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Giuseppe Conte soll Italien regieren – nur nach Rücksprache.

Foto: Angelo Carconi/ANSA via AP

Er hat eine Vorliebe für dunkle Anzüge, sein Charakter gilt als maßvoll und ausgewogen. Der 53-jährige Giuseppe Conte, der Italiens neuer Premier werden soll, stammt aus Apulien, lebt getrennt von seiner Frau, hat einen zehnjährigen Sohn und war begeisterter Hobbyfußballer – bis er sich am Meniskus verletzte. Außerdem wählte er, bevor er sich für die Fünf-Sterne-Bewegung zu interessieren begann, links. In seinem Whatsapp-Profil stand bis vor kurzem ein Satz von John F. Kennedy: "Jede Leistung beginnt mit der Entscheidung, es zu versuchen."

Sein Jusstudium schloss Conte mit Auszeichnung ab, später folgten Weiterbildungen und Lehraufträge an prestigeträchtigen Elite-Universitäten wie Yale Law School, Cambridge, Pariser Sorbonne. Im Unterschied zu seinem Vorvorgänger Matteo Renzi spricht Conte außerdem verständliches Englisch. Der Jurist hat zahlreiche Publikationen vorzuweisen, darunter eine 650 Seiten umfassende Anthologie über den Schutz der grundlegenden Freiheitsrechte. Im Moment unterrichtet Conte Privatrecht an der Universität von Florenz und an der privaten Luiss-Universität in Rom.

Allerdings gibt es Spekulationen über mögliche "Verschönerungen" seines Lebenslaufs, etwa zu seinen Angaben über eine Weiterbildung an der New York University (NYU): Wie die "New York Times" unter Berufung auf die Pressesprecherin der Universität berichtet, habe es dort nie einen Studenten oder ein Fakultätsmitglied mit dem Namen Giuseppe Conte gegeben. ie Teilnehmer von Seminaren, die nur ein oder zwei Tage dauern, würden jedoch nicht archiviert werden. Conte habe lediglich zwischen 2008 und 2014 die Erlaubnis gehabt, in der Bibliothek der Rechtswissenschaften zu forschen, so die Sprecherin.

Alte Gewissheiten sind passé

Conte ist ein lebender Beweis dafür, dass in Italien seit der Parlamentswahl vom 4. März alle alten Gewissheiten dahin sind: Bisher war es so, dass der Staatspräsident nach Wahlen und Sondierungsgesprächen eine Persönlichkeit mit der Regierungsbildung beauftragte – in der Regel den Chef der stärksten Partei. Dann beauftragte er diesen, eine Kabinettsliste und ein Regierungsprogramm zu entwerfen. Der Premier war die starke Figur in der Exekutive. Bisher.

Bei Conte läuft alles umgekehrt: Zwei Antisystemparteien schustern ein oft widersprüchliches, schwammiges und unrealistisches Programm zusammen und präsentieren dem Staatspräsidenten dann den "Koalitionsvertrag" und einen Alibipremier. Denn den Ton soll nicht Conte angeben, sondern Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio und Lega-Führer Matteo Salvini selbst.

Im Wahlkampf hatten sich die beiden ehrgeizigen Populisten noch darüber aufgeregt, dass Italien seit Mario Monti – also seit 2011 – nicht mehr von einem vom Volk gewählten Premier regiert wird; und sie schlossen aus, dass ein "Technokrat" nächster Regierungschef wird. Nun schlagen sie, weil keiner der beiden Platzhirsche nachgeben wollte, selbst einen von niemandem gewählten Technokraten vor: Conte wird also ein Premier mit beschränkter Haftung. (Dominik Straub aus Rom, 21.5.2018)