Das Hotel Kosmos wurde für Olympia 1980 in Moskau gebaut, soll aber auch während der Fußball-WM Gäste empfangen. Der Preis ist deutlich höher als sonst.

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Wladimir ist sofort Feuer und Flamme, als er hört, dass eine vierköpfige Familie während der Fußball-Weltmeisterschaft auf der Suche nach einer Unterkunft in Kasan ist. "Wir sind froh, Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen", schreibt er seinen potenziellen Kunden. Die Abholung vom Flughafen sei selbstverständlich, auch ein Ausflugsprogramm von Klosterbesuch bis zum Baden in der Wolga könne er anbieten. "Sagen Sie uns, welche Höhe der Bezahlung Ihnen zusagt, denn für uns ist es die erste Erfahrung", schließt er seinen Brief ab.

Kasan ist eine Millionenstadt an der Wolga mit einem hübschen Altstadtzentrum und der grandiosen Kul-Scharif-Moschee (eigentlich ein Neubau) im altehrwürdigen Kreml. Eine Touristenhochburg ist die Stadt aber nicht. Die Preise sind also in der Regel moderat. Eine Wohnung im Stadtzentrum können Besucher für durchschnittlich umgerechnet 30 Euro die Nacht bekommen.

Kein Genierer

Doch nicht zur Fußball-Weltmeisterschaft: Online lässt sich kaum etwas buchen. Bei den meisten Wohnungen steht: "Auf Anfrage" dahinter. Und wer anfragt, bekommt eine gepfefferte Antwort. Bis zum Zehnfachen des Normalpreises wollen die Vermieter. Auch Wladimir hat seine anfängliche Zurückhaltung in dem Briefwechsel schnell überwunden: "Wir haben den Markt auch studiert und schlagen vor, 4000 Rubel pro Person und Nacht", meint er. Bei vier Tagen käme die Familie damit auf umgerechnet stolze 900 Euro – und winkt dankend ab.

Doch Wladimir ist kein Einzelfall. Den Vogel abgeschossen hat wohl ein privater Wohnungsvermieter in der Provinzstadt Saransk, der für eine Übernachtung eine Million Rubel (umgerechnet 13.700 Euro) verlangte – wohlgemerkt, es handelte sich nicht um den Plattenbau, in dem Neu-Russe Gérard Depardieu registriert ist.

Fans trotzen Widrigkeiten

Trotz politischer Skandale und Boykottdrohungen: Die Fans wollen sich die Fußball-WM nicht entgehen lassen. Der Vizepräsident des russischen Fußballverbands, Sergej Anochin, rechnet mit einer Million Schlachtenbummler, viele davon aus dem Ausland. Das hat natürlich wie auch bei Vorgängerevents Auswirkungen auf die Preise. Experten haben einen Anstieg der Preise von etwa 70 Prozent während der WM vorausgesagt. Hotels in den elf Ausrichterstädten dürfen sich auf eine nahezu 100-prozentige Auslastung freuen.

Und auch die privaten Anbieter dürften kräftig abkassieren. Pawel, Juniorpartner einer Moskauer Immobilienfirma, die sich auf die tage- und sogar stundenweise Vermietung von Wohnungen spezialisiert hat, rät gar zum Kauf einer Moskauer Wohnung so kurz vor dem Mundial. Das sei eine super Investition. "Da kannst du innerhalb weniger Wochen richtig Rendite machen", meint er. Er selbst ist bereits dabei, die Profite für seine Firma zu maximieren. So hat er vor Monaten als erste Frühbucher die Apartments, die sein Unternehmen vermietet, noch zu günstigen Preisen gebucht hat, schnell die Buchungen wieder rückgängig gemacht.

Verwarnungen

"Es hat eine Menge Überredungskunst gekostet, die Leute davon zu überzeugen, dass es einen Systemfehler gab und die Wohnungen zu der Zeit eigentlich schon vermietet sind", beschreibt er nicht ohne Stolz sein Vorgehen. Für einige Zeit verschwanden die Apartments dann von den Buchungsmaschinen. Erst kurz vor der WM will die Firma sie wieder ins Angebot stellen – zu Höchstpreisen versteht sich.

Die russische Tourismusbehörde hat in der Vergangenheit bereits mehrfach unseriöse Anbieter verwarnt. Bei einer Überprüfung im April hat die Behörde rund 600 Hotels und Privatvermieter wegen überhöhter Preise angezählt. Insgesamt wurden sogar 1500 Ordnungsstrafen verhängt und 175 Strafanzeigen gestellt. Die Hoteliers finden allerdings jede Menge Schlupflöcher in den Maschen des Regulierungsnetzes.

In der Politik wird das Thema zudem kleingeredet. Einen globalen Preiswucher gebe es nicht, beruhigte Addrej Kupetow, Mitglied des WM-Ausschusses im Föderationsrat, dem russischen Parlamentsoberhaus. "Natürlich gibt es Ausnahmeerscheinungen, wo ein Hotelbesitzer schnell Geld machen will, aber das sind Einzelfälle, die gegen null gehen", sagte der Senator. (André Ballin aus Moskau, 22.5.2018)