Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten vor der früheren US-Botschaft in Teheran verbrennen amerikanische Flaggen. Die Wut – und die Schadenfreude bei den Hardlinern – wegen Trumps Ausstiegs aus dem Atomdeal ist groß.

Foto: AP / Vahid Salemi

Die Reaktionen von Nonproliferationsaktivisten – Leuten, die gegen die Verbreitung von Atomwaffentechnologie kämpfen – fielen genauso einhellig wie vorhersehbar aus. "Eine politische Entscheidung, die der nuklearen Nichtverbreitung und den nationalen Sicherheitsinteressen der USA mehr entgegenläuft, ist kaum vorstellbar", kommentierte etwa William C. Potter vom James Martin Center for Nonproliferation Studies in Monterey (Kalifornien) den Rückzug der USA aus dem iranischen Atomdeal. Manche Experten – wie Joshua H. Pollack in einem Artikel im "Bulletin of the Atomic Scientists" – neigen dazu, US-Präsident Donald Trump überhaupt das Verständnis für die komplexe Materie abzusprechen. Dafür gibt es in der Tat gute Gründe. Die Diagnose trägt zum Verständnis der jetzigen Situation aber wenig bei.

Ein funktionierender Deal

Trump und jene Männer in seiner Entourage, die den Atomdeal beendet sehen möchten, sind davon überzeugt, dass nur Demonstrationen der Stärke und glaubhafte Drohungen das geeignete Mittel sind, den Iran einzudämmen. Da hat es keinen Wert, dass – wie Sicherheitsexperten durch die Bank betonen – das Atomabkommen "funktioniert", weil es den Iran auf Jahre von der atomaren Breakout-Schwelle entfernt hält. 2015, als der Deal abgeschlossen wurde, hatte das Assad-Regime auch noch nicht den Krieg gewonnen: Erst dadurch ist ja die iranische Präsenz in Syrien, um die es eigentlich geht – nicht um Atomwaffen -, eine anhaltende Realität.

Dafür, wie gefährlich Kompromisse sind, wird in diesem Diskurs immer wieder das Münchner Abkommen mit Hitler angeführt. Der Vergleich ist etwas kreativ: Deutschland musste 1938 natürlich nicht, wie der Iran beim Atomabkommen 2015, selbst harte Abstriche machen. Gemeint ist: Appeasement ist gefährlich, mit manchen Kräften kann man keine Kompromisse schließen, wenn man ihnen einen Finger reicht, nehmen sie die ganze Hand. Auch die Sowjetunion wurde demnach nur durch den von den USA aufgezwungenen Rüstungswettlauf in die Knie gezwungen.

Auch dass Kim Jong-un nun reden will, wird auf der Habenseite dieser Logik verbucht. Dass die Unberechenbarkeit eines Präsidenten wie Trump bei den Gegnern der USA etwas bewirkt, kann nicht völlig verworfen werden. Ihm hätte etwa ein Saddam Hussein sowohl 1991 als auch 2003 geglaubt, dass er es ernst meint.

"Shock and awe"

Aber gerade der Irak ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Logik der Stärke eben auch nicht berechnete Ergebnisse erzielt. Damals hieß das "shock and awe". Die Iran-Falken von heute – Paradebeispiel John Bolton, Nationaler Sicherheitsberater Trumps – sind die Irakkrieg-Cheerleader von 2003. Und dieser Krieg von Präsident Bush junior hat genau das bewirkt, was Bush senior 1991 vermeiden wollte, weshalb er damals Saddam nicht stürzte: Die wichtigste Konsequenz des Sturzes des irakischen Regimes 2003 war der Aufstieg des Iran – und in der Folge die sunnitische jihadistische Reaktion mit Ausformungen wie dem "Islamischen Staat".

Auch 2003 hatten die Befürworter abseits der falschen Behauptungen über die Massenvernichtungswaffen logische Gründe für ihre Politik. Funktioniert hat sie nicht. Außer man will so zynisch sein, als Erfolg zu sehen, dass der zerstörte Irak auf absehbare Zeit kein regionaler Akteur sein wird.

Wie Kim die Sache rezipiert, ob ihn das Iran-Beispiel ängstlich oder stur macht – ob er seine Atomwaffen hergeben wird -, weiß man natürlich nicht. Im Fall Nordkoreas fällt immerhin der beim Iran kritische Israel-Faktor weg. Und der nordkoreanische Machthaber hat auch noch einen Garanten im Rücken, China. (Gudrun Harrer, 10.5.2018)