Am Mittwoch findet beim Wiener Riesenrad das Red Bull Music Festival statt.

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Über den Softgetränke-Weltkonzern Red Bull hat der weltberühmte DJ Ötzi einmal im Interview mit dem STANDARD gemeint: "Wir alle dienen der Dose." Das mag in einem erweiterten philosophischen Ansatz zwar richtig erscheinen. Arbeiten wir letztlich nicht alle immer und dauernd so verdammt hart daran, gut und erfolgreich und schön zu sein und geliebt zu werden, dass wir am Ende des Tages so müde und ausgebrannt sind, dass wir nachgerade nach Power aus der blau-silbernen Dose lechzen? Wenn der Weg das Ziel ist, bedeutet dann der Zielraum nicht Glücksverheißung, Blutdruck-Push, Wachphasenverlängerung und total geile neue Power, wenn es sein muss, auch zuckerfrei?

Giebelkreuz des 21. Jahrhunderts

In Extremsportlerkreisen und bei anderen Angehörigen von Trendsportsekten wie Amboss-Glidern, Nine-Inch-Nose-Nailern, Techno-DJs, Rappern, Alternative-Mainstream-Musikern und Künstlern, die für das "Vice"-Magazin zu wenige Vorstrafen und zu brave Tattoos aufweisen, ist die Dose aber längst schon das Giebelkreuz des 21. Jahrhunderts. Unter diesem kann man als Knecht gut leben und ist vor allzu argen Stürmen draußen in der Wildnis der zusammenbrechenden Freizeitmärkte halbwegs sicher.

Das am 9. Mai im Wiener Prater vor und in den Waggons des Riesenrads stattfindende Red Bull Music Festival holt dafür nach aktuellen lokalen Varianten in New York oder dem südafrikanischen Johannesburg nun hier große und noch nicht so ganz große, aber auch nicht zu kleine Namen der aktuellen heimischen Musikszene zusammen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf elektronisch generierter Clubmusik, erheblich originell wirken wollende Bookings inklusive. So setzt sich das Line-up der Pratersause unter anderem aus folgenden Namen zusammen: Kruder & Dorfmeister, Electric Indigo, Cloud-Rapper Yung Hurn mit seinem Pfirsichspritzerlokal-Bandprojekt Love Hotel Band, den Wiener Sängerknaben (!!!), Patrick Pulsinger, Der Nino aus Wien, Seiler & Speer, Klaus Eberhartinger von EAV, Skero, Nazar und Money Boy.

Offener Brief von DJ Resista

In den sozialen Medien grassiert nun allerdings ein hundertfach, unter anderem auf der Facebook-Seite "Wien.Musik" geteilter offener Brief von DJ Resista, der Red Bull und seinen untergeordneten Medienformaten wie Servus TV, verkürzt gesagt, eine Affinität für Rechtsextremismus und Rassismus nachsagt. Wer das Geld des mit 19 Euro Eintrittsgeld nicht einmal von Red Bull aus der Handkassa finanzierten Festivals nehme, widerspreche damit allen gängigen Bekundungen der beteiligten Musiker, sich im Politischen wie im Privaten für das Gute und gegen das Böse in der Welt einzusetzen.

Das trifft einen wunden Punkt bei vielen sich auch über das Image des Widerstands verkaufenden Musikern der heimischen Szene. Immerhin haben sich Red-Bull-Chef Didi Mateschitz und Diener der Dose wie Weltraumforscher Felix Baumgartner oder Ferdinand Wegscheider, der eher mit den Ellbogen als der Hand schreibende Chefredakteur von Servus TV, in der Vergangenheit immer wieder auf höchst problematische Weise zu Themen unserer Zeit wie der Flüchtlingsproblematik, der klugen Politik Donald Trumps oder Wladimir Putins und überhaupt den Vorzügen einer nicht ganz astreinen vordemokratischen Politik geäußert.

NEO MAGAZIN ROYALE

Das Thema "Nicht die Hand, die dich füttert" ist speziell auch in der Musik natürlich heute wieder so virulent wie zuvor vor der Einführung von Tonträgern und damit von Musikern lukrierten Gewinnen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts waren Musiker und Komponisten immer von zumeist privaten Förderern abhängig und konnten sich nur selten aufgrund ihrer künstlerischen Strahlkraft ernähren. Heutzutage, während gerade nach knapp 60, 70 Jahren wieder die Märkte zusammenbrechen, weil die Leute nicht mehr für Musik bezahlen wollen und lieber Streaming-Dienste oder Youtube hören, kommt ein scheinbarer Mäzen wie Red Bull gerade recht zur Unterstützung der Geldbörse. Dass man damit sein eigenes symbolisches Kapital zugunsten einer banalen Handelsmarke hergibt, steht auf einem anderen Blatt.

Kein beteiligter Musiker will sich dazu äußern (no na, es gibt ja Verträge). Und Red Bull wie Servus TV lassen nach mehrstündiger Nachdenkpause offiziell verlautbaren, dass es – Überraschung! – zum Thema offiziell keine Verlautbarung geben wird. Vielleicht sollte Didi Mateschitz statt wenige problematische Interviews einfach gar keine geben und Felix Baumgartner sich ein schönes Plätzchen in einer von ihm so geliebten Diktatur in der Dritten Welt suchen. Dann könnten wir wieder ganz ohne Scham der Dose dienen und die Gesellschaft besser machen, indem wir für sie rocken. (Christian Schachinger, 9.5.2018)