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EZB-Chef Mario Draghi belässt den Leitzins bei null Prozent und lässt Sparer warten.

Foto: Reuters / KAI PFAFFENBACH

Das Ende der Geldflut in Europa ist nahe. Eine Zinswende ist damit trotzdem noch länger nicht in Sicht. Am Donnerstag kündigte die Europäische Zentralbank an, ihr rund 2,5 Billionen Euro schweres Anleihekaufprogramm mit Jahresende auslaufen zu lassen (siehe Grafik). Der Leitzins bleibt, wie allgemein erwartet, auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Zinsen sollen noch bis Sommer 2019 auf dem niedrigen Niveau verharren. Im Gegensatz zur EZB hat die US-Notenbank am Mittwoch weitere Zinserhöhungen für das laufende Jahr angekündigt.

Die EZB trägt mit ihrer Zurückhaltung der leicht abgekühlten Konjunktur in der Währungsunion Rechnung sowie der weiterhin als zu niedrig empfundenen Inflation. Die aktuellen Prognosen wurden entsprechend angepasst: Statt 2,4 Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone mit 2,1 Prozent im Jahr 2018 wachsen. Für dieses und nächstes Jahr erhöhten die Experten am Donnerstag zwar ihre Prognose für die durchschnittliche Teuerungsrate auf jeweils 1,7 Prozent, nachdem sie im März noch jeweils 1,4 Prozent vorausgesagt hatten, das liegt aber immer noch unter dem Zielwert von knapp unter zwei Prozent.

Der Tenor ist klar: EZB-Chef Mario Draghi will tunlichst vermeiden, die Signale auf eine Zinswende umzustellen. Auf der Pressekonferenz betonte er wiederholt, dass die Nullzinspolitik "zumindest" bis nächsten Sommer andauern würde. Ein konkreter Zeitplan zur Erhöhung des Leitzinses sei in der EZB-Ratssitzung gar nicht diskutiert worden.

Kescher für Falken

Darum ist es noch zu früh, um mehr als einen symbolischen Schlussstrich unter die ultralockere Geldpolitik zu ziehen. Doch die Meinungsverschiedenheiten im Rat verdeutlichen, wie der Einsatz der Krisenfeuerwehr bisher eingeschätzt wird. Die betonte Zurückhaltung des italienischen Zentralbankchefs hat gute Gründe. Die Notenbanker der 19 Mitglieder sprechen nicht immer mit einer Stimme.

Die sogenannten Falken, wie der deutsche Bundesbankpräsident und potenzielle Draghi-Nachfolger Jens Weidmann, plädieren schon länger für eine raschere Abkehr von der lockeren Geldpolitik. Zu der Gruppe zählt auch Österreichs Notenbankchef Chef Ewald Nowotny. Er hatte Aufsehen erregt, als er bereits im April in den Medien angekündigte, was die EZB am Donnerstag beschloss: das Anleihekaufprogramm bis zum Jahresende auslaufen zu lassen. Dies würde den Weg für die erste Zinserhöhung seit dem Jahr 2011 bereiten. Damals betonte sogar ein EZB-Sprecher, dass dies nicht die offizielle Position der EZB sei.

Widersacher Tauben

Die Widersacher der Falken sind Tauben, wie Draghi. Sie betonen, wie wichtig die milliardenschweren Aufkäufe von Staats- und Unternehmensanleihen waren, um die Finanzierung der Privatwirtschaft sowie Staatshaushalte in der krisengebeutelten Währungsunion zu stabilisieren. Die EZB betonte am Donnerstag wieder, dass ihre Maßnahmen auch KMUs halfen, an Kapital zu kommen. In Kombination mit den Rettungspaketen der EU und des Internationalen Währungsfonds haben auch die südlichen Krisenländer dem Druck standgehalten.

Draghi gab zu bedenken, dass wir in Zeiten von "unleugbar steigender Unsicherheit" leben, die hauptsächlich auf "geopolitische Risiken" zurückzuführen sei. Das Thema der Turbulenzen in seiner Heimat Italien umschiffte Draghi konsequent und nannte stattdessen konkret den wachsenden Protektionismus auf der Welt.

"Positive Überrachungen" erwartet

Aber Draghi erwartet sich auch "positive Überraschungen" in den kommenden Monaten. Die Steuerentlastung in den USA und höhere Staatsausgaben in der EU könnten den Konjunkturmotor anheizen. Die EZB hofft, dass sich die Einflüsse ausbalancieren, und hält sich verbal alle Optionen offen.

Kritiker fürchten, dass die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik ihr Pulver verschossen hat. Im Gegensatz zu den USA kann die EZB auf eine Rezession nicht mit Zinssenkungen reagieren. Das dürfte noch länger so bleiben. (Leopold Stefan, 14.6.2018)