Wie viele Wildbienen ist auch die Mauerbiene von großer ökologischer Bedeutung für die Bestäubung.

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Es hat sich etwas verändert. Wo es früher surrte, summte und brummte, ist es heute still. Eine langjährige Studie bestätigte diese Wahrnehmung im Vorjahr: Seit 1989 ist die Masse der Insekten in Deutschland um 76 Prozent geschrumpft. "Dabei beziehen sich die Ergebnisse ausschließlich auf arNaturschutzgebiete. Dramatischer ist die Situation in intensiv genutzten Agrarlandschaften", sagt Heinz Wiesbauer.

Der Landschaftsökologe beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Wildbienen und erkennt in Österreich ähnlich dramatische Entwicklungen. In Deutschland stehen schon etwa 53 Prozent der Wildbienenarten auf der Roten Liste. Nur spricht kaum jemand darüber. Anders als die Honigbiene haben diese Arten keine Lobby. Im Buch Wilde Bienen holt sie Wiesbauer nun vor den Vorhang. "In Österreich wurden bisher fast 700 Arten nachgewiesen", sagt der Autor. Er porträtiert 360 in Mitteleuropa verbreitete Arten aus allen Gattungen.

Nach dem großflächigen Bienensterben 2007 richtete sich der Fokus erstmals auf die Wildbienen, erzählt Wiesbauer dem STANDARD: "Bei Feldversuchen zeigte sich, dass sich Wildbienen kaum mehr vermehrten."

Den Begriff "Wilde Bienen" verwendete erstmals der Naturforscher Johann Ludwig Christ Ende des 18. Jahrhunderts, berichtet Wiesbauer. Er meinte damit jene Bienen, die – anders als die Honigbiene – ohne menschliches Zutun existieren. Der umgangssprachliche Begriff "Wildbiene", der in der Biologie keine systematische Relevanz hat, ist fast ein wenig irreführend. Mit ihrem Verhalten hat das nichts zu tun, denn im Gegensatz zur "zahmen" Honigbiene greifen sie in der Nähe des Nestes nicht gezielt an.

Fleißiger als die Honigbiene

Der Nutzen der Wildbiene ist in ökologischer und ökonomischer Hinsicht mindestens so groß wie jener der Honigbiene. Denn viele Wildbienenarten sind noch unterwegs, wenn es schon kalt und windig ist. Die Hummeln fliegen zum Beispiel noch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Das ist bei relativ kurz blühenden Kulturpflanzen wichtig, da so längere Zeitfenster zum Bestäuben genutzt werden. Die Hummel übernimmt sozusagen die unwirtliche Morgenschicht.

Für manche Blüten sind Honigbienen sogar zu schwer, oder ihr Rüssel ist zu kurz. Studien bestätigen, dass Obstplantagen ertragreicher sind, wenn es neben Honig- auch Wildbienen gibt. Das Hamburger Start-up Beesharing nutzt diese Erkenntnis als Geschäftsidee und liefert Landwirten einen "Bienenmix" zur optimalen Bestäubung.

Wie bunt gemischt so eine Wildbienenkiste sein kann, zeigt ein Blick in Wiesbauers Buch, in dem viele Arten abgebildet sind: Die Steppenbiene ist die kleineste heimische Art und misst vier Millimeter. Dadurch wird sie oft für eine Fliege gehalten. Die blau-schwarze Holzbiene, als größte österreichische Art, kann 30 Millimeter erreichen und wiegt mehr als das 700-Fache der Steppenbiene.

Pflanzen, Holz, Lehm und Schneckenhäuser

Ebenso sehr unterscheiden sich die Lebensraumansprüche und das Verhalten, sagt Wiesbauer: Die meisten Wildbienen leben allein, einige wenige wie die Hummeln bilden einen Staat. Es gibt Generalisten, die viele verschiedene Blüten nutzen, und Spezialisten, die auf eine Pflanze als Pollenquelle angewiesen sind. Die Arten nisten im Boden, in Holz, hohlen Pflanzenstängeln, Lehmwänden oder Schneckenhäusern.

Eine Vielfalt, die heute kaum noch zu finden ist, sagt Wiesbauer: "Noch vor einigen Jahrzehnten gab es Brachen, blütenreiche Streifen auf Feldern und einen artenreichen Unkrautflur. Da die agrarisch geprägte Kulturlandschaft für Wildbienen lebensfeindlich geworden ist, werden Gärten und Parks immer mehr zu einem Hort der Biodiversität."

Er beschreibt den perfekten Wildbienengarten: alte Ziegelgemäuer für Mauerbienen, morsches Holz für Holzbienen, abgetretene Bodenstellen für Sandbienen. Die Blumenwiese sollte kleinräumig gemäht werden. So sei es für Wildbienen eine Katastrophe, wenn eine Blumenwiese im Garten plötzlich gemäht wird. "Die Förderung der Wildbienen sollte Bestand im politischen Diskurs haben", sagt Wiesbauer. (Julia Schilly, 10.5.2018)