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Die Stechuhren gehen künftig anders.

Foto: Dpa/Peter Endig

Die Koalitionsparteien sorgen mit ihrem Initiativantrag zur Flexibilisierung der Arbeitszeit für enorme Diskussionen. Doch was sagt – abseits des politischen Donnerwetters – der Arbeitsrechtler? Professor Martin Risak rechnet damit, dass es Unternehmen künftig leichter fallen wird, Überstunden anzuordnen. Auch bei den Überstundenzuschlägen ortet er Verschlechterungen für die Arbeitnehmer.

Aufhorchen lässt der Experte mit einer Feststellung zu den weit verbreiteten All-in-Verträgen und den Gleitzeitvereinbarungen. Die jeweiligen Vereinbarungen seien unter anderen Voraussetzungen abgeschlossen worden. Daher könnten die nun leichter anzuordnenden weiteren Überstunden nicht einfach eingebaut werden.

STANDARD: Wie stark sind die Einschnitte durch das geplante Arbeitszeitgesetz, das auch den Zwölfstundentag bringen soll?

Risak: Das Radikalste am Entwurf ist die Ermöglichung des Zwölfstundentages und der 60-Stunden-Woche, ohne dass die Kollektivvertragsparteien oder Betriebsräte irgendetwas mitbestimmen können. Im Regierungsprogramm hat das noch etwas anders ausgesehen, doch alle Einschränkungen wurden weggewischt. Wenn man vereinbart hat, dass man Überstunden machen muss – und das ist faktisch überall der Fall -, können das die Arbeitgeber künftig ohne kollektive Zwischenschicht durchführen.

Martin Risak sieht eine Machtverschiebung von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Aber es gibt weiterhin Ablehnungsgründe, etwa wegen Betreuungspflichten?

Risak: Überstunden dürfen bisher dann nicht angeordnet werden, wenn berücksichtigungswürdige Gründe der Arbeitnehmer entgegenstehen. Das kommt einem Verbot von Überstunden nahe, wenn beispielsweise Betreuungspflichten existieren. Künftig wird es so sein, dass der Arbeitnehmer Überstunden ablehnen darf. Damit reduziert sich der Schutz der Arbeitnehmer deutlich. Das kann man mit der umgekehrten Beweislast vergleichen. Diese neue Begrifflichkeit lässt darauf schließen, dass damit etwas intendiert ist. Das wäre üblicherweise in einem Begutachtungsverfahren zu diskutieren, das es nicht gibt.

STANDARD: Es gibt jetzt schon sehr viele Kollektivverträge, die den Zwölfstundentag vorsehen.

Risak: Ja, das stimmt, aber immer nur bei Sondertatbeständen. Beispiele wären Schichtbetrieb, Viertagewoche, Sonderüberstunden im Rahmen einer Betriebsvereinbarung. Es gibt immer eine besondere Begründung, warum ich mit zehn Stunden nicht auskommen kann. Jetzt wird der Zwölfstundentag als Normalfall eingeführt, darum fallen auch die Sondertatbestände weg. Man braucht also keinen Grund mehr dafür und kann es einfach anordnen.

STANDARD: Ist das wirklich ein fundamentaler Unterschied?

Risak: Ja, denn die Einbindung der Arbeitnehmervertretung entfällt künftig. Bei den bisherigen Ausnahmeregelungen für Ärzte oder Industriebetriebe kam es typischerweise zu einer Kompensation, wenn die Arbeitgeber eine längere Arbeitszeit verlangten. Das waren oft Geld oder längere Freizeitblöcke, das ist jetzt alles weg. Dadurch verschiebt sich das Machtgleichgewicht weg von den Arbeitnehmern.

STANDARD: Wie sieht es mit den Zuschlägen aus?

Risak: Wenn Überstunden auf betrieblicher Ebene durch eine Sondervereinbarung zulässig sind, weil es im Gegenzug Zuschläge gibt, wird die Vereinbarung wegfallen, weil man die Zulassung nicht mehr braucht. Wenn das wegfällt, braucht man auch die Zuschläge nicht mehr.

STANDARD: Ist die neue Regelung nicht etwas, was es beispielsweise in Deutschland schon längst gibt?

Risak: In Deutschland ist die Überstundenanordnung an die Zustimmung des Betriebsrats geknüpft. Generell muss man zu Deutschland sagen, dass die Arbeitszeiten dort liberal sind, dafür ist die Stellung des Betriebsrats viel stärker als in Österreich. Der Betriebsrat wird dagegen völlig hinausgeschossen.

STANDARD: Wie werden sich die Änderungen auf All-in-Verträge auswirken?

Risak: Ich gehe davon aus, dass die elfte und zwölfte Stunde nicht von All-in-Verträgen abgedeckt ist, weil die Vereinbarungen unter anderen Voraussetzungen zustande gekommen sind.

STANDARD: Müsste man die Vereinbarungen – angeblich ein Viertel aller Arbeitsverträge – neu ausverhandeln?

Risak: Ja, genauso wie die Gleitzeitvereinbarungen. Die sind unter der Voraussetzung zustande gekommen, dass man zehn Stunden gleiten darf.

STANDARD: Die Gewerkschaft sagt, dass mehr Stunden in die All-in-Vereinbarung gepackt würden.

Risak: Ich meine, dass die zusätzlichen Überstunden nicht von diesen Verträgen erfasst sind. (Andreas Schnauder, 17.6.2018)