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Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz hat die Bundesregierung ihre Maßnahmen gegen den "politischen Islam" präsentiert (von links): Kultusminister Gernot Blümel, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wien – Österreich sei ein Land der Vielfalt. Man könne gleichzeitig gläubiger Muslim und stolzer Österreicher sein, man dürfe Muslime nicht unter Generalverdacht stellen. So war es zu hören von Kanzler Sebastian Kurz, Kulturminister Gernot Blümel (beide ÖVP) sowie von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl (beide FPÖ). Dann folgte das Aber, als die Regierungsmitglieder Freitagfrüh "Maßnahmen gegen den politischen Islam" präsentierten.

Die Regierung lässt die Arabische Kultusgemeinde auflösen. Als Folge werden sechs Moscheen geschlossen und bis zu 40 Imame ausgewiesen.
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"In der Vergangenheit wurden die Möglichkeiten, die das Kultusamt hat, nicht ausreichend genutzt", sagte Kurz – das soll sich ändern. Anlass für die Untersuchungen waren die Fotos von Kindern in türkischen Uniformen bei der Nachstellung einer historischen Schlacht in einer Wiener Moschee, die im April Entsetzen hervorriefen. Eine politische Affäre also. Gegen die nationalistischen Auswüchse geht die Regierung nun mit den Mitteln des Islamgesetzes vor, will bis zu 40 Imame ausweisen und sieben Moscheen schließen.

Die Pressekonferenz können Sie hier nachsehen.
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Konkret verkündete Türkis-Blau drei Maßnahmen:

Auflösung der arabischen Kultusgemeinde Das Kultusamt begründet die Auflösung der Gemeinde, die mindestens sechs Moscheen betreibt, mit einem Verstoß gegen die "positive Grundeinstellung zu Staat und Gesellschaft in Österreich", die im Islamgesetz vorgeschrieben ist (siehe Wissen). Vertreter einer Moschee hätten "salafistische Äußerungen" getätigt.

Seitens der arabischen Kultusgemeinde war am Freitag niemand erreichbar. Der ehemalige Chef der Kultusgemeinde Multikulturelle Moscheeeinrichtungen, selbst Teil der arabisch-muslimischen Community, warnt aber: "Sollte es dort solche Tendenzen geben, bekämpft man die nicht durch Auflösungen, das wird höchstens als Provokation wahrgenommen." Besser seien schärfere Kontrollen.

Ausweisung von Atib-Imamen Das Islamgesetz verbietet, dass islamischen Gelehrte in Österreich aus dem Ausland finanziert werden. Atib selbst bestätigte am Freitag, dass genau das aber geschehen ist. Von Ausweisungen "potenziell" betroffen seien nun bis zu 40 Geistliche, gegen elf wurde ein Verfahren eingeleitet, zwei erhielten bereits einen Bescheid. Dagegen können die Betroffenen noch berufen. Gleichzeitig laufe auch die Prüfung der gesamten Atib-Dachorganisation – die Regierung hatte ja im April schon eine Auflösung des Vereins in den Raum gestellt.

Ein Sprecher der Atib erklärte auf STANDARD-Anfrage, man sei nicht überrascht, da man ohnehin in engem Kontakt mit den Behörden stehe. Die Atib sei auch weiterhin kooperationsbereit. Es sei erklärtes Ziel der Organisation, seine Imame ausschließlich aus dem Inland zu finanzieren – aber "da kann es keine kurzfristigen Lösungen geben". "In den nächsten Monaten" werde daran gearbeitet.

Vertiefende Ermittlungen in diese Richtung kündigte die damalige Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) bereits Anfang Oktober an: Sie forderte die betroffenen Kultusgemeinden auf, die Finanzierung aus dem Ausland abzustellen – und drohte mit Konsequenzen. Davon will im Büro von Blümel niemand mehr etwas wissen: Mit dem aktuellen Fall habe das nichts zu tun, die Vorgängerregierung habe "nichts getan", wird auf Nachfrage ausgerichtet.

Verbot der Moschee der Grauen Wölfe Der Verein Nizam-i Alem – er soll den rechtsextremen Grauen Wölfen nahestehen – betrieb eine Moschee im zehnten Wiener Gemeindebezirk. Sie ist nun aufgelöst. Der Verein darf dort keinerlei Kulthandlungen – beten, predigen – mehr durchführen, alle anderen Vereinstätigkeiten bleiben aber erlaubt. Die Moschee sei von Anfang an illegal gewesen, weil sie nicht bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) registriert war, erklärte Blümel.

Die Opposition begrüßte die Maßnahmen der Regierung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft will erst am Samstag beraten, wie man mit der Situation umgeht.

In der Türkei führten die Maßnahmen zu heftigen Reaktionen. Ibrahim Kalin, Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan, sprach auf Twitter von einer "islamophoben, rassistischen und diskriminierenden Welle, die durch dieses Land geht". Die Zeitung Hürriyet erklärte die Aktion der Regierung zu einer "skandalösen Entscheidung", laut dem Blatt Askam habe Kanzler Kurz "sein hässliches Gesicht gezeigt". (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 8.6.2018)