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Die PUST-Universität (im Bild ihr Stiegenhaus) soll junge Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner westliche Technologien näherbringen. Am geistigen Gleichschritt hat sie allerdings bisher nur wenig geändert.

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Unterricht an der PUST-Universität. Das Foto entstammt einem Handout, das die Agentur Reuters weiterverbreitete.

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Die Bildungseinrichtung wird von evangelikalen Christen betrieben.

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Ihr Gründer "James" Kim Chin-kyung hatte zuvor schon in China eine ähnliche Uni errichtet. 1998 saß er für 40 Tage in Nordkorea in Haft.

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Pjöngjang/Wien – Kaum ein Staat ist so religionsfeindlich wir das atheistische Nordkorea. Dennoch könnte das künftige Führungspersonal des kommunistischen Landes einen christlichen Hintergrund haben. Denn seit mittlerweile acht Jahren werden die künftigen Kader in Pjöngjangs erster und einziger christlicher Universität ausgebildet. Sie hat dafür den offiziellen Segen des Kim-Clans, der sich davon ausländisches Wissen erwartet. In der kurzen Zeit, die es sie gibt, stand die Uni trotzdem schon mehrfach im Zentrum von Spionageskandalen – von echten, und von solchen, die Nordkoreas Regierung zu solchen machen wollte.

Dabei ist es vermutlich nicht der erste Arbeitsplatz, der jungen Pädagogen in den Sinn kommt: christlicher Entwicklungshelfer an einer evangelikalen Schule in Nordkorea, das Ausdrücke von Religiosität heftig bekämpft und Missionare gewöhnlich verfolgt. Und trotzdem gedeiht die Pyongyang University of Science and Technology (PUST). Das liegt auch daran, dass sie von außen munter finanziert wird. Wie sich genau die Spenden für das christlich-missionarische Projekt im Kommunistenstaat zusammensetzen, liegt allerdings im Dunkeln.

Dass dort ausgerechnet evangelikale Christen die Kinder der kommunistischen Kader unterrichten, hat im nordkoreanischen Sicherheitsapparat jedenfalls immer wieder für Nervosität gesorgt. Zwei der am Mittwoch freigelassenen US-Amerikaner arbeiteten auch für die PUST. Kim Hak-song und Kim Sang-duk waren vor einem Jahr dort unter Spionageverdacht festgenommen worden.

Die Journalistin und Autorin Suki Kim schlich sich 2011 als Lehrerin in die evangelikale PUST-Universität in Pjöngjang ein. Ihre Erfahrungen veröffentlichte sie in einem Buch. Über ihr Dilemma, dafür Vertrauen gebrochen zu haben, sprach sie in vielen Vorträgen.
TED

Und trotzdem: Seit der Eröffnung im Oktober 2010 haben jedes Jahr mehrere Hundert Studentinnen und Studenten an der englischsprachigen Uni Kurse in verschiedenen technischen Fächern belegt. Landwirtschaft und Finanzmanagement lernen die Studenten dort, aber auch IT-Wissenschaften.

Jede Internetseite einzeln freischalten

Letzteres ist zwar etwas eingeschränkt, weil etwa im Computerraum jeder Aufruf einer Internetseite von einer Wachperson einzeln genehmigt werden muss – aber doch ist der Horizont für die künftige Elite das Landes dort wesentlich weiter als an anderen Bildungseinrichtungen in Nordkorea. Ziel ist klar, das künftige Führungspersonal des Landes auszubilden. Dabei soll vor allem das multinationale, aber ausschließlich christliche Lehrpersonal helfen. Dieses stammte bis vor kurzem meist aus den USA. Seitdem die US-Regierung ihren Bürgern im Jahr 2017 Reisen nach Nordkorea untersagt hat, kommt es nun meist aus Südkorea oder China.

