Der derzeit bestimmende Einfluss der Gewerkschaften in den Kassen dürfte beschnitten werden. Details werden aber erst am Dienstag präsentiert.

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Über Pfingsten haben die türkis-blauen Koalitionäre noch verhandelt, erste Details sind dabei schon durchgesickert, am Montag wurde dann die Einigung verkündet: Die Kassenreform stehe. Eckpunkte wollen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) heute, Dienstag, präsentieren – allerdings noch kein fertiges Gesetz, sondern eine Punktation, also eine Zusammenfassung der Einigung. Das Gesetz soll dann bis Herbst ausgearbeitet werden.

Beitrag aus der ZiB um 6 Uhr.
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Einiges ist aber bereits jetzt bekannt: Die derzeit 21 Sozialversicherungen sollen auf maximal fünf reduziert, die neun Gebietskrankenkassen für Arbeitnehmer und Pensionisten in eine "Österreichische Gesundheitskasse" fusioniert werden. Der Einfluss der Gewerkschaften in den Kassen dürfte beschnitten, die Macht der Wirtschaftsvertreter hingegen ausgebaut werden.

Hier ein detaillierter Überblick:

Kassenfusion

Aus derzeit 21 Sozialversicherungen sollen vier bis fünf werden. Dazu werden die neun Gebietskrankenkassen zu einer "Österreichischen Gesundheitskasse" (ÖGK) mit neun Landesstellen verschmolzen, die fünf noch bestehenden Betriebskassen können hineinoptieren. Auch die Sozialversicherungen für Bauern und Unternehmer werden zusammengelegt, die Beamtenversicherung soll die Eisenbahner übernehmen. Geplant sind also drei getrennte Kassen für Arbeitnehmer, öffentlichen Dienst und Selbstständige. Außerdem bleiben die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und möglicherweise auch die Unfallversicherung bestehen.

Eine Gesundheitskasse

Die "Österreichische Gesundheitskasse" wird mit gut sieben Millionen Versicherten – und 14,5 von insgesamt 18,5 Milliarden Euro Beitragseinnahmen – den Großteil der gesamten Krankenversicherung in Österreich verwalten. Laut Regierungsprogramm soll sie nach dem Jahr 2020 auch einen bundesweiten Gesamtvertrag mit der Ärztekammer schließen. Gleichzeitig sichert das Regierungsprogramm den neun Landesstellen eine gewisse Budgetautonomie und regionalen Spielraum zu. Ob das neue System in der Praxis wirklich schlanker wird, hängt also von der Umsetzung im Detail ab. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) brachte zuletzt Oberösterreich als Sitz der Bundesgesundheitskasse ins Spiel.

Umfärbung

Parallel zur Fusion der Gebietskrankenkassen plant die Koalition einen Machtwechsel in den derzeit von Gewerkschaftern dominierten Krankenkassen. Aktuell stellt die Arbeiterkammer vier Fünftel der Mitglieder in Vorstand und Generalversammlung der Länderkassen, nur in der Kontrollversammlung ist es umgekehrt. Da hat die Wirtschaftskammer die Mehrheit und überprüft als zweiter großer Beitragszahler die Verwendung der Gelder. Künftig soll es nur noch ein Gremium – den "Verwaltungsrat" – geben, wo sich Arbeiter- und Wirtschaftskammer die Mandate je zur Hälfte teilen. Damit wird der Einfluss der roten – in Tirol und Vorarlberg schwarzen – Gewerkschafter massiv reduziert, jener der schwarzen Unternehmervertreter hingegen ausgebaut. Angesichts der Stimmverhältnisse in Arbeiter- und Wirtschaftskammern könnte das in den meisten Ländern schwarz-blaue Mehrheiten ergeben.

Einsparungen

Die Regierung gibt an, durch die Kassenfusionen bis 2023 eine Milliarde Euro einsparen zu wollen. Unklar ist, wie sich diese Zahl zusammensetzt. Laut Kanzleramt ergibt sich die Einsparung teils aus dem natürlichen Abgang von Verwaltungspersonal, teils aus der "Harmonisierung" von Leistungen der Krankenkassen. Das könnte bedeuten, dass aktuell großzügigere Kassen ihre Leistungen für die Versicherten reduzieren müssen. Das Regierungsprogramm sieht dagegen eine "Beibehaltung des Leistungsniveaus" der Sozialversicherung vor. Gespartes Geld soll jedenfalls im System bleiben und etwa Anreize für Landärzte finanzieren.

AUVA

Das Schicksal der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist noch nicht gänzlich geklärt. Sie wurde ursprünglich für Arbeitsunfälle errichtet und wird aus Unternehmerbeiträgen finanziert. Weil die Regierung die Wirtschaft um 500 Millionen Euro entlasten will, fordert sie von der AUVA Einsparungen im selben Ausmaß und droht andernfalls mit ihrer Auflösung. Die AUVA hat daher vorgeschlagen, künftig keine "versicherungsfremden Leistungen" mehr zu bezahlen – beispielsweise Entgeltfortzahlung nach Krankheit oder Unfällen und die Behandlung von Freizeitunfällen in Unfallspitälern. So will sie ihre Kosten um 400 Millionen Euro senken. Bezahlen müssten das dann die Steuerzahler oder andere Sozialversicherungen. (mika, APA, 21.5.2018)