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Im Abstand weniger Stunden trafen Kim Jong-un und Donald Trump in Singapur ein. Dienstagfrüh soll die Begegnung im Hotel Capella Singapore über die Bühne gehen.

Foto: AP / Hotel Capella Singapore

Als Kim Jong-un um 14.45 Uhr in Singapur seiner Air China Maschine entspringt, wird er euphorisch von Außenminister Vivian Balakrishnan begrüßt. Der 34-jährige Diktator trägt einen dunklen Mao-Anzug, eine braune Schildpattbrille und seine gewohnt markante Frisur. Vor allem aber ist ihm ein breites Grinsen ins Gesicht geschrieben. Allein dass es doch noch zum Gipfel mit US-Präsident Donald Trump kommt, ist bereits ein lang gehegter Traum von Kim. Schon sein Großvater, Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung, zielte einst darauf ab, auf Augenhöhe mit Washington zu verhandeln.

Am Dienstagmorgen treffen die zwei Staatschefs nun im Hotel Capella aufeinander. Vielleicht ist es kein Zufall, dass direkt neben dem Tagungsort ein Vergnügungspark mit atemberaubender Achterbahn steht – eine passendere Metapher für den Zickzackkurs im Vorfeld des Gipfels gibt es wohl kaum.

Stärke zeigen

Auch Trumps Eklat in Kanada dürfte nicht unbedingt die Vertrauenswürdigkeit des US-Präsidenten erhöht haben, außerdem hatte dieser erst vor wenigen Wochen auch den Iran-Deal platzen lassen. Laut Wirtschaftsberater Larry Kudlow habe Trump seine Zustimmung zur G7-Abschlusserklärung auch deshalb zurückgezogen, um im Vorfeld des Nordkorea-Gipfels ja keine Schwäche zu zeigen.

Wie auch immer: Der US-Präsident scheint seine traditionellen Alliierten wie Feinde zu behandeln, mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Kim jedoch auf einer Wellenlänge zu sein.

Vieles deutet daraufhin, dass der Gipfel in Singapur zumindest oberflächlich ein Erfolg sein wird: Trump braucht im Vorfeld der Kongresswahlen im November unbedingt Anerkennung auf dem internationalen Parkett. Dass ein historischer Deal mit dem Schurkenstaat Nordkorea auch sein überdimensionales Ego reizen würde, wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach deutlich.

Das Gesicht wahren

Auch Nordkoreas Kim hat ein starkes Interesse daran, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren. Sollte es nämlich zum Eklat kommen, würde Washington ohne Zweifel wieder in die Drohrhetorik vom vergangenen Jahr zurückfallen.

Tatsächlich könnten beide Seiten das Ende des Korea-Kriegs erklären, der seit 1953 mit einem Waffenstillstandsabkommen besiegelt wurde. Für das eigentliche Ziel der Amerikaner – die vollständige Denuklearisierung Nordkoreas – kann das Treffen in Singapur jedoch höchstens den Auftakt zu einem jahrelangen Prozess bilden.

Dass Kim aus einem anderen Holz geschnitzt ist als seine Vorgänger, hat er bereits bewiesen. Gegenüber seiner Elite gilt er zwar als äußerst brutal – schließlich ließ er sowohl seinen Onkel Jang Seong-thaek als auch seinen Halbbruder Kim Jong-nam hinrichten bzw. töten. Jedoch hat er das Land wirtschaftlich in Ansätzen geöffnet, die marktwirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb des Volkes zunächst toleriert und schlussendlich gefördert. Unter seiner Ägide soll sich die Anzahl an politischen Häftlingen zudem auf rund 100.000 halbiert haben.

In der Öffentlichkeit humorvoll und handzahm

Vor allem in der Öffentlichkeit gibt sich der Despot handzahm: Beim ersten innerkoreanischen Gipfeltreffen mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in am 27. April wusste er mit Humor die Wahrnehmung über das Regime zu ändern.

Dennoch ist klar, dass es bei einem der gefährlichsten Konflikte weltweit nicht auf symbolische PR-Gesten ankommt. Kritiker bezweifeln schon jetzt, dass der Gipfel in Singapur mehr als nur ein bloßer Fototermin sein wird: Kim Jong-uns Flugzeug soll laut Nachrichtenagentur Reuters bereits fünf Stunden nach dem anberaumten Handschlag mit Trump schon wieder nach Pjöngjang abfliegen. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 10.6.2018)


DER STANDARD