Preschte mit Vorschlag vor: Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP).

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Wien – Um Gewaltverbrechen wirksamer verhindern zu können, sollen Ärzte, Sozialarbeiter, Bewährungshelfer und andere psychosoziale Berater künftig enger zusammenarbeiten. Darüber sind sich alle Experten und Ministeriumsvertreter in der von der Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), einberufenen Taskforce Strafrecht einig.

Bei der Frage, welche Wege man hin zu diesem Ziel beschreiten soll, scheiden sich jedoch die Geister. So will etwa Nikolaus Tsekas von der Bewährungshilfeorganisation Neustart im Rahmen der Taskforce "über die Schnittstellenproblematik reden", um zwischen verschiedenen Institutionen rascher Informationen über Gefahrenlagen auszutauschen, wie sie etwa 2016 vor dem Mord an einer Frau durch einen psychisch kranken Obdachlosen auf dem Wiener Brunnenmarkt bestanden.

"Heikles Thema"

Und Tsekas will "überlegen, wie man zu diesem Zweck besser mit der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht der Ärzte, Psychotherapeuten und Bewährungshelfer umgehen kann": "Ein ganz heikles Thema", wie er betont.

Besagte Verschwiegenheiten sind auch für Edtstadler ein Knackpunkt. Ihre mögliche Aufweichung sieht sie aber offenbar weniger streng: Die Melde- und Dokumentationspflichten für Ärzte sollten verschärft werden, sagte sie am Rande des ersten Treffens der rund 70 Personen umfassenden Taskforce-Arbeitsgruppe Opferschutz und Täterarbeit am Mittwoch in Wien zu Journalisten. Laut mehreren Teilnehmern an der Stunden dauernden Großveranstaltung wurde dieses Thema bei der Tagung selbst nicht angeschnitten.

Waffe nicht abgenommen

Um ihren Vorschlag zu begründen, erinnerte Edtstadler an den Mord an einer 58-jährigen Frau durch deren 65-jährigen Ehemann vergangenen November im Salzburger Pongau. Der Mann, ein Jäger, war in psychiatrischer Behandlung und hatte im Vorfeld der Tat Drohungen ausgestoßen. Die Polizei, so Edtstadler, habe das nicht gewusst und ihm die Waffe nicht rechtzeitig abnehmen können: ein Versäumnis, das man bei künftigen Fällen verhindern müsse.

Udo Jesionek, Präsident der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring und Taskforce-Mitglied, steht Edtstadlers Plänen "skeptisch" gegenüber. Ausgeweitete ärztliche Meldepflichten würden "mit dem Risiko, dass Patienten im Gespräch vorsichtiger werden", einhergehen, sagte Jesionek zum STANDARD. Pädophile Personen etwa könnten sich dann keine Hilfe mehr suchen. Erwägungen wie diese hätten 1993 zu einer Stärkung der Verschwiegenheit von Medizinern geführt.

Laut Ärztegesetz

Diese ist in Paragraf 54 des Ärztegesetzes niedergeschrieben. Die Weitergabe von Informationen über Bedrohungen Dritter durch Patienten sieht die Regelung nicht vor. Nur im Fall bereits vollzogener Taten – Mord, schwere Körperverletzung und Misshandlung von Minderjährigen – sind Ärzte dazu verpflichtet.

In der Ärztekammer zeigt man sich über die Pläne Edtstadlers, wie sie nun kolportiert werden, verwundert. Bisher habe es lediglich geheißen, Ärzten solle künftig die Möglichkeit eröffnet werden, bei anderen Stellen Informationen über Risikopatienten einzuholen, um sich ein besseres Bild zu machen. "Von zusätzlichen Pflichten war nicht die Rede", sagte ein Sprecher. (Irene Brickner, 25.5.2018)