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Harmonie zwischen Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Premier Emmanuel Macron

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Berlin – Ungeachtet der Furcht vor einem Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise in Italien geht Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Reform der Währungsunion auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu. Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) bekräftigte sie den Willen der Bundesregierung, einen Investivhaushalt für die Euro-Zone einzuführen, der die wirtschaftliche Annäherung der Mitgliedsländer fördert. Zugleich sprach sie sich für einen Umbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds aus, der mit Hilfe von Kreditlinien Euro-Staaten in Not unter die Arme greifen könnte. Eine Absage erteilte Merkel Forderungen der EU-Kommission, dass Deutschland seinen Anteil am nächsten EU-Haushalt im Vergleich zur Wirtschaftsleistung erhöht. Auch Überlegungen in Italien über einen Schuldenerlass lehnte sie ab.

Solidarität dürfe "nie in eine Schuldenunion münden", sagte die CDU-Chefin. "Ich bin gerne bereit, mit der neuen italienischen Regierung darüber zu sprechen, wie mehr junge Menschen Arbeit finden können." Die euro-skeptische Regierung in Italien setzt sich aus der populistischen 5-Sterne-Bewegung und der rechten Lega zusammen. "Ich werde offen auf die neue italienische Regierung zugehen und mit ihr arbeiten, anstatt über ihre Absichten zu spekulieren." Vor der Regierungsbildung hatten Überlegungen von 5 Sterne und Lega für Aufregung gesorgt, die EZB um den Erlass von Schulden in Höhe von 250 Milliarden Euro zu bitten.

Einigung auf eine "Fiskalkapazität" in Aussicht

Die Ereignisse in Italien haben in Deutschland die Angst vor einer Rückkehr der Euro-Schuldenkrise aufkommen lassen und bei manchen Politikern die Skepsis gegenüber Macrons Reform-Vorschlägen erhöht. Merkel sprach sich dennoch dafür aus, dass der im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Investivhaushalt für die Länder der Euro-Zone vorangetrieben wird. Dieser werde im unteren zweistelligen Milliardenbereich liegen und schrittweise eingeführt, sagte Merkel. "Wir müssen darüber reden, wie wir solche Mittel am wirksamsten einsetzen und wie solche Ausgaben parlamentarisch kontrolliert werden." Geklärt werden müsse noch, ob dieses zusätzliche Budget innerhalb oder außerhalb des EU-Haushalts verwaltet werden solle. Ziel sei es, die Konvergenz in der Euro-Zone zu erhöhen, beispielsweise beim Thema Künstliche Intelligenz.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire zeigte sich zuversichtlich, dass mit Deutschland in diesem Monat eine Einigung auf eine "Fiskalkapazität" für die Euro-Zone erreicht werden kann. Dazu werde er vertiefte Diskussionen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz führen, um die Schwierigkeiten besser zu verstehen, die Deutschland mit dieser Idee haben könnte, sagte Le Maire am Rande des Treffens der G7-Finanzminister im kanadischen Whistler. Bis zum EU-Gipfel Ende Juni wollen Deutschland und Frankreich gemeinsame Vorschläge erarbeiten.

Merkel warb zudem für einen Umbau des ESM zu einem EWF, der über ähnliche Instrumente wie der Internationale Währungsfonds (IWF) verfügt. Dieser EWF solle zwischenstaatlich organisiert sein und die nationalen Parlamente sollten die entsprechenden Rechte haben. Sie könne sich neben den jetzt schon möglichen Rettungsprogrammen und den damit verknüpften Reformauflagen die Vergabe von Kreditlinien vorstellen, die eine Laufzeit von beispielsweise fünf Jahren haben könnten, sagte Merkel. "Damit könnten wir Ländern, die durch äußere Umstände in Schwierigkeiten geraten, unter die Arme greifen." Auch dies werde mit Auflagen verbunden. Der EWF müsse wie die EU-Kommission die volkswirtschaftliche Lage eines Mitgliedslandes beurteilen, deren Schuldentragfähigkeit bewerten und wenn nötig diese auch wiederherstellen können.

Die Kanzlerin sprach sich auch dafür aus, die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 vor der Europawahl im Mai 2019 abzuschließen. Die Forderung der EU-Kommission, dass Deutschland und die anderen Mitgliedsländer in den neuen EU-Haushalt je 1,11 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) einzahlen, lehnte sie wie Finanzminister Scholz ab. Im Koalitionsvertrag sei zwar vereinbart worden, dass die Bundesregierung bereit sei, mehr Geld Richtung Brüssel zu überweisen. "Wenn wir ein Prozent des Bruttosozialprodukts der EU-Staaten 2021 für die Union aufwenden, ist das in absoluten Zahlen mehr Geld als 2013 – denn unsere Wirtschaftsleistung ist ja deutlich höher", sagte Merkel. (Reuters, 3.6.2018)