Das ganze Denken dreht sich nur darum, wo das nächste WC ist, erzählen Patienten mit CED.

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Immer wissen, wo das nächste WC ist, sich höchstens wenige Meter davon entfernen, weil man ständig Durchfall hat und 50-mal pro Tag aufs Klo muss, oder gleich gar nicht mehr aus dem Haus gehen und sich daheim einsperren – Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sind in ihrem Alltag stark eingeschränkt.

Die Krankheit ist genetisch bedingt, erklärt Harald Vogelsang, Leiter der CED-Ambulanz am Wiener AKH, "irgendwann im Laufe des Lebens treten die Symptome plötzlich auf. Dazu gehören Bauchschmerzen, Durchfall, Augenentzündungen, Hautreizungen, Gelenkschmerzen, Fieber oder Fisteln." Bei der Diagnosestellung sind die Patienten meist sehr jung – zwischen 18 und 45 Jahre alt. Insgesamt ist in Österreich knapp ein Prozent der Bevölkerung von CED betroffen, also zwischen 60.000 und 80.000 Menschen. "Bei weitem nicht alle von ihnen sind auch diagnostiziert", sagt Vogelsang.

Dabei ist die Früherkennung besonders wichtig. Denn wenn nicht rechtzeitig behandelt wird, müssen Patienten meist operiert und Teile des Darms entfernt werden, Medikamente wirken zu diesem Zeitpunkt oft nicht mehr. "Im Frühstadium können wir einen ganz anderen Verlauf der Erkrankung generieren. Es gibt viele sehr wirksame Therapien und in den nächsten Jahren werden es noch mehr. Wissenschaftlich tut sich hier sehr viel", sagt Vogelsang.

Fehlende Orientierung

Er weiß aus der Praxis, dass die Angst bei den Betroffenen oft sehr groß ist: "Sie fragen sich, ob ihr Leben vorbei ist. Die Erkrankungen hängt über ihnen wie ein Damoklesschwert." Hinzu kommt große Scham, vor allem bei jungen Menschen, weiß auch die Vizepräsidentin und Jugendbeauftragte der Österreichischen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung, Evelyn Gross, die selbst betroffen ist. Um die Patienten im Alltag zu entlasten, hat sie den sogenannten CED-Kompass initiiert. "Wohin kann ich mich wenden? Wo bekomme ich Unterstützung? Im komplizierten österreichischen Gesundheitssystem fällt es vielen Patienten schwer, Antworten auf diese Fragen zu finden", sagt Tobias Kasa, Vorstand von CED-Nursing Austria. Der Kompass soll die fehlende Orientierung geben.

Eine Telefon-Hotline ist das Herzstück des Angebots, das durch einen Whatsapp-Kanal und weitere Angebote ergänzt wird. Zehn Stunden pro Woche, auch am Wochenende und an Feiertagen, stehen speziell für diese Krankheitsbilder ausgebildete Pflegekräfte, so genannte CED-Nurses, für die telefonische Beratung zur Verfügung. Ist die Hotline nicht besetzt, können Patienten Rückrufe anfragen.

Patientenströme leiten

"Patienten sollen sich nicht alleingelassen fühlen. Wir geben Auskünfte und Ratschläge bezüglich Themen wie Arbeit, Schule, sozialrechtliche Fragen, Verabreichung von Therapien aber auch Sexualität, Schwangerschaft, Förderungen oder Heilbehelfen. In medizinischen oder psychologischen Fragen vermitteln wir Ansprechpartner in der Nähe", so Kasa. Zusätzlich sei die Hotline eine Möglichkeit, Patientenströme zu leiten, so Kasa: "Oft reicht es aus, Betroffene zu beschwichtigen. Nicht jeder Patient muss gleich ins Spital."

Vogelsang schätzt an der Initiative die Entlastung von Ärzten: "Wir können uns dann auf unsere Kernaufgabe, also auf die medizinische Betreuung, konzentrieren." Hinzu komme, dass Patienten nachweislich eine höhere Lebensqualität haben, wenn sie über ihre Erkrankung informiert sind.

Sich mit einem Experten auszutauschen gibt Sicherheit und fördert die Therapietreue, glaubt auch Gross: "Als Patient ist es manchmal leichter, mit einem Pfleger als mit einem Arzt über ganz persönliche Dinge zu reden. Da traut man sich viel eher bestimmte Themen anzusprechen, etwa dass man den Stuhl nicht halten kann." (Bernadette Redl, 19.5.2018)