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Netta Barzilai und ein Lied als Statement.

Foto: reuters/pedro nunes

Den in aller Welt beliebten Vogerltanz dürften Erwachsene ohne Neigung zu Urlaubs-Club-Animation immerhin noch vom Kinderfasching kennen. Das 1957 von einem Schweizer Musiklehrer erdachte Stück mit seinen mehr als 300 Bearbeitungen ist ein Baustein am Erfolg der diesjährigen Song-Contest-Gewinnerin Netta Barzilai.

Wenn Menschen gackern und dazu wie Matthias Strolz ihre Flügel heben, fällt das auf. Wenn man wie Barzilai außerdem noch eine lustige Frisur wie die Anime-Figur Sailor Moon trägt und ein paar Kilo mehr auf die Waage bringt, wodurch alle übrigen ESC-Sportskameraden wie Klone von Helene Fischer und Florian Silbereisen wirken, fällt das noch viel mehr auf.

So richtig auffällig wird es aber, wenn man schließlich das dominierende gesellschaftspolitische Thema des vergangenen Jahres aufgreift und es damit auf einen Start-Ziel-Sieg anlegt: In ihrem Song Toy, mit dem Netta Barzilai die ESC-Trophäe zum vierten Mal nach Israel holte, behandelt die 25-Jährige die MeToo-Debatte.

Zu einem stampfenden arabesken Disco-Beat aus den Synthesizern des ESC-erfahrenen Komponisten Doron Medalie liefert Netta im Refrain einfach verständlichen Grundschul-Feminismus: "I'm not your toy / you stupid boy". Geschrieben hat das zwar ein Mann (Text: Stav Beger), an der Eigenwilligkeit Netta Barzilais soll dennoch kein Zweifel bestehen.

DJane und Kinderbetreuerin

In Hod haScharon bei Tel Aviv geboren, schlug sie nach einem Studium der elektronischen Musik die Künstlerkarriere ein. Als DJ werkt Barzilai gern mit der Loop-Maschine, als Sängerin trat sie bei Hochzeitsfeiern und in Bars auf, Brotjobs als Kellnerin und Kinderbetreuerin mussten auch sein. Bevor über die israelische Talenteshow Rising Star der Anlauf zum ESC-Triumph genommen wurde, hatte die kernige Frohnatur auch in Theater und Musical ihr Glück versucht.

Leute, die Barzilai noch in der Schule gehänselt hätten, würden ihr nunmehr zum Erfolg gratulieren, heißt es. Der Song Toy, meint die Sängerin, sei auf ihre Persönlichkeit zugeschnitten: "Er drückt weibliche Stärke aus, und ich bin superstolz darauf, ihn singen zu dürfen, denn ich weiß, wie viele Frauen sich unter Druck gesetzt fühlen, so zu sein, wie es die Gesellschaft vorschreibt." Es gehe darum, sich selbst "so anzunehmen, wie man aussieht und wie man denkt". Als Barzilai die Trophäe in Lissabon überreicht wurde, quietschte sie vor Freude: "Danke", sagte sie, "dass ihr euch für die Andersartigkeit entschieden habt." (Stefan Weiss, 13.5.2018)