Am Montag verkündete Matthias Strolz seinen Rücktritt als Politiker, um sich neuen Aufgaben zu widmen.

Wien – Aufmerksam sein, wachsam sein, entscheiden: Diesem Mantra folgte Matthias Strolz, als er die Neos gründete. Das war 2012, bei einem mehrtägigen Fasten alleine im Wienerwald fand er seine Vision. Getrieben vom Wunsch nach Bewegung und Reform, frustriert vom Stillstand in der ÖVP, die er jahrelang gewählt hatte, wurde er zur "Hebamme für das Neue" (Strolz) und schaffte 2013 mit der pinken Partei den Einzug in den Nationalrat.

Der Parteichef und Klubobmann stellte die Neos, kundig aus seiner Zeit als Unternehmensberater, als Marke auf – und sich gleich mit. Gegen den "Filz", die "verkrusteten Strukturen", die Landeshauptleute, auch bekannt als "Fürsten der Finsternis", für Schulen, die Kindern die "Flügel heben": Für jeden inhaltlichen Punkt der Neos hatte der gebürtige Vorarlberger den passenden Slogan parat und scheute nicht davor zurück, ihn bis zur Ermüdung auszureizen.

Instagram und Kastanie

Er selbst wirkte nur nach erfolgreichen Wahlabenden müde und wurde mehr als einmal mit dem energiegeladenen Duracell-Hasen aus der Batteriewerbung verglichen. Im Nationalrat nutzte Strolz, der Yoga praktiziert, das Podium für leidenschaftliche Plädoyers für Modernisierung, Liberalisierung, Sparpolitik und Bildung und kassierte den einen oder anderen Ordnungsruf, wenn er sich in Rage geredet hatte. Zuletzt ließ der verheiratete Vater dreier Töchter bei der Aufhebung des Rauchverbots in der Gastronomie die Emotionen mit sich durchgehen.

2012 hat Matthias Strolz die NEOS gegründet, seit der Nationalratswahl 2013 ist der Klubobmann der Partei. Mehr als fünf Jahre hat er also in der heimischen Spitzenpolitik verbracht.
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Das Marketing beherrscht Strolz auch auf Social Media, wo sein Instagram-Auftritt oft die Grenze zur Skurrilität überschreitet. In selbstgedrehten Videos auf Facebook gibt sich Strolz aber auch immer wieder ernst. Nachdenklich machten ihn auch die Reaktionen auf das Liebesgedicht an eine Kastanie, das er via "Kronen Zeitung" veröffentlichte, sagte er im Vorjahr im STANDARD-Interview.

Gespür für Macht und Taktik

Gleichzeitig bewies der 44-Jährige, der von 2000 bis 2001 im schwarzen Parlamentsklub arbeitete, immer ein Gespür für Macht und politische Taktik. Ein Bündnis mit Sebastian Kurz' ÖVP im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 scheiterte nur knapp. Stattdessen holte Strolz Irmgard Griss für die Pinken an Bord, der er schon bei ihrer Bewerbung um das Amt der Bundespräsidentin Unterstützung ausgesprochen hatte. Die ehemalige Höchstrichterin sicherte den Neos ein respektables Ergebnis in ländlichen Gebieten.

Aufmerksam, wachsam, entschieden

Nun war Strolz wieder aufmerksam. Er sah, dass er zwei Nationalratswahlen erfolgreich für die Neos geschlagen hatte. Die nunmehr der Adoleszenz entwachsene Partei kennt keinen anderen Chef als ihn. Gerade für die Neos, die Altparteien mit Altpolitikern stets verhöhnte, wäre es peinlich gewesen, wäre Strolz am Chefsessel kleben geblieben.

Strolz war auch wieder wachsam. Auch wenn nach außen hin der Eindruck maximaler parteiinterner Harmonie erweckt wird, brodelt es bei den Pinken. Der sonst auf positive Erneuerung in seiner Rhetorik bedachte Strolz sprach zuletzt wiederholt von einem drohenden Bürgerkrieg in Österreich angesichts eines erstarkten politischen Extremismus. Das brachte ihm eine Rüge von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein – aber auch in der eigenen Partei wurde Kritik am Chef laut, die dieser auch freimütig einsteckte. Als Chef, so sagte er jüngst im STANDARD-Interview, nehme er sich das heraus.

Schließlich entschied sich Strolz: Am Montag verkündete er seinen Rücktritt als Politiker, um sich neuen Aufgaben zu widmen. (Sebastian Fellner, 7.5.2018)