Wien – Der Prozess um den Missbrauch von Kindern in Wien ist Montagnachmittag mit drei Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Die Angeklagten – Vater und Mutter von zwei Kindern sowie ein pädophiler Bekannter – fassten hohe unbedingte Haftstrafen aus. Der Vater erhielt 14 Jahre Haft, seine Ex-Frau sieben Jahre und der Tiroler Landwirt zwölf Jahre.

Die Männer werden zudem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Vor allem die hohe Strafe für die Mutter als Beitragstäterin überraschte. Laut Urteilsbegründung hatte die 29-Jährige seit August 2014 bis Frühjahr 2017 zumindest teilweise von den Übergriffen gewusst. "Sie haben als Mutter die Verpflichtung, Ihre Kinder lebenslänglich zu schützen. Aber Sie haben nichts dagegen unternommen", sagte Richterin Nina Steindl. Dass die Frau in vollem Umfang davon Kenntnis hatte – die Tochter etwa wurde acht Jahre lang missbraucht -, glaubt das Gericht allerdings nicht.

"Was wird aus mir im Gefängnis?", schluchzte die Mutter, die sich seit der Verhaftung ihres Ex-Ehemannes vor einem Jahr ihre Kinder betreute. Den betroffenen Kindern – laut Gericht insgesamt 13 – wurde ein Schmerzengeld in Höhe von mehr als 50.000 Euro zugesprochen. Der Vater nahm das Urteil an, es ist bereits rechtskräftig. Die beiden anderen Angeklagten erbaten sich Bedenkzeit, ebenso wie Staatsanwalt Gerd Hermann.

Jahrelanger Missbrauch

Der 29-Jährige hat sich seit sie Babys waren regelmäßig an seinem Sohn und seiner Tochter vergangen. Außerdem überließ er die Kinder auch anderen Pädophilen und fertigte zahlreiche Kinderpornos an. Der Fall flog im Mai 2017 bei der großangelegten Polizeioperation "Elysium" durch deutsche und österreichische Ermittler auf.

Dabei wurde ein ganzes Pädophilennetzwerk gesprengt, das sich seit 2012 im Darknet mit Kinderpornos versorgte. Unter ihnen war auch der angeklagte Wiener, ein Frühpensionist, der seine Tochter erstmals im Alter von zwei Monaten missbrauchte, wie Staatsanwalt Gerd Hermann ausführte. Von dem im Oktober 2009 geborenen Mädchen und dem im Oktober 2011 geborenen Buben angefertigte Kinderpornos tauschte er mit anderen Pädophilen über diese Plattform aus.

Über das Darknet lernte er einen Deutschen und einen Tiroler Landwirt mit ähnlichen Neigungen kennen, die er ab dem Sommer 2016 auch regelmäßig zu sich nach Hause einlud, damit sich diese an den Kindern vergehen konnten. Während die Männer die Kinder missbrauchten, filmte ihr Vater die Szenen. Der deutsche Verdächtige, der sich in Frankfurt am Main in U-Haft befindet und dort auf seinen Prozess wartet, wurde auf einer sichergestellten Datei anhand auffälliger körperlicher Merkmale als Täter identifiziert und festgenommen.

Lehrerin erkannte das Mädchen

In weiterer Folge gelang es den Ermittlern, das betroffene Wiener Mädchen auszuforschen. Da sich das auf dem Foto abgelichtete Kind im Volksschulalter befand, fragte die Polizei in Schulen nach. Eine Volksschullehrerin erkannte schlussendlich ihre Schülerin, so kam man auf die Spur des Vaters, der sich seit Mai 2017 in U-Haft befindet.

Die beiden angeklagten Männer zeigten sich beim Verhandlungsauftakt Montagfrüh zu den Vorwürfen umfassend geständig. Den beiden werden schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen sowie pornografische Darstellung Minderjähriger vorgeworfen. Der Vater muss sich zudem wegen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses und Kuppelei verantworten, der Landwirt auch wegen Vergewaltigung.

Mutter wird als Mitwisserin belastet

Auf der Anklagebank nahmen aber nicht nur der Vater der Kinder und der Tiroler Platz. Der 29-jährigen Mutter des Buben und des Mädchens wird als angeblicher Mitwisserin von der Anklage Beitragstäterschaft vorgeworfen. Die Frau bestreitet, etwas von den Vorgängen gewusst zu haben.

Die Kinder lebten bis zuletzt bei der 29-jährigen, schwer behinderten Frau. Der sechsjährige Bub und das achtjährige Mädchen sind einem Gutachten zufolge aufgrund des erlebten Martyriums schwer traumatisiert, die psychischen Folgen sind einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen. Die einzige Bezugsperson, bei der sie sich aufgehoben fühlen, dürfte ihre Mutter sein, die versichert, sie habe nichts vom Treiben des Vaters mitbekommen.