Auch die BBC lud Nordkoreas Regierung zu einem – streng kontrollierten – Besuch an der PUST-Uni ein.
BBC News

Wie genau es zur Gründung des eigenartigen Gebildes im atheistischen Staat überhaupt kommen konnte, ist Stoff für Legenden, auch weil es weder von nordkoreanischer Seite noch von den Betreibern der Uni wirklich schlüssige Erklärungen dafür gibt. Beide Seiten betonen jedenfalls, Pjöngjang habe bereits im Jahr 2002 den US-koreanischen Unternehmer und Professor Kim Chin-kyung eingeladen, die Bildungseinrichtung aufzubauen – was wiederum umso mehr überrascht, weil Kim, der auch als James Kim firmiert, im Jahr 1998 noch für 40 Tage in nordkoreanischer Haft gesessen hatte.

Peking hilft dem Christen

Damals hatte das Regime auch ihn wegen Spionageverdachts festgenommen, weil er in Pjöngjang versucht hatte, Kontakte zur Gründung seiner Bildungseinrichtung zu knüpfen. Erst eine Intervention Chinas soll es gewesen sein, die Kim wieder in Freiheit brachte. Peking kannte Kim bereits, denn im chinesischen Yanbian hatte der umtriebige evangelikale Christ schon ein Jahrzehnt zuvor eine ähnliche Universität ins Leben gerufen.

Seine Motivation liegt nach eigener Aussage im Koreakrieg. An diesem hatte er illegalerweise als 17-Jähriger teilgenommen, nachdem er anstatt mit Tinte mit seinem eigenen Blut einen Sonderantrag an Südkoreas Regierung verfasst hatte. Dafür, dass er als einer von 17 seines 800 Mann starken Bataillons überlebt hat, sei er so dankbar gewesen, dass er sein folgendes Leben der Hilfe für die Bevölkerung der ehemaligen Feinde stellen wollte, heißt es in seiner offiziellen Biografie.

Wissen mit Unsicherheit bezahlt

Ob diese Geschichte nun die reine Wahrheit abbildet oder geschickt konstruierte Erklärung für andere Hintergründe ist, bleibt wie so vieles an der ungewöhnlichen Uni im Dunkeln. Auch die Gründe Pjöngjangs dafür, den Aufbau einer christlich-fundamentalistischen und amerikanischen Einrichtung im eigenen Land nicht nur zuzulassen, sondern sogar zu fördern, sind nicht ganz klar.

Vermutlich geht es Pjöngjang aber schlicht um den Zugang einer künftigen Elite zu ausländischem Wissen über Finanzen und Internet – im sonst hermetisch abgeriegelten und unter Sanktionsdruck stehenden Staat kein geringer Wert.

Eine echte "Spionin" und viele falsche

Ganz reibungslos verlief die Geschichte der Uni jedenfalls nicht. Schon 2011 geschah, was irgendwann geschehen musste: Eine amerikanische Journalistin schlich sich in die Einrichtung ein und hielt ihre Erfahrungen später in einem Buch fest. Das Werk "Without You, There Is No Us" von Suki Kim bescherte der Uni zweifellos nicht jene Art der Aufmerksamkeit, die sie gerne bekommen hätte. Das flott geschriebene Buch, das die Erfahrungen Kims an der Uni mit einem Crashkurs in koreanischer Geschichte und der Familienhistorie der Autorin vermengt, deckt zwar wenige Geheimnisse auf. Dass Kim sich allerdings ausreichend tarnen konnte, um durch die Kontrollen von Uni und Staat zu rutschen, musste dennoch für beide Seiten peinlich sein.

Kim selbst sprach nach Veröffentlichung des Buches von einem moralischen Dilemma. Sie wolle gewiss weder die Uni noch andere Lehrerinnen und Lehrer oder Schülerinnen und Schüler gefährden, doch halte sie den Erkenntnisgewinn durch ihr Buch für hoch genug, um den Vertrauensbruch, der durch die Veröffentlichung entstehe, zu rechtfertigen.

Ob "Without You, There Is No Us" etwas mit den späteren Verhaftungen Kim Hak-songs und Kim Sang-duks zu tun hat, ist nicht erwiesen. Klar ist allerdings, dass sowohl die Universität als auch der Staat Nordkorea sich trotz allen Misstrauens bisher stets entschlossen haben, mit dem Projekt weiterzumachen. (Manuel Escher, 11.5.2018)