Die Versicherungbranche startet ihren dritten Anlauf, um die Rücktrittsrechte zu vereinheitlichen und die Modalitäten neu festzulegen.

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Wien – Peter Kolba kommt vom Verbraucherschutz nicht los. Nach seinem Rückzug von der Liste Pilz hat Kolba, der vor seinem politischen Engagement 26 Jahre beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) als Chefjurist tätig war, eine neue Plattform ins Leben gerufen. Mit dem Verbraucherschutzverein geht Kolba zwei Anliegen nach: "Ich will in jedem Fall Rechtspolitik betreiben und Informationen zum Verbraucherrecht geben." Denn fundierte Information sei das, was Leuten oft fehle, um aktiv zu werden.

Getragen werden soll die Plattform von der Zivilgesellschaft, also durch Mitglieder oder Spenden finanziert werden. Wichtig ist Kolba, dass die Plattform von Wirtschaft und Staat unabhängig ist und bleibt. Gelingt es, ausreichend finanzielle Mittel zu lukrieren, wäre auch eine Ausweitung der Tätigkeit denkbar. "Ich kann mir dann auch eine kostenlose Rechtsberatung und eine Unterstützung bei der Rechtsdurchsetzung vorstellen", sagt Kolba zum Standard. Zweiteres dann aber nur für zahlende Mitglieder. So, wie es in den USA bereits oft der Fall ist.

Erstes Kolba-Projekt

Als erstes Projekt hat sich Kolba des Rücktritts bei Lebensversicherungen angenommen. Hier unternimmt die Branche ja gerade ihren dritten Anlauf, um die Rücktrittsrechte zu vereinheitlichen und die Modalitäten dafür neu festzulegen. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ haben vergangenen Donnerstag einen Initiativantrag eingebracht, noch vor dem Sommer soll die Gesetzesänderung beschlossen werden, die ab 2019 gelten soll.

Gelingt es diesmal, den Antrag durchzubringen, würde das vor allem eine finanzielle Verschlechterung für Versicherungskunden bedeuten, die aufgrund fehlender oder falscher Belehrung über ihre Rücktrittsrechte von ihrem Vertrag zurücktreten wollen. Aktuell bekommen Kunden, die aus diesem Grund von ihrem Vertrag zurücktreten, die einbezahlte Prämie inklusive Verzinsung von vier Prozent rückerstattet. Mit dem neuen Gesetz soll die Verzinsung entfallen. Wer im ersten Jahr nach dem Abschluss den Rücktritt erklärt, soll seine Prämien refundiert bekommen. Wer aber in den Jahren zwei bis fünf (und danach) vom Vertrag zurücktritt, soll nur noch den von der Versicherung berechneten Rückkaufswert bekommen, der in der Regel rund 20 bis 40 Prozent unter dem liegt, was man jetzt bei einem Rücktritt herausbekommt. Im Fall von fondsgebundenen Lebensversicherungen werden entstandene Verluste dem Kunden gegengerechnet, also angelastet.

Effizienzgebot verletzt

"Von einer Verzinsung ist hier nicht mehr die Rede", sagt Kolba. Er sieht in diesem Vorhaben der Regierung das europäische Effizienzgebot verletzt. Denn es sei das Ziel der EU gewesen, mit harten Konsequenzen für Versicherer sicherzustellen, dass diese überhaupt und richtig über das Rücktrittsrecht belehren. Dass ein Rücktritt nun zum Vorteil für die Versicherungen wird, sieht Kolba auch als systemwidrig mit heimischem Recht. Denn bei einem Rücktritt werde ein Vertrag aufgelöst und vernichtet. "In so einem Fall ist der Vertrag bereicherungsrechtlich abzuwickeln", erklärt Kolba. Also müssen das empfangene Geld und Nützlichkeit abgegolten werden. So kam es zu der Situation, dass Versicherer die Prämie mit vier Prozent verzinst rückerstatten müssen und bei fondsgebundenen Lebensversicherungen die Verluste übernehmen.

Rechtsanwalt Robert Haupt sieht im neuen Gesetz noch einen kritischen Punkt: Wenn Versicherungen über Jahre falsch belehrt haben und ihnen der Gesetzgeber "mit einem Wunschgesetz zu Hilfe eilt, handelt es sich um nichts anderes als um eine Beihilfe". Assekuranzen ersparten sich Zahlungen an Kunden, die in ihren Rechten beschnitten wurden.

Um Maßnahmen wie diese umsetzen zu dürfen, war bei der Finanzkrise laut Haupt eine Genehmigung durch die Europäische Kommission gemäß den Bestimmungen über staatliche Beihilfen erforderlich. Haupt: "Dies negieren die Versicherungen offenbar." (Bettina Pfluger, 19.6.2018)