuelle Politik sind inzwischen ohne Digitalisierung denkbar. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Aber ist es unbedingt vonnöten, dass wir am Esstisch das Smartphone bedienen, dass Kinder alleine in ihre digitalen Welten eintauchen, dass wir uns permanent mit anderen im Liken, Tweeten und Teilen messen müssen? Wir sind in diesen Fragen alle gefragt, in der Wissenschaft und der Gesellschaft.

Global fühlbar, global wirksam

Was hat die Tagung gezeigt? Sie hat den wachsenden Einfluss von globalen Technologieunternehmen wie Google und Facebook auf die Infrastruktur von Gesellschaften deutlich gemacht. Keynote-Speaker Stig Hjarvard hat aufgezeigt, dass die Durchdringung der digitalen Medien im Kontext des gesellschaftlichen Wandels auf transnationaler und globaler Ebene auf uns alle enorme Auswirkungen haben (werden). Wir müssen global denken. Was wir wo wann posten, ist global sichtbar, global fühlbar und global wirksam.

Sie hat gezeigt: Die Rolle der digitalen Medien im Wahlkampf, die Veränderung der persönlichen Kommunikation durch digitale Medien, hier und dort und sogar in Australien bei den Aborigines, deren religiösen (Trauer-)Riten sich durch die digitalen Medien in einer extremen Herausforderung befinden.

Es gibt noch viele Fragen. Wir sind am Anfang, und es passiert viel. Wir brauchen daher, sagt auch Keynote-Speaker Friedrich Krotz, vergleichende transnationale und globale Medien- und Kommunikationsforschung in der Mediatisierung – um ein Verständnis für die verschiedenen uns alle betreffenden Probleme zu entwickeln, zum Beispiel für die Auswirkungen auf demokratische Strukturen, die Kommunikationsfreiheit in den verschiedenen Kulturen und sozialen Gruppen und die dringend benötige Medienkompetenz im digitalen Zeitalter. (Katrin Döveling, 9.5.2018)