Der Zombie ist bekannt als Figur, die in ihrer Kulturgeschichte zahlreiche Transformationen durchlaufen hat. Wie alle Monster dient auch er als Projektionsfläche für menschliche Ängste. So verweist er etwa auf die Angst vor den wiederkehrenden Toten und dient nicht zuletzt als Negativfolie für uns selbst, denn, wie George Romero in seinem Klassiker Dawn of the Dead (1978) feststellen ließ: "They’re us." Der Zombie ist also seit jeher eine vielschichtige und ambivalente Figur, die immer wieder mit neuen Zuschreibungen und Bedeutungen aufgeladen wird.

Dementsprechend hat das, was man sich heute für gewöhnlich unter einem Zombie vorstellt – ein verwesender, menschenfleischfressender Untoter, der vor allem in der Masse gefährlich wird – auf den ersten Blick kaum noch Gemeinsamkeiten mit dem Ursprung der Figur. Dieser ist (vermutlich) im haitianischen Glauben, meist Vodou genannt,¹ zu suchen und zeigt komplexe Verflechtungen unterschiedlicher kultureller und religiöser Systeme auf.

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Haiti, Vodou und die vielen Varianten des Zombies

Für ein Verständnis des Zombie-Mythos ist zunächst der Kontext der haitianischen Geschichte zentral. Die ehemalige französische Kolonie Saint-Domingue, die sich auf dem Gebiet des heutigen Haiti befand, wurde durch den transatlantischen Sklavenhandel und den Anbau von Zuckerrohr zu einem der rentabelsten französischen Überseegebiete. Die auf den Zuckerrohrplantagen arbeitenden großteils aus Westafrika verschleppten Sklaven brachten die Glaubensvorstellungen ihrer Heimat mit in die neue Welt. Diese verbanden sich schließlich mit der Religion der französischen Kolonialherren, dem Katholizismus, zu einer neuen synkretistischen Religion, die heute vor allem unter dem Namen Vodou geläufig ist. In diesem Kontext vermuten die meisten Forscherinnen und Forscher die Anfänge des Zombie-Mythos.² Ganz genau kann ein solcher Anfangspunkt jedoch nicht identifiziert werden. Feststellen kann man jedoch, dass es sowohl in verschiedenen afrikanischen Religionen als auch in anderen afrokaribischen Kulturen deutliche Parallelen gibt.³

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Aber was ist nun ein Zombie im haitianischen Vodou? Aus verschiedenen historischen Quellen sowie neueren ethnographischen Studien lässt sich ableiten, dass es mehrere Varianten von Zombie-Vorstellungen im Vodou-Glauben gab und gibt. Grob lassen sich vor allem zwei Gruppen unterschieden: Zombies des Geistes (zombi astral) einerseits und Zombies des Körpers (zombi corps cadavre) andererseits.⁴ Vereinfacht könnte man sagen, dass es sich bei ersterer Vorstellung um eine körperlose Seele handelt, während letztere umgekehrt auf einen seelenlosen Körper verweist. Was aber sämtlichen verschiedenen Zombie-Konzepten im haitianischen Glauben zugrunde liegt ist die Vorstellung, dass man durch Magie einen Teil der menschlichen Seele rauben und versklaven kann.

Obwohl ethnographische Studien belegen, dass erstere Zombie-Vorstellung – also jene einer Seele ohne Körper – die weitaus verbreitetere in Haiti ist,⁵ bildet die umgekehrte Vorstellung eines Körpers ohne Seele schließlich die Basis für jenen Zombie, der Einzug in die populäre Imagination Europas und Amerikas fand. Zumindest einer  Variante der haitianischen Vorstellung nach ist ein Zombie (des Körpers) eine Person, die nach ihrer Bestattung durch Magie wiederbelebt wird und daraufhin dem Willen des Magiers unterworfen ist.⁶ Der Zombie als Körper ohne Seele hat also keinen Willen, keine Erinnerungen und kein Bewusstsein. Seine Existenz besteht lediglich darin, zur ewigen Arbeit für seinen Meister verdammt zu sein.⁷ Besonders in diesem Aspekt wird die enge Verknüpfung des haitianischen Zombie-Mythos mit der Erfahrung der Sklaverei deutlich: Der willenlose, seiner Geschichte beraubte Zombie, der auf nichts als einen zwangsarbeitenden Körper reduziert wird, kann somit als Hyperbel der Sklaverei gelesen werden.

