Lückentextaufgabe bei bei einer Deutschprüfung des Levels B1: Scheitern kann Flüchtlinge teuer kommen.

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Wien – Lückentexte grammatisch und inhaltlich korrekt ergänzen, E-Mail-Antworten verfassen, Fragen zu vorgespielten Texten beantworten oder aus Zeitungsannoncen die richtige für eine gestellte Problemlage auswählen: Diese Aufgaben und noch mehr muss absolvieren, wer eine Prüfung für Deutsch als Fremdsprache auf dem Niveau B1 absolviert.

Flüchtlinge kann ein Scheitern dabei künftig teuer kommen. In ihrem neuen Konzept zur Mindestsicherung hat die Regierung einen "Arbeitsqualifizierungsbonus" von 300 Euro eingebaut. Wer diesen erhalten und so auf die Maximalleistung von 863 Euro pro Einzelperson kommen will, muss die Pflichtschule in Österreich abgeschlossen haben oder spezielle Sprachkenntnisse nachweisen: entweder Deutsch auf Level B1 oder Englisch auf Level C1.

Wartezeit auf Deutschkurse

Wie schnell ist dies in der Regel für Asylberechtigte zu schaffen? Das hänge davon ab, ob ein Flüchtling überhaupt schreiben und lesen könne, heißt es vom Arbeitsmarktservice Wien. Die Alphabetisierung lasse sich in zwölf Wochen hinkriegen, für die folgenden Sprachkurse der Stufen A1, A2 und B1 seien jeweils 15 Wochen nötig. Wenn jemand am ersten Tag nach dem Asylbescheid starte und einen Kurs nach dem anderen erwische, gehe sich das also in knapp 60 Wochen aus. Weil aber mit Wartezeiten zu rechnen ist, sei eine Absolvierung in eineinhalb Jahren realistisch. So lange müssen Flüchtlinge folglich mit der reduzierten Leistung von 563 Euro pro Monat auskommen – in Summe ein Nachteil von 5.400 Euro.

Alexandra Weidinger-Singer hält das für die Untergrenze: Dafür müsse der Flüchtling jedenfalls schon vorher des Lesens und Schreibens mächtig gewesen sein, über Schulerfahrung verfügen und Gelegenheit haben, Deutsch im Alltag auch wirklich zu üben. Die Leiterin des Sprachinstituts Mentor setzt die Zeitspanne deshalb eher bei zwei Jahren an.

Die Englischvorgabe für die Mindestsicherung liegt noch zwei Kursstufen darüber. Diese Alternative zum Deutschgebot sei deshalb im Konzept gelandet, heißt es aus der Regierung, um gut qualifizierte Personen zu bevorzugen.

EU-Bürger: Entweder Arbeit oder Abschied

Prinzipiell gilt die Sprachvorschrift für alle Menschen ohne österreichischen Pflichtschulabschluss. De facto zielt der Passus aber auf die Asylberechtigten ab, denn für die anderen Ausländergruppen gilt noch eine andere Restriktion: Zuwanderer aus der EU und Drittstaaten soll die Mindestsicherung ausnahmslos erst nach fünf Jahren Aufenthalt gebühren.

Wovon diese Leute hierzulande stattdessen leben sollen? Jedenfalls von keinen staatlichen Leistungen, ergibt sich aus dem Konzept der Regierung. Denn schon jetzt gilt prinzipiell: Wer weder über ein Arbeitseinkommen noch über genügend Geld auf der hohen Kante verfügt, hat nach drei Monaten im Land sein Aufenthaltsrecht verwirkt und muss gehen.

Allerdings gibt es Lücken. Ein bisschen Arbeit – in Wien etwa reicht ein Monat – genügt EU-Bürgern, um nach einem Jobverlust für sechs Monate Mindestsicherung zu beziehen. Außerdem können Menschen mit geringfügigem Einkommen dieses vom ersten Tag an mit der Mindestsicherung aufstocken. Dafür reichen 5,5 Wochenstunden an Arbeit.

Genau diese Lücken wolle die Regierung nun schließen, kündigte ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger bei der Klausur an – wenn da nicht EU-Recht dagegen spricht. Der Europarechtsprofessor Franz Leidenmühler ist überzeugt, dass dem so ist, und offenbar kursieren auch im Sozialministerium Zweifel: Es werde geprüft, was machbar ist, heißt es.

Schutzberechtigte ins Heim

Noch eine Gruppe betreffen spezielle Änderungen: Subsidiär Schutzberechtigte – kein Asyl, aber Schutz vor Abschiebung auf Zeit – sind laut Regierungsplan künftig von der Mindestsicherung ausgeschlossen. Derzeit ist dies von Land zu Land unterschiedlich. Niederösterreich, Steiermark, Salzburg und das Burgenland gewähren nur die sogenannte Grundversorgung, die zwischen 320 und 365 Euro im Monat plus 150 Euro pro Jahr für Kleidung beträgt. Die restlichen Länder zahlen Mindestsicherung oder stocken mit Geld aus dieser Leistung auf.

Künftig sollen Schutzberechtigte überall nur mehr Grundversorgung bekommen. Folge für Betroffene aus bisher großzügigeren Ländern: Wer eine Wohnung hatte, kann sich diese womöglich nicht mehr leisten – und muss zurück ins Flüchtlingsheim. (Gerald John, 30.5.2018)