Werden die Koalitionspläne umgesetzt, kann der Arbeitstag künftig schon mal länger dauern.

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Wien – Seit die türkis-blaue Regierung vergangene Woche einen Entwurf zur Reform des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt hat, gehen die Wogen hoch. Verschiedene Termini werden in der Diskussion verwendet. DER STANDARD erklärt die wichtigsten in Kurzform:

  • Normalarbeitszeit Im Arbeitszeitgesetz gibt es verschiedene Begrifflichkeiten. Es gibt die Normalarbeitszeit, die grundsätzlich bei acht Stunden pro Tag sowie 40 Stunden pro Woche liegt. Das soll sich auch in Zukunft nicht ändern. Es gibt allerdings bereits jetzt diverse Ausnahmen. So kann die Normalarbeitszeit per Betriebsvereinbarung auf zehn Stunden erweitert werden, wenn der Betrieb regelmäßig eine Viertagewoche hat. Ebenfalls zehn Stunden kann die Normalarbeitszeit über einen Zeitraum von 13 Wochen betragen, wenn Fenstertage eingearbeitet werden. Viele Kollektivverträge sehen neun Stunden Normalarbeitszeit vor.

  • Höchstarbeitszeit Aufregung gibt es derzeit aber vor allem wegen der Höchstarbeitszeit. Sie wird pro Tag von zehn auf zwölf und pro Woche von 50 auf 60 Stunden angehoben. Die Höchstarbeitszeit kann allerdings nicht beliebig lang ausgeschöpft werden. Laut Gesetz beziehungsweise EU-Vorgaben darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Das heißt also: Der Arbeitgeber könnte theoretisch 13,6 Wochen lang Zwölfstundenschichten (fünf Tage pro Woche) anordnen, dann müssten die Arbeitnehmer aber 3,4 Wochen am Stück freibekommen, um die zulässige durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht zu überschreiten. Natürlich ist aber auch eine andere Verteilung möglich. Also etwa fünf Wochen lang Zwölfstundenschichten und dann entsprechend kürzere Dienste.

  • Überstunden Für Überstunden ist die Normalarbeitszeit relevant, nicht die Höchstarbeitszeit. Wann immer also die im Gesetz, Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit überschritten wird, fallen Überstunden an. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dafür einen Zuschlag von 50 Prozent zahlen.

    Bei Nacht- oder Sonntagsarbeit sehen viele KVs aber auch höhere Zuschläge vor. Zudem gab es bereits jetzt Konstellationen, bei denen bei "vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf" Zwölfstundentage möglich waren, in diesen Fällen sahen die meisten Betriebsvereinbarungen einen 100-prozentigen Zuschlag vor. Da dieser Paragraf gestrichen wird, bekommt diese Gruppe künftig nurmehr einen 50-prozentigen Zuschlag.

    Jedenfalls möglich ist auch, dass statt Geld Zeitausgleich vereinbart wird. Für eine normale Überstunde bekommt man dann 1,5 Stunden Zeitausgleich, für eine mit 100-Prozent-Zuschlag müssen zwei Stunden Zeitausgleich gewährt werden.

  • Gleitzeit Ziel einer Gleitzeit in einem Betrieb ist es, dem Arbeitnehmer eine flexible Einteilung seiner Arbeitszeit zu ermöglichen. Der Vorteil für den Arbeitgeber ist, dass aus seiner Sicht weniger Zusatzkosten für Überstunden anfallen. Die Gleitzeit wird zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbart, meist also zwischen Unternehmer und Betriebsrat.

    Laut gesetzlichen Vorgaben muss eine Gleitzeitvereinbarung zumindest vier Eckpunkte umfassen. Festgelegt werden muss, wie lange eine Gleitzeitperiode dauert, zum Beispiel ein Jahr. Fixiert werden muss der Gleitzeitrahmen, zum Beispiel von acht Uhr früh bis 20 Uhr am Abend. Zudem muss abgesprochen werden, wie die fiktive Normalarbeitszeit aussieht, also wie viele Stunden ein Mitarbeiter gutgeschrieben bekommt, wenn er etwa krank ist. Und schließlich braucht es eine Vereinbarung darüber, was mit den Gleitzeitstunden am Ende jeder Periode geschieht.

    Im Gleitzeitrahmen kann ein Mitarbeiter seinen Arbeitsalltag gestalten. Also zum Beispiel kommt Frau X um zehn Uhr ins Büro und geht um 16 wieder, weil sie einen privaten Termin hat. Am nächsten Tag kommt sie schon um acht Uhr früh und arbeitet bis 18 Uhr, also zehn Stunden.

