Ein Aufenthaltsraum im Polizeianhaltezentrum Wien-Hernals.

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Wien – Als Anfang des Jahres die Asylzahlen 2017 präsentiert wurden, gab es für das Bundesministerium für Inneres – in Form von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und dem Leiter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Wolfgang Taucher – mehrere positive Entwicklungen: weniger Asylanträge, mehr abgearbeitete Verfahren sowie einen Anstieg bei den Abschiebungen und jenen, die sich in Schubhaft befinden.

Hungerstreiks und Suizidversuche

Das Plus fällt hier besonders deutlich aus: Gegenüber 2016 gab es um 90 Prozent mehr Schubhäftlinge in Österreich. Die Bedingungen dort sind – wie ein Lokalaugenschein von Ö1 im größten Anhaltezentrum des Landes, am Hernalser Gürtel in Wien, zeigt – sowohl für Beamten als auch für Häftlinge belastend.

Letztere berichten beim Besuch des Journalisten von Hungerstreiks, Selbstverletzungen und Selbstmordversuchen. Schubhaft ist keine Strafhaft oder eine richterlich verordnete Haft, sondern wird von der Verwaltungsbehörde per Bescheid ausgesprochen und durchgesetzt. Tatsächlich haben nur wenige Schubhäftlinge eine Straftat begangen, in Hernals seien es etwa zehn Prozent.

Wie Beamten damit umgehen

Viele Häftlinge können ihren Aufenthalt in Schubhaft deswegen nicht nachvollziehen, vor allem die Dauer mache einigen zu schaffen. Ein Insasse berichtet, dass er seit sieben Monaten im Zentrum sei. Seit der letzten Gesetzesänderung kann Schubhaft bis zu 18 Monaten dauern. "Eine Schubhaft hat einen reinen Sicherungscharakter. Jemand ist illegal im Land, reist nicht selbstständig aus. Die Ultima Ratio ist die Schubhaft, und dann ist es natürlich sehr schwer, demjenigen einen Sinn hier zu geben", sagt der Leiter des Polizeianhaltezentrums Wien-Hernals. Menschenrechtsexperten kritisieren die lange Dauer, laut der NGO Asylkoordination läge ein akzeptabler Wert bei zwei bis vier Tagen.

Auch für die Beamten ist die Lage im Anhaltezentrum Hernals vor dem Hintergrund vieler verzweifelter Häftlinge nicht einfach. Wer sich selbst verletzt oder nichts mehr isst, muss zu einem Arzt oder Psychiater, der über die weitere Vorgangsweise entscheidet. Die Strategie im Umgang mit Hungerstreikenden wurde insofern geändert, als dass man die Insassen nun nicht mehr isoliert behandelt, sondern in der Gruppe.

Arbeitsgruppe mit Empfehlungen

Ende letzten Jahres lieferte eine Arbeitsgruppe bereits Empfehlungen, wie man suizidgefährdete Schubhäftlinge betreuen sollte. Dringend empfohlen wird die laufende Schulung und Sensibilisierung der Beamten. Bisher, so erzählten Mitglieder der Arbeitsgruppe vor wenigen Wochen, lasse das Bewusstsein darüber in Polizeikreisen häufig zu wünschen übrig. Gerade die Schubhaftzentren seien "psychiatrisch stark unterversorgt" – eine Einschätzung, die die Volksanwaltschaft zuletzt nicht teilte. (lhag, 17.5.2018)