Nichts wie weg, am besten schon vor Schulschluss: Mit dem Ruf nach der Polizei wird die Gewerkschaft diesen Trend nicht umkehren.

Foto: APA / Schlager

Paul Kimberger, Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, will die Polizei in der Woche vor Schulschluss Familien kontrollieren lassen, um herauszufinden, wie hoch die Schulschwänzer-"Dunkelziffer" wirklich ist. Weil man ja weiß – oder erahnen kann –, dass viele Eltern mit ihren Kindern schon vor den offiziellen Sommerferien auf Urlaub fahren.

Das ist ein interessanter Vorschlag, den man sich einmal bildlich vorstellen muss. Etwa so: Die schwerbewaffnete Flughafenpolizei bildet einen Kordon und fischt sich alle Knirpse mit Eiskönigin- oder "Star Wars"-Köfferchen heraus, befragt sie peinlich, ob sie schon in die Schule gehen und wer ihre dazugehörigen Eltern sind. Dann wird Familie X oder Y im großen Polizei-Klassenbuch notiert, im Herbst folgt dann die Standpauke der zuständigen Schuldirektorin – oder gar eine Disziplinarkonferenz. Gegen die Eltern natürlich, die Kinder sind ja nur mitgereist.

Empörung in Bayern

So wird es vermutlich nicht laufen. In Bayern, wo die Polizei etwa 20 Familien dingfest gemacht hat, die unerlaubt vorzeitig in die Pfingstferien gereist sind, ist ein Sturm der Empörung über der Exekutive niedergegangen. Gut möglich, dass sich das die österreichischen Kollegen gerne ersparen möchten und aus Gründen des "Personalmangels" höflich abwinken. Es sollte aber auch so nicht laufen.

Schulschwänzen hat unterschiedliche Motive. In bildungsfernen Schichten herrscht oft das Problem vor, dass Schulbildung grundsätzlich keine große Bedeutung beigemessen wird. Und in gebildete(re)n Kreisen ist man häufig der Meinung, dass in den letzten Tagen vor Schulschluss eigentlich gar nichts mehr passiert. Schon gar keine Schulbildung im klassischen Sinn.

Anreiz statt Strafe

Das ist genauso falsch wie die Annahme, Schule an sich sei keine Notwendigkeit. Auch wenn keine Vokabeln oder Grundrechnungsarten durchgenommen werden, lernen Kinder im Schul- und Klassenverband. Sie lernen beim Fußballspielen, bei gemeinsamen Ausflügen und beim Spiel in der Freizeitbetreuung. Eigenmächtiges Ausklinken, aus welchen triftigen Gründen immer, ist nicht in Ordnung.

Aber statt mit Druck und Strafen zu arbeiten, sollten sich die Schulbehörden lieber Gedanken darüber machen, wie sie die Österreicherinnen und Österreicher davon überzeugen, wie wichtig Bildung ist. Wer sich schlicht nicht darum kümmert, was der eigene Nachwuchs tut, muss vom Gegenteil überzeugt werden. Nur das wird nachhaltig nützen – nicht Strafzahlungen, an denen man sich irgendwie vorbeizuschummeln versucht. Die Gewerkschaft sollte nicht ruhen, bis jede Schule genügend Sozialarbeiter und Psychologen vor Ort hat, damit diese Aufgabe gemeistert werden kann – und nicht wieder nur dem Engagement einzelner Lehrer obliegt.

Ferienprogramm neu denken

Und was jene Eltern betrifft, die leider, leider den Urlaub schon in der letzten Schulwoche gebucht haben: Auch hier wird es nicht viel helfen, mit der Polizei zu drohen. Vernünftiger wäre, sich endlich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass es schwierig und auch teuer ist, 13 Wochen Schulferien pro Jahr zu organisieren – ohne Großeltern, mit "normalem" Vollzeitjob. Man will und kann Kinder bis ins Teenageralter nicht sich selbst überlassen, sie müssen beschäftigt und betreut werden.

Wie wäre es, zur Abwechslung, mit einem radikalen Vorschlag zur Güte? Man könnte eine Art "Sommerkorridor" schaffen, in dem die Schulen geöffnet sind, Schülerinnen und Schüler nicht nur betreut werden, sondern auch Stoff vertieft und wiederholt werden kann – und innerhalb dessen Eltern mit ihren Kindern auch Urlaub machen können. Ist der Urlaub vorbei, kann man entscheiden: ein oder zwei "Vertiefungswochen" an der Schule – oder ein anderes, privates Ferienprogramm selbst organisieren und bezahlen.

Viel zu tun

Die Schulen könnten sich die Sommerbetreuung bezahlen lassen – und wenn sie günstiger sind als Sommercamps, wird auch die Nachfrage nicht zu wünschen übrig lassen. Auch eine Zusammenarbeit mit Nachhilfeinstituten wäre denkbar, auch hier sollten vernünftige, preisgünstige Angebote ausgehandelt werden.

Das führt zur Frage der Freizeitbetreuung am Nachmittag: Diese wird von vielen engagierten jungen Frauen und Männern bestritten, die dafür skandalös wenig Geld bekommen. Auch hier täte ein wenig Power vonseiten der mächtigen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst gut – dann kann man auch über sinnvolle Ferienbetreuung reden. Und dann wäre noch die bauliche Situation an den Schulen. Nur in wenigen will man länger bleiben als unbedingt nötig. Viele von Österreichs Schulgebäuden müssen dringend renoviert, modernisiert und ausgebaut werden – ein weiteres lohnendes Betätigungsfeld für die Lehrergewerkschaft.

Es gäbe eben viele Ansätze, das vorferiale Schulschwänzproblem zu lösen. Man müsste nur bereit sein, ausgetretene Pfade zu verlassen. Und nicht nach der Polizei zu rufen. (Petra Stuiber, 14.6.2018)