Man muss Christian Lindner nicht unbedingt sympathisch finden. Zu selbstbewusst, zu glatt, zu ichbezogen scheint der FDP-Chef vielen in Deutschland zu sein. Aber er ist unbestreitbar ein großes politisches Talent. Seine Reden im Bundestag zählen zu den besten – und dass die FDP nach Jahren der Absenz (2013 bis 2017) nun überhaupt wieder dort vertreten ist, verdankt sie Lindner. Fast im Alleingang hat er sie nach der Westerwelle-Ära in einer mühsamen Ochsentour zurückgeführt.

Und Lindner ist ein Medienprofi. Er weiß genau um die Wirkung seiner Sätze. Sage keiner, der Mann habe bloß ein bisserl was erzählt, als er davon sprach, dass die Leute möglicherweise Angst hätten, wenn einer beim Bäcker "mit gebrochenem Deutsch ein Brötchen" bestellt – weil man ja nie wissen könne, ob es sich um einen hochqualifizierten Inder handle oder ob es ein "sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer" sei.

Zwei Arten von Ausländern

Natürlich war es alles nicht so gemeint, eh klar. Aber es bleibt allerlei hängen – beispielsweise, dass Lindner offenbar zwei Arten von Ausländern kennt: volkswirtschaftlich nützliche und weniger "produktive", die man gern lieber wieder loswerden möchte.

Selbstverständlich suggeriert das Gerede noch etwas ganz anderes: dass man nicht einmal mehr beim Bäcker, wo sich täglich Millionen von Frauen und Männern aufhalten, sicher sein könne, weil von Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen, Gefahr ausginge. Blöderweise könne man ihnen von außen ja nicht ansehen, ob sie sich in ihrem Sprachkurs, Teil I, und auch sonst bei der Integration sehr bemühten oder ob sie Bomben legen wollten.

Das ist übrigens auch bei Deutschen schwer möglich. Man glaubt ja nicht, wie viele "Einheimische" auch kein korrektes Deutsch sprechen oder anders als der Durchschnitt aussehen. Um deren "Rechtschaffenheit" ist Lindner aber weniger besorgt.

Semmeln der AfD

Mag schon sein, dass Lindner im Herbst die FDP wieder in den bayerischen Landtag treiben und dabei die AfD, die dort auch hineinmöchte, ausbremsen will. Aber wer sich liberal nennt, aber die Semmeln der AfD bäckt, der darf sich nicht wundern, wenn ihm das dann vorgeworfen wird.

Vielleicht denkt Lindner ja noch einmal nach und kommt drauf: Man kann für rechtlich gedeckte Abschiebung eintreten, muss aber dabei nicht die Rechtschaffenheit aller Ausländer mit Deutschproblemen in Zweifel ziehen. (Birgit Baumann, 14.5.2018)