Serena Williams kann vom Schläger nicht lassen. Nach Paris kam sie fast ohne Matchpraxis.

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Das ist eine Marke: 23 Grand-Slam-Titel hat Williams bisher gewonnen. Sieben in Melbourne, drei in Paris, sieben in Wimbledon und sechs in New York.

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Paris – Das Tennisspielen wird Serena Williams nicht mehr verlernen. Mit Wucht knallt die US-Amerikanerin einer namenlosen Sparringspartnerin den Ball um die Ohren. Die arme Frau erfüllt ihren Zweck, läuft die Grundlinie auf und ab, das bloße Zusehen fördert Wadenkrämpfe. Williams geht auf Court 4 der Anlage von Roland Garros unter den Augen ihres Trainers Patrick Mouratoglou überaus konzentriert zu Werke. Der Franzose wirft der 36-Jährigen die Bälle zu, spricht nicht viel. Vier im Netz landenden Aufschlägen folgt ein kurzer Blickkontakt, ein beidseitiges Nicken, und die auf zwei Stunden angesetzte Einheit wird vor den Augen einiger weniger Kiebitze fortgesetzt.

Williams tritt beim Grand-Slam-Turnier von Paris ohne nennenswerte Matchpraxis an. Im vergangenen September wurde sie Mutter, die Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia Ohanian jr. verlief kompliziert, ein Blutgerinnsel in der Lunge brachte die Sportlerin kurzzeitig in Lebensgefahr. Seither hat Williams auf der WTA-Tour lediglich vier Matches bestritten, bei ihrem letzten Auftritt scheiterte sie Ende März in der ersten Runde von Miami. Im Mai musste Williams ihre Teilnahmen an den Turnieren von Madrid und Rom aufgrund einer Verkühlung absagen. Nur ein Besuch der royalen Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle ließ sich einrichten. Der tiefe Fall in der Weltrangliste war die logische Konsequenz, die einstige Nummer 1 der Welt ist die heutige Nummer 453.

Protected Ranking

Trotzdem schmückt Williams das Hauptfeld der French Open. Die US-Amerikanerin profitiert von einem Protected Ranking, also einem geschützten Listenplatz. Ist ein Profi sechs Monate oder länger verletzt, kann er diese Regelung in Anspruch nehmen. Eine Schwangerschaft ist freilich keine Verletzung, wird von der International Tennis Federation aber nicht anders behandelt. Ein Kinderwunsch ist in der Tenniswelt nicht explizit vorgesehen. Das sorgt ebenso für Aufregung wie der Umstand, dass Williams in Paris nicht gesetzt wurde. "Die French Open bestrafen Serena Williams für die Geburt eines Kindes", schrieb etwa die Tageszeitung USA Today. Die Veranstalter in Frankreich halten sich im Gegensatz zu ihren Kollegen in Wimbledon strikt an die Weltrangliste, Legendenstatus hin oder her.

Mit der Mutterrolle will sich Williams nicht begnügen. Sie will Titel. Und zwar bei den Grand-Slam-Turnieren. 23 Trophäen hat die erfolgshungrige Frau bereits im Wandschrank stehen, zwei weitere sollen folgen. Dann hätte Williams jene 24 Triumphe der australischen Rekordhalterin Margaret Court überflügelt.

Einige Sieganwärterinnen

Aber ist ein derartiger Coup in Paris tatsächlich möglich? Williams bestritt ebendort vor zwei Jahren ihr letztes Match auf Sand, das ist doch schon eine Weile her. Und die Konkurrenz büselt auch nicht vor sich hin. Die Weltranglisten-Erste Simona Halep aus Rumänien beherrscht das Spiel auf der roten Asche ebenso wie die seit zwölf Spielen ungeschlagene Tschechin Petra Kvitova oder die aufstrebende Ukrainerin Jelena Switolina, die zuletzt das Turnier in Rom für sich entschied. Titelverteidigerin Jelena Ostapenko aus Lettland ist dagegen schon in Runde eins gescheitert.

Coach Mouratoglou traut seiner Spielerin trotz der widrigen Vorzeichen alles zu. Auch den vierten Triumph in Paris nach 2002, 2013 und 2015. Die Auslosung in der Orangerie des Botanischen Gartens meinte es jedenfalls gut. Die Tschechin Kristyna Pliskova, auf Rang 70 der Weltrangliste, ist am Dienstag als Auftakthürde durchaus zu nehmen. Williams könnte über die ersten Runden ins Turnier finden. Ein Vorbild gäbe es auch: Kim Clijsters kam 2009 bei den US Open als Mutter zu Grand-Slam-Ehren. Auf dem Weg zum Titel hat die Belgierin, als ungesetzte Spielerin, nicht zuletzt die Top-Favoritin Serena Williams bezwungen. (Philip Bauer aus Paris, 29.5.2018)