Die Schauspielerin Lea Seydoux und Roger Waters von Pink Floyd brachten den Pokal auf den Chatrier.

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Am Ende durfte ihn Rafael Nadal in Händen halten.

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Zum elften Mal.

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Paris – Das war vielleicht ein Auftritt. Noch ehe Rafael Nadal und Dominic Thiem in Paris die Arena betraten, fand die Trophäe ihren Weg auf den Court Philippe Chatrier. Aber nicht irgendwie, sondern mit Stil. Die 14 Kilogramm schwere Coupe des Mousquetaires wurde in einem bestimmt sündteuren Koffer von Louis Vuitton angeschleppt. Schauspielerin Léa Seydoux ("Inglourious Basterds") präsentierte den Zusehern den Heiligen Gral der Sandplatzwühler. Applaus, Applaus!

Ja, so ein Finale bei einem Grand-Slam-Turnier ist ein Spektakel. Das ist bei den French Open nicht anders. Spätestens als die Escadrille des Cigognes, eine berühmte aeronautische Einheit der Armee, die französischen Nationalfarben in den Himmel zeichnete, musste auch dem Laien klar werden, dass es an diesem leicht bewölkten Sonntagnachmittag um die Wurst ging. Eine Wurst, die diesen Nadal noch immer ganz, ganz scharf macht. Und das obwohl der Nimmersatt das Turnier bereits zehn Mal gewonnen hatte. Er kriegt einfach nicht genug.

Harte Gegenwehr in Satz eins

Dementsprechend startete der 32-jährige Mallorquiner auch in die Partie, als wolle er seinen 24-jährigen Herausforderer mit Haut und Haaren fressen. Als wolle er ihm in seinem Wohnzimmer von Beginn weg den Herren zeigen. "Machtwechsel?", hatte die Turnierzeitung Le Quotiden am Spieltag gefragt. Papperlapp, dachte Nadal und legte los wie die Feuerwehr. Thiem verlor gleich sein erstes Servicegame zum 0:2.

Der Österreicher wäre aber nicht der am höchsten gehandelte Kronprinz, hätte er keine Antworten parat. Das Rebreak gelang postwendend. Eine Vorhand da, ein Stopp dort, die Nummer sieben der Setzliste wurde sich gerecht. Doch ehe sich das Runzeln in des Spaniers Stirn verfestigen konnte, gab Thiem das erste Set mit vier Fehlern in Folge 4:6 ab. Unforced Satzverlust sozusagen.

Nadal nicht mehr zu stoppen

"Sobald er dich hat, lässt er dich nicht mehr los", hatte Thiem vor dem Match gesagt. Der Mann kennt sich aus. Fortan quälte Nadal stur die Rückhand seines Gegenübers. Der Linkshänder zog seine Vorhand solange wie einen Strich quer über das Feld, bis der Widerstand brach und Thiems Bälle entweder im Netz oder im Out landeten. Wieder war ein schnelles Break zum 0:2 die Folge. Diesmal konnte sich der Österreicher nicht mehr aus der Umklammerung befreien. Immer wieder warf er fragende Blicke in Richtung Players Box, in Richtung seines Trainers Günter Bresnik. Gegen die waffenscheinpflichtige Vorhand Nadals lässt sich so schnell aber keine adäquate Lösung finden, gegen den Spielwitz noch weniger. Der zweite Satz ging mit 3:6 verloren.

Was hätte jetzt noch passieren sollen? Die Statistik spricht Bände: Wenn Nadal den ersten Satz auf Sand gewinnt, streckt er am Ende auch die Arme in die Luft. Das ist ihm zuletzt 95 Mal in Folge gelungen. Ein Regenguss hätte den Spanier an dieser Stelle noch stoppen können, ein gröberer Fingerkrampf an der Schlaghand bei 2:1 im dritten Satz konnte es nicht. Nadal nahm nicht einmal ein Medical Timeout in Anspruch.

Head-to-Head auf 7:3

So kam es, wie es kommen musste. Nach 2:42 Stunden verwertete Nadal den fünften Matchball zum 6:4, 6:3, 6:2. Es war die zweite österreichische Finalniederlage an diesem Wochenende. Am Samstag hatte der Steirer Oliver Marach mit seinem Doppelpartner Mate Pavic gegen die Franzosen Nicolas Mahut und Pierre-Hugues Herbert verloren.

Kurz nach 18 Uhr übergab die australische Tennis-Ikone Ken Rosevall die Trophäe. Nadal zollte dem unterlegenen Thiem in seiner höflichen Art Respekt. Ein wohlerzogener Sieger eben. Es war nach 2014 und 2017 die dritte Begegnung der beiden Herrschaften in Roland Garros. Auch die Partien vor diesem Finale hatte Nadal in drei Sätzen ohne Wenn und Aber für sich entschieden. Im Head-to-Head steht es nach dem zehnten Aufeinandertreffen 7:3 für den Spanier.

"Ich habe ein Match verloren, es soll nicht Schlimmeres passieren", sagte Thiem nach dem Spiel. Den Blick hatte er bei der Pressekonferenz schon in die Zukunft gerichtet: "Ich werde alles geben, um weitere Grand-Slam-Finale zu erreichen. Und dann möchte ich es besser machen."

Rasensaison startet

Für Thiem war es die erste Niederlage nach zehn Siegen in Serie. Vor seinem Finaleinzug hatte er das Turnier von Lyon gewonnen. Ehe der Österreicher die Rasensaison in Angriff nimmt, wird er sich am Montag von Rang acht auf sieben der Weltrangliste verbessern. Nadal bleibt vor Roger Federer auf Platz eins. In Wimledon hat Thiem ein Achtelfinale zu verteidigen. Das sollte sich ausgehen.

Für Nadal wiederum ist es der elfte Triumph bei den French Open. Seit 2005 hat er auf der roten Asche von Paris lediglich zwei Spiele verloren. 2009 musste er sich dem Schweden Robin Söderling geschlagen geben, 2015 dem Serben Novak Djokovic. Diesen Betriebsunfällen stehen nun 86 Siege gegenüber. Noch eine Statistik gefällig? Nadal musste in keinem seiner elf Finalspiele über fünf Sätze gehen. Kein Gegner brachte ihn so richtig ins Schwitzen, auch Thiem nicht. Der Machtwechsel ist vertagt, die Regentschaft verlängert. (Philip Bauer aus Paris, 10.6.2018)