Warten auf das abendliche Fastenbrechen vor einem Lokal in Wien. Nach Sonnenuntergang und bis es morgens wieder dämmert, ist Muslimen im Ramadan das Trinken und Essen erlaubt. Oft wird dann gefeiert.

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Wien – Die Anforderungen, die der Ramadan an gläubige Muslime stellt, sind nicht eben gering. Vier Wochen lang – heuer beginnend mit morgen, Mittwoch – dürfen sie tagsüber weder Essen noch Trinken, auch Rauchen und Sex ist ihnen dann untersagt. Die Mahlzeiten finden stattdessen nachts statt, in der sogenannten Iftar-Zeit. Das tägliche Fastenbrechen ist vielfach ein soziales Ereignis, ja ein Fest.

Konkret erstreckt sich die tägliche Enthaltsamkeitspflicht im Ramadan, der jedes Jahr um elf Tage früher beginnt, von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang. Wann genau das ist, regeln eigene, von Ort zu Ort unterschiedliche Ramadan-Kalender auf die Minute.

17 Stunden ohne Essen und Trinken

In Wien etwa beginnt das Fasten diesen Mittwoch um 3:24 Uhr und endet um 20:28 Uhr: 17 Stunden ohne Wasser- und Kalorienzufuhr. Da die Tage derzeit länger werden, verlängert sich auch die Fastenzeitspanne bis 14. Juni, den letzten Tag des Ramadan, um eine weitere Stunde.

In Verbindung mit besonderem religiösen Eifer können diese Rahmenbedingungen zu Problemen führen. Etwa bei Zorah (Name geändert), einer 22-jährigen Afghanin, die in Österreich Asyl hat. An das Fastengebot hält sich die kleingewachsene, sehr schlanke Frau absolut. So sehr, dass sie 2017 in der dritten Ramadanwoche zusammenbrach und völlig dehydriert ins Spital eingeliefert wurde.

Prügel wegen einem Eistee

Derlei Fälle gelte es durch Aufklärung zu verhindern, sagt Carla Amina Baghajati, Frauenreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Das Fasten müsse unterbrochen werden, bevor Gesundheitsgefahren drohten, das lasse sich aus der entsprechenden Stelle im Koran ableiten, die Kinder, Kranke und Reisende von der Pflicht ausnehme. "Wir appellieren an Autonomie und Selbstbestimmung der Fastenden", sagt Baghajati.

Auch für Muslime, die sich gegen das Fasten entscheiden, kann der Monat zur Herausforderung werden. So etwa bei Reza, einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan. In seinem Heimatland habe er keine andere Wahl gehabt, hier in Österreich will er das Fasten bleiben lassen. Als er letztes Jahr während der Fastenzeit auf der Donauinsel einen Eistee trank, wurde er aber von anderen Jugendlichen angegriffen und geschlagen. Er habe gefälligst zu fasten, was er mache, sei "haram", also verboten.

In der Türkei seien derlei Angriffe inzwischen verbreitet, "etwa in den Mensen von Universitäten", sagt der Integrationsexperte Kenan Güngör. In anderen muslimisch dominierten Ländern werden Verstöße gegen das Fastengebot bestraft.

Pragmatischer Ramadan

Laut Baghajati fasten in Österreich zu Ramadan "rund 80 Prozent" der etwa 700.000 Muslime. "Der Prozentsatz liegt etwas niedriger, bei rund 60 Prozent", widerspricht Güngör. Fakt aber sei, so Güngör, "dass der Ramadan in Österreich auch von weniger religiösen Muslimen begangen wird. Der Islam ist eine orthopraktische, also auf Lebensregeln- und -rituale ausgerichtete Religion, die man nach Außen hin einhält". Viele Muslime hätten dabei pragmatische Zugänge entwickelt: "Etwa, indem sie nur zwei Wochen lang oder nur am Wochenende fasten. So wie es in ihren Alltag passt."

Reza will es auch dieses Jahr bleiben lassen. Nermin Ismail, Journalistin aus Wien, freut sich hingegen schon auf die Fastenzeit, in der für sie Familie und Freunde Vorrang haben. Die Einladungen zu Freunden und Verwandten machen den Ramadan – der zu den fünf Säulen des Islam gehört – für sie aus. "Man befindet sich auf einer kulinarischen Reise. Heute arabisch, morgen asiatisch – je nachdem, wer einlädt."

Zeit, um an sich selbst zu arbeiten

Man könne den Monat nicht auf den Verzicht von Essen und Trinken reduzieren, sagt Ismail. Viele würden die Zeit nützen, um an sich selbst zu arbeiten. "Man lebt in dieser Zeit bewusster." Ismail will dieses Jahr beispielsweise zusätzlich auf Facebook und Instagram verzichten. "Mal sehen, ob ich das schaffe." (Irene Brickner, Lara Hagen, 15.5.2018)