Rennen, gehen, rennen gehen: Wer Intervalle läuft, wird schneller und verbessert seine Ausdauer, die Sehnen müssen das aushalten.

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Piep. Das bedeutet 20 Sekunden Sprinten am Anschlag. Dann piept das Handy erneut. Jetzt sind zehn Sekunden Gehen angesagt. Dann wieder 20 Sekunden Sprinten. Das wiederholt sich vier Minuten lang.

Was kurzweilig klingt, sind für jene, die das Tabata-Training absolvieren, die längsten 20 Sekunden ihres Lebens. Tabata ist eine Variante des High Intensity Interval Training (HIIT), bei dem Sportler ihren Puls auf bis zu 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz hinaufjagen. Apps unterstützen sie dabei digital.

Möglichkeiten, wie der Puls in die Höhe getrieben werden kann, gibt es viele: Sprinten, Radeln, Seilspringen – Hauptsache, es ist anstrengend. "Man sollte rennen, als ob ein Säbelzahntiger hinter einem her wäre", sagt Sportmediziner Robert Fritz von der Sportordination in Wien. Josef Niebauer, Primar des Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin am Uniklinikum in Salzburg, formuliert es ähnlich: "Wer noch reden kann, ist nicht im Intervall."

Leistung steigern

Das Ziel der Schinderei: Durch die intensiven Belastungseinheiten, die von ganz kurzen Erholungsphasen unterbrochen werden, wird nicht nur die intensive Leistungsfähigkeit verbessert, sondern auch die Grundlagenausdauer. Wer regelmäßig HIIT macht, wird nicht nur schneller, sondern hält auch länger durch. Das machen sich Profis wie Roger Federer schon lange zunutze, immer öfter nun aber auch Hobbysportler.

Gut findet Fritz, dass man sich zu HIIT aufgrund seiner überschaubaren Dauer – ein Workout inklusive Aufwärmen und Cool-Down ist nach 15 bis 20 Minuten vorbei – eher motivieren kann als zu umfangreicheren Einheiten. Allerdings gibt es einen Haken: "Wenn man es übertreibt, dann hält das kein Körper aus." Denn die Muskel- und Sehnenstruktur wird bei den Intervallen stark belastet. Bei Sprints müssen die Knie bis zum Vierfachen des Körpergewichts aushalten. "Wenn das Knie schmerzt, runter vom Gas", rät Fritz. "Die körperliche Hardware muss passen", betont auch Niebauer.

Die extremen Intervalle belasten auch das Herzkreislaufsystem stark. Das Training am Anschlag sollte nur 20 Prozent des wöchentlichen Bewegungspensums ausmachen, die anderen Einheiten sollten im niedrigen Pulsbereich stattfinden. Am Ende entscheidet laut Fritz nicht nur die körperliche Fitness darüber, wie viel Spaß HIIT macht. Auch in der DNA ist festgelegt, ob ein Mensch eher über Muskelfasern zum Sprinten oder zum Langstreckenlaufen verfügt. Optimal ist trotzdem, wenn jeder in beiden Belastungsintensitäten trainiert.

Kurbelt Zellen an

Die Intervalle kommen auch bei Menschen zum Einsatz, die von Sprinten und Langstreckenlaufen weit entfernt sind: Herzkranke trainieren nach dem Prinzip, erzählt Niebauer – wobei die Intervalle bei den Patienten aus schnellem Gehen oder zügigem Laufen bestehen. "Kontinuierliches Ausdauertraining finden viele Patienten mittlerweile zu langweilig", weiß er.

Wer regelmäßig ganz kurz ans körperliche Limit geht, könnte auch den Alterungsprozess verlangsamen. Studien belegen beispielsweise, dass sich Intervalle auf die Aktivität der Mitochondrien in den Zellen auswirken. Vieles sei aber noch nicht geklärt, schränkt Fritz ein. Klar ist: Zellen haben eine beschränkte Lebensdauer und werden vom Körper aufgespalten und verwertet. "Wenn man seinen Körper belastet, dann wird dieser Prozess beschleunigt", sagt Fritz. Ob HIIT den Alterungsprozess tatsächlich beeinflusst, kann aber auch der Grazer Physiologe Andreas Rössler nicht bestätigen: "Allerdings ist Sport allgemein der wichtigste Faktor für Successful Aging." Bei Menschen im Weltall habe man beobachtet, wie rasch Muskeln, Sehnen und Knochen bei fehlender Belastung abbauen.

Aufhalten lässt sich das Altern auch bei Sportlern nicht. Ab 30 geht es körperlich bergab. Aufgrund eines sinkenden Testosteronlevels wird es beispielsweise schwieriger, Muskeln aufzubauen oder zu halten. "Mit Sport kann man den Leistungsabfall aber zumindest einbremsen", so Rössler.

Nichts für Anfänger

"Wer sich nicht bewegt, wird schneller alt", ist Sportmediziner Fritz überzeugt – und widerspricht "der landläufigen Meinung, dass alte Menschen lieber Schach spielen sollten". Für Menschen jedes Alters gehe es darum, eine Bewegungsform zu finden, die ihnen Spaß macht.

Bei den meisten wird das nicht HIIT sein: Niebauer findet es "illusorisch", dass jemand, der sich nie viel bewegt hat, plötzlich intensive Intervalle läuft. "Es ist relativ egal, welche Art von Bewegung wir machen – Hauptsache, regelmäßig", sagt Fritz. Ob geruhsame Radtour oder Tabata. Piep. (Franziska Zoidl, 9.6.2018)