Der Weg des Zombies in die amerikanische Horrorkultur

Insgesamt ist der Zombie also in unterschiedlichen Varianten im haitianischen Glauben belegbar – sowohl historisch als auch aktuell. Dennoch haben diese Vorstellungen, wenn auch manche mehr und manche weniger, insgesamt alle sehr wenig mit dem gemein, was wir uns heute unter einem Zombie vorstellen. Auch wenn hier keineswegs alle Stationen der Kulturgeschichte des Zombies behandelt werden können, soll doch noch kurz auf eine zentrale Transformation der Figur eingegangen werden: Jene, die durch den Weg des Zombies von Haiti ins frühe Hollywood markiert wird.

Auch hinsichtlich eines Verständnisses des frühen Hollywood-Zombies muss man sich zunächst wieder der haitianischen Geschichte zuwenden. Nachdem Haiti 1804 nach der einzigen erfolgreichen Sklavenrevolution der Geschichte Unabhängigkeit von Frankreich erlangte, wurde der Karibikstaat nach mehr als 100 turbulenten Jahren der Unabhängigkeit schließlich 1915 von den USA besetzt. Die Besatzung durch die US-Marines dauerte bis 1934 an. In jener Zeit fand sich in Reiseberichten und schließlich auch Romanen der Amerikaner immer öfter die mystische Figur des Zombies wieder. Besonders einflussreich war in dieser Hinsicht William Seabrooks Reisebericht The Magic Island (1929), der wenige Jahre später zur Vorlage des ersten abendfüllenden Zombiefilms, White Zombie (1932), wurde.

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Von Haiti nach Pennsylvania

Obwohl also im haitianischen Volksglauben die Vorstellung eines Zombies als gefangene Seele, also als immaterielle Existenzform, dominiert, war es vor allem der zombi corps cadavre, jener seelenlose, zur Arbeit verdammte Körper, der Einzug in die amerikanische Horrorkultur fand. Der Grund für den raschen Erfolg dieses Neuzugangs zum Horrorinventar ist vor allem in seiner Exotik und den Zuschreibungen, die diese evoziert, zu sehen.[8] Besonders die frühen amerikanischen Zombie-Geschichten spiegeln stark klassische rassistische Stereotype gegenüber der afrokaribischen Bevölkerung wider:[9] Der Zombie sowie Vodou allgemein werden zu Sinnbildern für die Unzivilisiertheit und den Aberglauben der sogenannten "primitiven" Bevölkerung Haitis im Gegensatz zur weißen Besatzungsmacht.[10] Der Horror des frühen Hollywood-Zombies liegt also in der Fremdheit und Andersheit, die der schwarzen Karibik zugeschrieben wurden. Es sollte noch bis 1968 dauern, bis Romero mit Night of the Living Dead die Untoten von den Plantagen Haitis ins ländliche Pennsylvania holte. Damit sollte sich das Bild des Zombies in der amerikanischen und europäischen Popkultur nachhaltig ändern. Aber das ist eine andere Geschichte. (Kathrin Trattner, 23.5.2018)

Weiterführende Literatur und Links

Fußnoten

¹ In der Wissenschaft wird die Schreibung Vodou als Bezeichnung für das Glaubenssystem der bekannteren Schreibung Voodoo vorgezogen, da letztere häufig eine negative Konnotation aufweist. Vgl. McGee, Adam, "Haitian Vodou and voodoo: Imagined religion and popular culture." Studies in Religion/Sciences Religieuses 41, Nr. 2 (2014): 231–256.

² Vgl. Rath, Gudrun, "Zombi/e/s: Zur Einleitung." in Zombies, hrsg. von Gudrun Rath, 11–19, Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2014, 1. Bielefeld: Transcript, 2014.

³ Vgl. Ackermann, Hans-W. und Jeanine Gauthier, „The Ways and Nature of the Zombi.“ The Journal of American Folklore 104, Nr. 414 (1991): 466–494.

⁴ Vgl. Ackermann und Gauthier, "The Ways and Nature of the Zombie", 474, 482.

⁵ Vgl. ebda, 485. Vgl. auch McAlister, Elizabeth, "Slaves, Cannibals, and Infected Hyper-Whites: The Race and Religion of Zombies." Anthropological Quarterly 85, Nr. 2 (2012): 457–486.

⁶ Vgl. Rath, "Zombi/e/s", 12.

⁷ Vgl. McAlister, "Slaves, Cannibals, and Infected Hyper-Whites", 469 ff

8 Vgl. Bishop, Kyle, "The Sub-Subaltern Monster: Imperialist Hegemony and the Cinematic Voodoo Zombie." The Journal of American Culture 31, Nr. 2 (2008): 144.

9 Vgl. u.a. Rath, "Zombi/e/s", Bishop, "The Sub-Subaltern Monster", McAlister, "Slaves, Cannibals, and Infected Hyper-Whites".

10 Vgl. McGee, "Haitian Vodou and voodoo".