Mit Sonden und Infrarotkameras im Bienenstock und Mikrochips am Bienenkörper will ein Biologe das Verhalten der im vergangenen Jahrzehnt stark unter Druck geratenen Honigbienen erforschen.

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Die Erforschung einzelner Bienenvölker sei zwar schon etabliert, sagt Jürgen Tautz, und in diesem Bereich hat der emeritierte Biologe und Verhaltensforscher selbst viel getan. Doch jetzt will der 69-jährige Würzburger tief in den Superorganismus Bienenstock eindringen. "Was da an sekündlichen Interaktionen zwischen, sagen wir, 50.000 Bienen passiert, dazu wissen wir sehr wenig, und das übertrifft auch unser Auffassungsvermögen."

Der Experte wird des Öfteren Bienenpapst genannt, manchmal auch scherzhaft Mr. Bien. Sein Anliegen ist groß. Vordergründig geht es dem Professor um Hilfe für die Honigbiene, aber eigentlich will er die Welt retten. "Was den Bienen hilft, hilft allen Lebewesen und am Ende uns selbst. Wir hängen da mit drin."

Deswegen baut er seit zwei Jahren nach dem Vorbild der Bienen, diesen exzellenten Teamworkern und Kommunikatoren, ein internationales Netzwerk mit vorerst 100 Bienenstöcken auf, die alle nach denselben Standards analysiert werden. Die Daten werden mit Sonden oder Infrarotkameras im Stock erfasst, aber auch am Bienenkörper mit Mikrochips, die Personalnummer und Geburtsdatum enthalten. Ausgewertet werden die Informationen an der Universität Würzburg, wo sie in Echtzeit zusammenlaufen. Schließlich sollen sie aufbereitet und Schulen, Museen oder Vereinen zur Wissensverbreitung bereitgestellt werden. Finanziert wird das Langzeitprojekt von der Audi-Umweltstiftung und der Marmeladenfabrik Schwartauer Werke.

Bienenparadies auf Mallorca

Eine erste und wichtige Station wird wohl auf Mallorca sein. Dort hat der Biologe jüngst die tausend Hektar große Öko-Finca "Es Fangar" im Osten der Insel besucht. "Hier werden alle Wünsche der Bienen erfüllt", sagt er zwischen bunten Wiesen, Obstplantagen und ausgedehnten Wäldern, dem eigentlichen Zuhause der Bienen. Das seit Millionen Jahren eingespielte System zwischen Bestäuberinsekten und Blütenpflanzen scheint hier ungestört zu funktionieren.

40 Bienenvölker leben in Es Fangar, sie werden nicht beimkert, haben durch ihren Honig genügend Energie und kommen nicht mit Pestiziden in Berührung. Das Bienenparadies kann als positive Referenz dienen für Vergleichsstandorte mit stressigeren Lebensbedingungen, Steinbrüche etwa oder Monokulturflächen. "Bienen sind sehr belastbar, und das ist auch ihr Problem", sagt Tautz: "Wir wollen sehen, wie weit sie sich vom Natursystem entfernen können."

Es ist nicht das erste Bienennetzwerk, das Tautz baut. 2004 hat der Wissenschafter den Verein Bienenforschung Würzburg gegründet und zwei Jahre später das interdisziplinäre Projekt HoneyBee Online Studies (Hobos) ins Leben gerufen, eine Internetplattform, die Schülern und Lehrern und generell allen interessierten Menschen Zugang zu Messdaten der Bienenforschung bietet. Vier große, "mit viel Aufwand" betriebene Stationen lieferten bislang diese Daten. Sie werden jetzt durch viele kleine Stationen ersetzt.

Die Besitzer des Anwesens auf Mallorca sind Freiwillige ebenso wie die Imker des Hauptpräsidiums der Münchner Polizei, diversen Stationen in Vorarlberg, rund zehn Schulen in Baden-Württemberg oder Museen in Frankfurt und Cuxhaven. Auch mit Interessenten in Ägypten und Italien ist Tautz im Gespräch. Sie sind Beispiele für die große Lobby, die Honigbienen haben, auch im Zusammenhang mit dem vieldiskutierten Bienensterben. Tautz pointiert hier: "Es gibt immer mehr Honigbienen, weil es immer mehr Imker gibt", sagt er: "Allerdings wären sie ohne deren Hilfe verloren."

Hoher Sympathiewert

Viel mehr als einen Bienenstock und einen Imker, der die richtige Erfassung und Übertragung der Daten kontrolliert, braucht es für Tautz' neues Netzwerk übrigens nicht. Viele wollten mitmachen, sagt er, und das sei vor allem den Bienen zu verdanken. "Es gibt viele schützenswerte, interessante Organismen, Regenwürmer oder Libellen, aber die Biene bringt die Menschen zusammen, sie ist das perfekte Medium." Das Insekt mit den hohen Sympathiewerten verleiht Tautz' Anliegen also mehr internationale Aufmerksamkeit. Deswegen wäre die Prognose des deutschen Biologen wohl nicht übertrieben, dass letztlich nicht der Mensch, sondern nur die Biene die Welt retten kann. (Brigitte Kramer, 24.5.2018)