Daher entschied das Jugendamt, die Kinder zu ihrem eigenen Wohl vorerst bei der Mutter zu belassen. Sie werden von einer Opferschutzeinrichtung und einer Sozialarbeiterin betreut. Nachdem Medien aber damit an die Öffentlichkeit gegangen waren, kamen die Kinder diese Woche zu einer Großmutter.

Vater zeigt sich geständig

Der angeklagte Vater zeigte sich vor der Schöffensenatsvorsitzenden Nina Steindl geständig. Auf die Frage der Richterin, warum er Kinderpornos von seinem Sohn und seiner Tochter angefertigt habe, meinte er: "Weil ich krank bin." Er übernehme die "volle Verantwortung".

Der Vater erzählte, dass er bereits seit seinem 13. Lebensjahr pädophile Neigungen habe, da habe er erstmals kinderpornografisches Material entdeckt. Als er seine Frau kennenlernte und 2009 heiratete, habe er ein Jahr lang seinen Drang unterdrücken können. Als jedoch bald seine Tochter zur Welt kam, kehrten seine Neigungen zurück. Bereits im Alter von zwei Monaten verging er sich an dem Kind. Auch seinen Sohn missbrauchte er. "Ich kann es nicht mehr ändern. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen", sagte er unter Tränen.

"Ich war sehr vertrauensvoll"

Damit sich die Kinder nicht jemandem anvertrauten, setzte er sie unter Druck. "Ich habe gesagt, dass sie nichts sagen sollen, sonst müsste ich ins Gefängnis", sagte der bisher Unbescholtene. Seine Frau habe von den Übergriffen nichts mitbekommen. "Ich habe nicht mit ihr geredet, weil ich das auch selbst verdrängen wollte."

Seit 2010 fertigte er auch pornografische Fotos und Videos von Kindern von Bekannten oder Verwandten an, die man ihm zur Aufsicht überlassen hatte. "Ich war sehr vertrauensvoll. Auf mich hat man sich immer verlassen können. Darum hat man mir auch andere Kinder anvertraut." Von zehn weiteren Kindern fertigte er kinderpornografisches Material an, das er anderen übers Internet zur Verfügung stellte.

Im Sommer 2016 bekamen der Vater und die Kinder Besuch von anderen Pädophilen, die mehrere Tage blieben. "Die Kinder waren relativ distanzlos", beschrieb der mitangeklagte Tiroler Landwirt die Situation. Während der Vater mit der Tochter im Schlafzimmer übernachtete, schlief der Landwirt mit dem Buben im Kinderzimmer, wo es zu den Übergriffen kam. Der Tiroler war bereits wegen einschlägiger Straftaten vor Gericht gestanden und hatte auch zwei Therapien absolviert. "Warum hilft das bei Ihnen nichts?", fragte Richterin Steindl. "Es hilft schon, ich war ja jahrelang straffrei", meinte der Angeklagte. Aufgrund einer finanziellen Schieflage habe er sich die Therapie nicht mehr leisten können.

Frage nach Mitwissen der Mutter

Der Sachverständige befürchtet, dass zukünftig wieder mit Straftaten mit schweren Folgen zu rechnen ist, wenn die zwei Beschuldigten nicht entsprechend medikamentös beziehungsweise therapeutisch behandelt werden. Der Staatsanwalt beantragte zusätzlich zu einer schuld- und tatangemessenen Verurteilung – angesichts der Schwere der inkriminierten Delikte drohen den Männern bis zu 15 Jahre Haft – zusätzlich die Unterbringung der Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Schwer belastet wurde die Mutter der Kinder von dem Tiroler, etwas von dem Missbrauch gewusst zu haben. In einer Situation wurde er demnach von der Frau mit dem nackten Kind erwischt, sie habe jedoch nur die Augen verdrehte und das Zimmer verlassen. Zudem gebe es ein Video eines Übergriffs, auf dem die Frau im Hintergrund zu sehen sei. "Da war mir klar, dass sie ziemlich sicher Bescheid wusste", sagte der Landwirt.

Das stellte die Frau heftig in Abrede. Als die Polizei nach der Festnahme ihres Ex-Mannes gekommen sei, "bin ich zusammengebrochen". Für sie sei es zuvor "ein normales Familienleben" gewesen. Der Mann sei ein "liebevoller Vater" gewesen, der aufgrund der Behinderung der Frau alles erledigt habe. Nach der Scheidung im Jahr 2016 blieben die Kinder beim Vater. "Auch wenn es mir schwerfiel, habe ich die Kinder in seine Obhut gegeben, weil er sich besser kümmern konnte."

Schmerzensgeldforderung aller Kinder

Die Verhandlung wurde nach einer kurzen Mittagspause mit der kontradiktorischen Einvernahme der Opfer und der Erörterung der Gutachten zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt.

Alle missbrauchten Kinder schlossen sich dem Verfahren mit einem Schmerzensgeld von insgesamt über 55.000 Euro an. Den höchsten Betrag verlangte die Tochter, die acht Jahre lang missbraucht worden ist. (APA, 7.5.2018)