    Damit erledigt Frau X die vom Vortag liegen gebliebenen Aufgaben. Dafür gebühren ihr keine Zuschläge. Bisher lag die höchst zulässige Arbeitszeit bei zehn Stunden. Auch für die neunte und zehnte Stunde gebührten keine Zuschläge, der Arbeitnehmer soll, so die Idee, diese Zusatzstunden irgendwann abbauen. In der gesamten Gleitzeitperiode muss der Arbeitnehmer die durchschnittlich vereinbarte Arbeitszeit, etwa 40 Stunden, ableisten. Alles, was darüber hinaus anfällt, ergibt am Ende der Periode ein Stundenguthaben. Diese Überstunden müssen entweder abgegolten werden oder aber eine bestimmte Anzahl an Stunden wird in die nächste Periode übertragen, sagt der Arbeitsrechtler Martin Risak. Daran ändert sich nichts.

  • Kollektivvertrag Ein Argument der Befürworter der neuen Zwölfstundenregelung lautet, dass auf Ebene der Kollektivverträge (KV) oder der Betriebe Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohnehin andere Regelungen treffen können. Tatsächlich kann in einem KV fixiert werden, dass die maximal zulässige Arbeitszeit bei zehn Stunden bleibt – außer in besonderen Ausnahmesituationen. Allerdings sagen Arbeitnehmervertreter wie Peter Schleinbach von der Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge), dass sich Arbeitgeber die neue Zwölfstundenregelung gewünscht und bekommen haben und es eine Illusion sei zu glauben, dass sie sich den Zwölfstundentag wegverhandeln lassen. Was also rechtlich möglich ist, spiele in der Praxis keine Rolle.

  • Freiwilligkeit Die Regierung argumentiert, dass die neue Zwölfstundenregelung auf Freiwilligkeit beruhe. Tatsächlich steht in der geplanten Gesetzesnovelle drinnen, dass Arbeitnehmer nach zehn Stunden weitere Arbeitsstunden aus "überwiegenden persönlichen Interessen" ablehnen können. Allerdings erfolgt durch diese Passage eine "Beweislastumkehr", wie die Wiener Rechtsanwältin Katharina Körber-Risak sagt, die auf Arbeitsrecht spezialisiert ist.

    Bisher konnte der Arbeitgeber in Fällen eines "erhöhten Arbeitsbedarfs" die Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden ausdehnen. In der Praxis mussten aber die Arbeitgeber darlegen, dass es diesen erhöhten Bedarf gibt. Künftig muss dagegen der Arbeitnehmer darlegen, dass er aus persönlichen Gründen nicht länger arbeiten darf. Laut Körber-Risak ist klar, dass zum Beispiel ein überwiegendes Interesse bei Betreuungspflichten für Kinder gegeben ist. Fraglich sei aber, ob ein Arbeitnehmer einen Zwölfstundentag ablehnen kann, weil er sagt, zu müde zu sein.

  • Nachtruhe Im Tourismus wird die Nachtruhezeit deutlich verkürzt – von elf auf acht Stunden. Dieses Modell kann nur in Betrieben zum Einsatz kommen, in denen es sogenannte geteilte Dienste gibt. Von einem geteilten Dienst spricht man, wenn man beispielsweise am Vormittag einige Stunden arbeitet, dann mindestens drei Stunden Pause hat und dann weiterarbeitet. Nichtverkürzte Nachtruhe kommt aber nicht nur dann zum Einsatz, wenn der Mitarbeiter im Tourismusbetrieb wohnt, die An- und Abreise reduziert also noch die potenziellen Stunden zum Schlafen.

  • Schichtarbeit Für die Schichtarbeit gelten besondere Regelungen. Schichtarbeit bedeutet, dass sich mehrere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen. Das ist zum Beispiel der Fall in einer Fabrik, aber auch im Spital, etwa beim Pflegepersonal. Mehr als 600.000 Österreicher arbeiten in Schichtarbeit.

    Hier ist eine Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf zwölf Stunden nicht nur in Ausnahmefällen erlaubt. So konnte etwa ein Zwölfstundentag schon bisher am Wochenende angeordnet werden oder wenn es eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung dafür gibt. Dabei gilt dieser Zwölfstundentag als Normalarbeitszeit, das heißt, es fallen auch keine Überstundenzuschläge an. (Günther Oswald, Andras Szigetvari, 18.6.2018)